Januar

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Wert: 70

01.01
Müde trottete ich ins Badezimmer, sah in den beleuchteten Spiegel und rieb mir die Augen. Verdammt sah ich fertig aus. Silvester tat mir und meinem Schlafrhythmus nicht gut. Es war bestimmt schon 16 Uhr oder so.

Ich ging auf Toilette, zog mich danach aus und stellte mich unter die Dusche. Das kühle Nass war angenehm, half ein wenig bei den aufkommenden Kopfschmerzen. Verdammt, wie viel hatte ich eigentlich getrunken? Ich erinnerte mich nicht mehr. Eigentlich erinnerte ich mich an gar nichts mehr. Mikasa, Armin, Jean und ich hatten gefeiert. Meine Eltern wollten den Abend mit Freunden verbringen, deshalb waren alle zu mir gekommen.
Aber was war eigentlich alles passiert? Ich erinnerte mich nicht mehr. Und wenn ich weiter drüber nachdenken würde, würde mein Kopf vermutlich explodieren. So fühlte sich also ein Kater an, ja? Interessant. Ich könnte in Zukunft drauf verzichten.

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07.01
Mit Mikasa im Schlepptau betrat ich das große Schulgebäude und bahnte mir meinen Weg durch die anderen Schüler. Zum Halbjahr hatten einige vom Gymnasium auf die Realschule gewechselt und mussten nun hier in der Eingangshalle auf Anweisungen warten. Mich ging es nichts an, also achtete ich nicht wirklich auf die Anderen. „Eren, warte!", rief Mikasa und eilte schnell wieder zu mir, hakte sich bei mir ein.

Doch so schnell sie an meinem Arm hing, so schnell hatte ich sie auch wieder weggestoßen. „Lass das.", fauchte ich sie an. Dieses Jahr sollte mein Jahr werden. Ich wollte endlich eine Beziehung haben! Und das konnte ich nicht, wenn sie in jeder freien Minute an mir hing, wie eine Klette.

In der Klasse angekommen, gesellte ich mich zu meinen Freunden, begrüßte sie mit unserem üblichen Handschlag und beteiligte mich an dem Gespräch. Es ging um die Neuen. „Ob wir wohl einen bekommen?", fragte Connie und kratzte sich am rasierten Kopf. „Ich hoffe wir kriegen jemanden, der einen guten Wert hat. Ich hab keine Lust auf jemanden, der nur rumsitzt und schlechte Laune verbreitet.", ergänzte Ymir und erntete von uns allen nur einen bösen Blick.

Unsere Werte lagen alle im guten Bereich. Jeden Monat erschien die Zahl unseres Lebenswert auf unserem Handgelenk. Die meisten trugen deshalb Armbänder, wollten ihre Zahl verstecken.

Die Werte starteten bei -10 und endeten bei 100. Mit einer 70 war ich im guten Bereich. Mikasa hatte eine 65 und Armin eine 80. Dieses Jahr sollte wirklich gut für uns werden!

Beim Gong setzten wir uns auf unsere Plätze, warteten auf den Lehrer und staunten nicht schlecht, als er mit 8 neuen Schülern vor uns stand. „Setzt euch irgendwo hin." Neben mir war ein Platz frei - vielleicht setzte sich das hübsche Mädchen neben mich?

Doch die Blonde nahm lächelnd neben Ymir Platz und war damit aus dem Rennen. Auch die anderen zwei Mädchen hatten ihren Platz gefunden und so blieben nur noch die Jungen. Ein Schwarzhaariger - von geringer Körpergröße - kam auf meine Reihe zu, musterte mich keines Blickes und setzte sich auf den freien Platz neben mich.

Apathisch sah er nach vorn. Mein Blick wanderte auf sein freigelegtes Handgelenk. 23

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15.01
Gerade hatte ich meine Hausaufgaben beendet, erhielt ich eine Nachricht von Armin. Fragte, ob ich mit ihm, Jean und Connie ins Kino gehen würde. Sofort sagte ich zu. Ich brauchte mehr soziale Kontakte, damit der Plan mit meiner Beziehung auch klappte. „Mama!", rief ich als ich die Treppe runter lief.

Die Schwarzhaarige streckte ihren Kopf durch die Wohnzimmertür, lächelte mich freundlich an. „Ich gehe mit Armin ins Kino, ja?" - „Natürlich Schatz, sei aber nicht zu spät zurück." Ich nickte, gab ihr einen Kuss auf die Wange und nur ein paar Minuten später war ich aus der Haustür verschwunden.

Draußen wartete bereits Jean, welcher neben mir wohnte. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in die Stadt. Redeten dabei über die neuen Schüler. Es war seit einer Woche Thema bei uns.
Das blonde Mädchen, welches ich sehr hübsch fand, hieß Christa. Die anderen zwei hießen Annie und Sasha. Zwei der Jungen hießen Reiner und Berthold. Sie waren die einzigen, die uns bisher ihren Namen gesagt hatten. Niemand fragte die anderen. Sie wurden im Unterricht kaum dran genommen und wenn, dann sprachen sie meistens nicht.

Das hing mit dem Wert zusammen. Diese Zahl drückte aus, welche Gefühle in uns herumschwirrten. Das präsenteste Gefühl entschied die Zahl. Frisch verliebte hatten meistens 90 bis 100. Frisch geschiedene dagegen 10 bis 20. Und so weiter. Je glücklicher ein Mensch am Anfang des Monats war, desto höher war seine Zahl. Doch es gab Ausnahmen. Wenn etwas passierte, was das stärkste Gefühl in den Hintergrund rückte, änderte sich die Zahl.

Wenn bei jemandem mit einer 97 ein wichtiger Mensch starb, konnte sich der Wert schnell in -3 verwandeln. Die meisten Menschen verschwiegen ihre negativen Zahlen. Wenn ein Minus vor der Zahl stand, war der jeweilige Mensch beinahe schon Suizid gefährdet. Verständlich, dass damit keiner angeben wollte.

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28.01
In der Schule saß ich neben dem Schwarzhaarigen, sah immer mal wieder auf sein Handgelenk, doch es kam keine Änderung. Nur noch ein paar Tage und ich würde wissen, ob er sich besser fühlen würde.

Mein Wert war bei 70 geblieben. Es war gut so und das wollte ich unbedingt beibehalten, wenn nicht sogar noch verbessern. Außerdem musste ich an meinem Singledasein arbeiten. Das ging nicht, wenn ich in einen Bereich unter 30 fallen würde!

Level Up [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt