Das Fett tropfte zischend ins Feuer, als sich der gestreifte Keiler darüber drehte. Dort, wo einst sein Kopf gesessen hatte, klaffte nur noch eine schwarze, blutige Wunde. Rhashat, der Anführer der wilden Krostoxs, kam mit von Stolz geschwollener Brust auf seinem Berglöwen angeritten, den Kopf des fetten Wildschweins am Schopf gepackt, die tote Zunge in der Luft baumelnd. Brüllend und jubelnd riefen ihm seine Gefolgsleute zu und die Weiber des Clans rekelten sich anbietend auf den Strohbetten ihres Schlafplatzes. Die Wilden schliefen stets unter dem Sternenhimmel, für Hütten und Dächer hatten sie keinerlei Verwendung. Man sagte, nur im Angesicht der Götter der Nacht, würde man die Antwort finden. Brenda, das Mädchen welches sich um die Berglöwen der Reiter kümmerte, kam zu Rhashat um Truco mit rohem Rehfleisch zu füttern. Das Tier zerfetzte die zähen Stücke und schlang sie mit einem zufriedenen knurren hinunter.
Der Anführer musterte das Mädchen, von oben bis unten. Ihre gebräunte Haut war kaum von Stoff bedeckt. Das einzige, was sie trug, war eine Weste aus Hirschleder, zwischen der man die Rundungen ihrer kleinen, festen Brüste erkannte. Um die Hüften band sie ein Stück alter, brauner Baumwolle und ihre dreckigen Jagdstiefel waren bis zu den Knien geschnürt. "Sie ist eine Frau geworden", stellte Rhashat still fest, als er einen letzten Blick auf ihre weiblichen Kurven warf. Mit einer abwertenden Kopfbewegung zeigte er ihr, dass sie gehen und sich um die anderen Berglöwen kümmern sollte. Sieben waren sie von der Zahl, genau so wie ihre Reiter: Rhashat, Avon, Emiras, Namatras, Zaldroc, Olonkos und Myron, jeder der zottigen Tiere für jeweils einen der krostoxsianischen Reiter.
Als die wilden Sieben noch kleine Jungen waren, mussten sie selbst in die Ödnis der Erah, eine Wüste durchzogen von Bergen und Hügeln, wandern um die mächtigen Löwen zu finden. Nachdem sie diese entdeckten, stellten sich die wilden Sieben in einem Kreis auf, den man den 'Kreis des Bündnisses' nennt. So versuchten sie zusammen mit spitzen Speeren und finsterem Gebrüll die riesigen Katzen in die Mitte des Kreises zu treiben. Schreiend stürzten sich die angehenden Reiter dann auf die Tiere und rangen sich auf ihre Rücken, damit sie ihnen mit ihren Dolchen ein Stück ihrer spitzen Ohren abschneiden konnten, als Zeichen der Dominanz und Stärke. Von nun an waren das Tier und der Mensch verbunden, bis in den Tod. In diesem Moment wurden sie neu geboren, als die Reiter der Sieben. Das Stück toten Fleisches hing für immer an einem Lederband um die Hälse der Reiter, als Zeichen der Macht gegenüber der Berglöwen. Man zähmte sie, gab ihnen Nahrung und Liebe, lernte ihnen Gehorsamkeit und Stärke. Legenden besagen, wenn das Tier eines Reiters stirbt, stirbt der Reiter mit ihm und umgekehrt. Es war ein alter Blutschwur, von dem jeder der Krostoxs träumte.
Nun saßen sie am warmen Feuer, den Bauch voll geröstetem Wildschweinfleisch und den Geschmack bitteren Würzweins auf den Lippen. Rundherum saßen Mitglieder des Krostoxs Clans. Kleine, dreckige Buben, die schwarzen Haare voll Blätter und Dreck, die alten Volksweiber, die stets da waren wenn man sie brauchte, junge Mädchen mit schlanken Körper und wilden, dunklen Mähnen. Über zweihundert Menschen bildeten diese hitzige Schar, doch die Reiter hatten beim Speisen ihren Platz stets am Kopf des Feuers, gebettet auf Kissen aus glänzender, roter Seide die sie beim Plündern aus reichen Städten gestohlen hatten. Verziert waren sie, mit goldenen Ornamenten, und weich wie die Brüste einer Jungfrau, sagte Olonkos stets mit einem Grinsen im groben Gesicht.
"Ihr hättet sehen sollen,wie Rhashat dieses fette Wildschwein erlegt hat!" ertönte eine tiefe Stimme durch den Schwarm aus Gelächter der Gefolgsleute. "Einen Pfeil, genau zwischen die Augen!" pflichtete Avon dem großköpfigen Zaldroc zu. Die zottigen Kinder lauschten mit weit aufgerissenen Augen was die Reiter zu erzählen hatten. "Und danach zog er sein Messer und schlug dem Tier den Kopf ab", entgegnete Vigur mit gelangweilter Stimme."Ja ja, wir wissen es. Rhashat ist der Allermutigste", fügte er hinzu, in einem Unterton, der herabschätzender nicht hätte sein können. Zaldroc tat so, als hätte er den Bauersohn überhört, und redete ungestüm weiter.
"Wisst ihr, was passiert ist, nachdem das Borstenvieh den Geist aufgegeben hat?" Die Augen der Kinder wurden immer größer und füllten sich mit einer Mischung aus Neugier und Angst. "Als er sich über das tote Tier beugte...", seine Stimme wurde immer tiefer, "...dachte er, es könnte ihm nichts mehr antun, doch dann...", blitzartig sprang er auf und hüpfte in die Kindermenge, die erschrocken und schreiend zurückfuhr. Er zwickte dem kleinen Trillo sanft in die Nase, der starr war wie ein gefangener Fisch. "..erweckte der Keiler wieder zum Leben und wollte dem Anführer den Riechkolben abbeißen!" beendete er seine Geschichte. Der muskulöse Zaldroc fing schellend an zu Lachen, bis er vor Belustigung bebte und sich setzen musste um nicht um zufallen. Die Buben und Mädchen stimmten ein als sie merkten, dass sie auf seinen Scherz reingefallen waren. Sie lachten Tränen, zeigten ihre dreckigen Zähne und tobten um das Feuer. "Du sollst den Kindern doch nicht solchen Unfug erzählen." Emiras erschien hinter den Kindern, mit einem sanften Lächeln im Gesicht. "Aber es macht so unheimlichen Spaß!" erklärte der Riese und fuhr mit seinen groben Händen durch den Wuschelkopf eines dürren Bengels, der allen Anscheins noch nicht sein drittes Lebensjahr erreicht hatte.
Emiras stand am Feuer, sein schulterlanges, dunkelblondes Haar glänzte wie flüssiges Gold. Man gab ihm den Titel 'hübscher Reiter', da er um Längen der ansehnlichste und lieblichste der wilden Sieben war. Jedes Weib des Clans hätte er ehelichen können, doch tat er es nicht. Nie interessierten ihn die Frauen. "Allein die Götter wissen wieso!", fluchte Namatras, in dessen Bett sich jede Nacht eine andere Schönheit rekelte. Der hübsche Reiter spieß ein Stück Fleisch mit seinem Dolch auf und schob es sich zwischen die Zähne. "Die Keiler waren auch einmal appetitlicher", er lächelte, spuckte angewidert aus und griff sich den Becher eines vorbeilaufenden Burschens, der vor Trunkenheit taumelte, um sich den Geschmack von Verbranntem von den Lippen zu spülen. "Ach, unser Schönling hat jetzt also auch noch Ansprüche was unser Mahl angeht?" witzelte Myron und legte seinen Arm um Emiras.
"Ich habe etwas zu verkünden." Eine gefährliche, ernste Stimme schnitt durch das Gelächter wie eine Klinge durch weiches Fleisch. Rhashat, der Anführer, erhob sich. Alles war still. Mienen wurden ernster. Das Gelächter verstummte. Kinder fröstelten. Die Reiter hielten Inne.
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Blut des Waldes
FantasyZwischen den dichten Fichten und rauschenden Flüssen des Waldes hausen die Menschen des reinen Blutes. Die Menschen, die eins mit der Natur sind. Dies ist die Einführung in eine Welt voller Blut, Natürlichkeit, Intrigen und Krieg, Clan um Clan. Alle...