Kapitel 21

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John Morris stand vor mir, in einem perfekt sitzenden und makellos gebügelten Anzug. Und mit einem leisen Lächeln auf den schmalen Lippen.

Unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wieso war er hier? Was wollte er von mir? Wie war er hier hereingekommen? Wieso nannte er mich Lucas? Wie zum Teufel hatte er herausgefunden, wer ich war? Was würde er jetzt mit dieser Information anfangen? Was hatte er vor?

Aber ein einzelner, im Grunde nicht besonders hilfreicher Gedanke setzte sich durch und fing an, unablässig in meinem Kopf herumzukreisen: Scheiße. Verdammte Scheiße.

Mir war selbst klar, dass mich dieser Gedanke kein Stück weiterbringen würde, aber das war alles, was in meinem mit einem Mal wieder fast leeren Kopf noch übrig blieb. Eben noch waren da so viele Fragen gewesen und jetzt nichts mehr. Jetzt konnte ich gar nicht mehr denken. Nur wie angewurzelt da stehen und Morris anstarren.

Sein Lächeln wurde breiter, während er einen lässigen Schritt auf mich zu machte. „Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf."

Seine Worte und seine fast höhnische Gelassenheit im Angesicht meiner eigenen Schockstarre brachten mich wieder in einen Zustand, indem ich zumindest noch etwas anderes als puren Schock empfand: Verzweiflung. Er hatte mich Lucas genannt und verhielt sich selbstsicher genug, um jeden Zweifel darüber auszuräumen, dass er für diesen Namen, für diese Anschuldigung, ich sei gar nicht wirklich Ethan, nicht einfach ins Blaue geraten hatte. Er wusste, wer ich war.

Weil ich wirklich keine Ahnung hatte, was ich sonst tun sollte, stritt ich es wider besseren Wissens ab. „Ethan", korrigierte ich, viel zu langsam und viel zu spät, aber der Schock beeinträchtigte scheinbar noch immer meine Hirnfunktionen. „Nicht Lucas." Ich glaubte nicht daran, dass Leugnen in diesem Fall irgendetwas brachte. Aber was sollte ich sonst tun? Es zugeben? Und was dann? Was würde Morris machen, sobald ich ihm endgültig bestätigte, dass ich nicht Ethan war und allen etwas vorgespielt hatte?

Das hing vermutlich davon ab, was er außer meinem Namen noch wusste. Wusste er, dass Agent West mich angeheuert hatte, um ein bisschen undercover zu ermitteln? Musste er das überhaupt gesichert wissen oder war es nicht schon Indiz genug, dass ich heimlich die Identität meines Bruders übernommen hatte? Für jemanden, der wusste, dass mein Name Lucas und nicht Ethan war, dürfte es nicht allzu schwierig sein, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Für jemanden wie Morris. „Nein, du bist nicht Ethan", erwiderte er, völlig unbeeindruckt von meinem erbärmlichen Versuch, es zu leugnen.

Ja, ich hatte eingesehen, dass er sich nicht von mir überzeugen lassen würde. Aber trotzdem machte ich weiter: „Hast du was getrunken? Natürlich bin ich Ethan." Es ging mir nicht mehr darum, ihn davon zu überzeugen, dass ich Ethan war, nein, das hatte ich aufgegeben. Aber ich musste weiterreden, ihn beschäftigt halten, um mir selbst Zeit zu verschaffen. Zeit, um mir einen Ausweg aus dieser Situation zu überlegen, Zeit, um endlich herauszufinden, was ich tun sollte.

„Nein." Morris schüttelte den Kopf, noch immer höhnisch, aber allmählich auch ein bisschen genervt. „Ethan würde nicht mit einem FBI-Agent zusammenarbeiten."

Ich unterdrückte den Impuls, zu schlucken. Er wusste von West. Woher? Hatte er mich mit ihm gesehen? Oder hatte mich irgendjemand verraten? Aber wer wusste denn überhaupt, dass ich für West arbeitete? Jemand von der Polizei?

„Was für ein FBI-Agent?" Nicht, dass ich vorher entspannt gewesen wäre, aber langsam bekam ich wirklich Panik. Meine Hände waren schweißnass und zittrig. Beruhig dich – du brauchst jetzt einen kühlen Kopf. Nur leider war das leichter gedacht als getan. „Wovon zum Teufel sprichst du?", fügte ich an und verfluchte mich innerlich selbst, als ich merkte, dass man meiner Stimme die Nervosität sehr deutlich anhörte. Gut, Morris wusste sowieso, dass ich nicht Ethan war, nur um in der Rolle zu bleiben musste ich also nichts vorspielen. Aber ich, Lucas, wollte einfach nicht, dass er mitbekam, wie viel Angst ich gerade hatte. Es machte zwar keinen Unterschied, aber irgendwie war es mir trotzdem wichtig.

Becoming HimWo Geschichten leben. Entdecke jetzt