Kapitel 12

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Drei Tage vergingen, in denen ich Eren nicht sah. Ich war nach der Arbeit entweder zu müde, um noch mit zu Erwin zu gehen oder ich war mit irgendwas anderem beschäftigt. Hund, aufräumen, telefonieren, irgendwie sowas. Heute am Freitag hatte Erwin gefragt, ob ich mit in die Bar kommen würde. Und da ich eh nichts besseres zu tun hatte - und den Brünetten auch gerne wieder gesehen hätte - sagte ich zu und öffnete gegen 22:30 die gläserne Tür der Bar.

Die junge Frau am Empfang erkannte mich direkt und lächelte mir freundlich zu. Ich nickte ihr nur zu. Lächelte nicht gerne, doch sie wusste das bereits. Mike stand hinter dem Tresen, Erwin saß auf dem üblichen Hocker und ich setzte mich neben ihn. Erreichte mit meinen Füßen nicht mal die kleinen Zwischenbretter am Stuhl. Super.

„Wie immer?", fragte Mike und ich nickte nur wand mich Erwin zu, der mich grinsend anstarrte. „Was?" - „Er hat gesagt, dass er dich mag." Ich nickte nur. Innerlich flippte ich ein bisschen aus, doch äußerlich schien es mich nicht zu kümmern.
Er hatte es zu Erwin gesagt, zu jemandem, der ihm irgendwie nah stand. Und das freute mich. „Oh da ist er ja."

Sofort drehte ich mich um, sah Eren aus dem Waschraum kommen. Er streifte sich die Hände an seiner dunklen Jeans trocken und lief fast gegen eine Glaswand - was ein Trottel.
Als er mich erblickte, kam er lächelnd auf uns zu und tat etwas unerwartetes. Er umarmte mich! Einfach so. Zur Begrüßung.

Panisch sah ich zu Erwin, der nur genüsslich an seinem rosa Drink nippte und dann schief grinste. Eren löste sich von mir, setzte sich auf den Hocker neben mich und bekam von Mike eine Cola. Ich ebenfalls. Ich trank nicht mehr viel. Wenn ich einmal richtig anfing, konnte ich nicht wieder aufhören. Und davor hatte ich ein wenig Angst. Deswegen ließ ich es eigentlich. Ausnahmen waren Partys, aber da passte ich immer auf alle anderen auf, wollte deshalb möglichst nüchtern bleiben.

So saßen wir in der Bar, ließen uns von Mike bedienen und redeten über alles mögliche. Darüber, was sie in den letzten Tagen ohne mich gemacht hatten, dass Erens Bruder angerufen hatte und so weiter. Es war nichts Außergewöhnliches passiert. Aber dennoch hörte ich mir das gerne an. Eren konnte mir die langweiligsten Geschichten der Welt erzählen und ich würde trotzdem noch gerne zuhören.
Es war schön ihn sprechen zu hören. Er hatte eine wirklich schöne Stimme.

Ich mochte das. Ich mochte ihn. Und es fraß mich auf, dass er in wenigen Tagen bereits wieder in New York wäre. Und ich immer noch hier. Nur dann wieder alleine, ohne ihn. Der Gedanke daran tat mir nicht gut, doch er vertrieb sich nicht von selbst.

„Mike?", fragte ich dann und er nickte mir als Antwort zu. „Krieg ich nochmal eine Vodka?" Überrascht hob der Riese eine Augenbraue, tat mir dann aber den Gefallen. Und so fiel ich zurück ins Muster. Trank wieder um etwas zu verdrängen. Und das obwohl ich mir vor einigen Minuten noch gesagt hatte, dass ich es nicht tun würde. Klappt ja super, diese Selbstkontrolle.

-

„Soll ich ihn nach Hause bringen?", fragte Mike und ich spürte ihre besorgten Blicke auf mir. Ja, ich hatte zu viel getrunken. Ich konnte froh sein, dass Mike mir den Alkohol irgendwann verboten hatte. Sonst wäre die Situation noch schlimmer. „Mir geht's gut.", beteuerte ich und versuchte gerade zu stehen, schwankte dabei allerdings ein bisschen hin und her. Verdammt.

„Und wenn er sich Zuhause weiter betrinkt?", fragte Erwin dann und ich schnaubte belustigt. „Ich kann ihn bringen. Ich bleibe sonst auch bei ihm. Mit meinem Bruder läuft sowas nie anders.", stellte sich Eren zur Verfügung und die anderen beiden schienen einverstanden. „Dann los!", rief ich enthusiastisch und wollte die große Steintreppe runter gehen, doch Eren hielt mich an der Schulter fest und drehte mich in die andere Richtung.

„Keine Treppen.", murrte er und ich knickte ein. Ging den sicheren Weg und schrie Mike und Erwin noch ein lautes "Tschüss" nach, ehe ich einfach weiter ging.

Eren verabschiedete sich ein wenig leiser von den beiden und lief mir dann nach, hakte sich bei mir ein und meinte, dass ich so nicht so taumeln würde.

Eine Weile liefen wir so, schweigend und ineinander verknotet. So lange, bis er bei dem Kindergarten, der auf dem Weg lag, das Schweigen brach: „Wieso hast du so viel getrunken?" - „Weil ich Probleme hab.", murmelte ich. Die frische Luft tat mir gut, hatte mich ein wenig runter kommen lassen. Doch den Alkohol spürte ich noch immer.

„Was für Probleme?", fragte Eren und rettete mich davor über einen Kantstein auf die Fresse zu knallen. „Große Probleme." - „Etwas spezifischer?"

Wir kamen an der Kaserne vorbei. Gleich wären wir bei mir Zuhause. „So dumme Probleme.", mein Englisch wurde wenn ich trank immer ein wenig nuscheliger und ich verstand meist selber nicht, was ich da sagte. Eren jedoch schien das nicht zu stören. „Keine deiner Probleme sind dumm, Levi." - „Wenn du wüsstest.", leise lachte ich auf. Doch es klang nicht, als hätte ich Spaß. Es klang kläglich und falsch. Unpassend zur Situation.

„Erzähl's mir. Dann weiß ich es.", wir waren oben am Berg angekommen, nur noch runter und wir wären bei mir Zuhause. Noch fünf Minuten. „Ich muss pinkeln.", murmelte ich nur und ging schneller.

Eren lachte leise und begann mit mir zu laufen.

Right Now [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt