Vera Lippson war elf Jahre alt und sauer. Sauer auf sich selbst.
Sie saß auf einer schmalen Holzbank in einem Warteraum der Sicherheitsbehörde am Raumhafen von Coock City und hatte trotzig die Arme vor ihrem Körper verschränkt. Die beiden Sicherheitsbeamten, die links von ihr an der Tür standen und sie misstrauisch beobachteten, ignorierte sie, so gut es ging. Der Raum war ansonsten leer – der Informationsschalter ihr direkt gegenüber war nicht besetzt, und es gab weder Fenster noch Holobildschirme oder sonst etwas, das ihrer Aufmerksamkeit wert gewesen wäre. Auf der anderen Seite der geschlossenen Tür – die einzige Tür, die aus diesem Raum führte und die deswegen von den grimmigen Sicherheitsbeamten bewacht wurde – hörte sie das geschäftige Treiben anderer Beamter, die am Raumhafen für Recht und Ordnung sorgen sollten. Auch dies ignorierte sie.
Aber als sie entferntes Dröhnen hörte, wurde ihr Gesicht noch finsterer als vorher. Das Geräusch schwoll an, dann änderte es die Tonlage und verklang immer mehr. Sie wusste, was das bedeutete. Das Dröhnen stammte von den Triebwerken eines Raumschiffs. Jenes Raumschiffs, das sie eigentlich von diesem langweiligen Planeten hätte wegbringen sollen. Jetzt war es ohne sie abgeflogen.
Es dauerte aber nicht lange, bis sie auf der anderen Seite der Tür eine männliche Stimme hörte. Trotz der Tür zwischen ihnen konnte Vera deutlich verstehen, was besprochen wurde: „... suche meine Tochter. Vera Sofia Lippson. Ungefähr so groß, lange dunkelbraune Haare, blaue Augen."
Graue Augen, korrigierte Vera verächtlich in Gedanken. Nicht einmal dieses Detail bekam der Kerl hin. Ihre Laune sank um zwei weitere Stufen, und zu ihrer trotzigen Haltung gesellte sich nun ein Schmollmund und ein düsterer Blick in Richung Tür, bevor sie sich demonstrativ dem leeren Schalter vor ihr zuwandte. Die Beamten auf der anderen Seite der Tür schienen jedoch mit der Beschreibung nicht viel anfangen zu können. „Ich habe hier nichts im System. Können Sie noch weitere Details nennen?"
Als sie die nächsten Worte des Mannes auf der anderen Seite der Tür hörte, der behauptete, ihr Vater zu sein, wusste Vera nicht, ob sie lachen oder vor Wut ausrasten sollte. „Rotzfrech, respektlos und eine fürchterliche Nervensäge."
„Alles klar! Hier durch die Tür, bitte!" Die Tür glitt mit einem Zischen zur Seite – und Igor Lippson, seines Zeichens freischaffender Söldner, ehemaliger Transportercaptain und Besitzer einer Farm auf diesem vor sanften grünen Ebenen strotzenden Hinterwäldlerplaneten Geshtachius Prime, betrat den Raum. Vera bedachte ihn mit einem kurzen Blick. Er sah nicht sehr glücklich aus. Groß, breitschultrig, mit kurzem schwarzen Haar, einem kantigen bartlosen Gesicht und einer Miene, die Vera schon sehr oft bei ihm gesehen hatte, flößte er sogar den beiden Sicherheitsleuten neben der Tür Respekt ein. Diese traten ein kleines Stück beiseite, als er eintrat.
Doch mehr als diesen kurzen Blick hatte sie für ihn nicht übrig. Sie lehnte sich auf der Bank zurück und starrte den leeren Schalter an. Als die Tür sich zischend hinter ihm schloss, blieb Igor stehen und sah grimmig auf seine Tochter herunter. Zwischen ihnen breitete sich eine unangenehme Stille aus.
Bis Vera die Stille schließlich brach. „Ich rede nicht mit dir", zischte sie.
Als er ebenfalls die Arme vor seinem Körper verschränkte, wirkte Igor Lippson fast wie ein großes, muskulöses Spiegelbild seiner Tochter. „Na schön", meinte er dann. „Du sollst auch nicht reden. Du sollst nur mitkommen."
„Nein." Vera schüttelte energisch den Kopf. „Lieber bleibe ich hier."
Am Liebsten wäre sie an Bord des Raumschiffs gewesen, auf dem Weg zum Planeten Aquatica, auf dem es zigtausendmal interessanter war als hier. Sie ärgerte sich noch immer, dass es nicht geklappt hatte. Noch mehr ärgerte sie sich darüber, dass sie überhaupt auf Geshtachius Prime war – einem Planeten, dessen Gesetze wohl hauptsächlich dazu dienten, Kinder zu behindern, wenn sie etwas unternehmen wollten. Sie hatte das Geld für das Flugticket ja gehabt. Aber kaum hatte sie ihre Daten in den Buchungscomputer in der Raumhafenhalle eingegeben, hatte sie einen Alarm ausgelöst. Fünf Minuten später war sie hier gewesen, begleitet von diesen zwei Beamten, die sie seitdem nicht mehr aus den Augen ließen.
DU LIEST GERADE
Unicorn Riders - Pinch
Fiksi Ilmiah„Wahrscheinlich besser als Hausarrest..." Das denkt sich die elfjährige Vera Lippson, Tochter eines intergalaktischen Söldners, als sie zur Söldner-Akademie auf dem friedlichen Planeten Geshtachius Prime gebracht wird. Fortan spielt sie in Übungsmi...