Epilog

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Gegen 4 Uhr morgens klingelte mein Handy und freudestrahlend ging ich ran, sah in die Kamera und erblickte einen müde aussehenden Eren, welcher mich warm anlächelte.

„Hey Babe.", raunte er. „Hey."

„Sorry, dass ich erst jetzt anrufe. Armin hat mich noch genervt." - „Alles gut.", lächelte ich und hörte ihm dann zu, wie er von seinem Tag erzählte. Es war bei ihm 22 Uhr, er hatte lange an einem Schulprojekt gesessen, entschuldigte sich, dass er nicht zurück geschrieben hatte. Ich winkte ab, meinte, dass es okay wäre, da ich eh mit Hanji unterwegs war. Er fragte nach ihr, wie sich ihr dämlicher Freund benehmen würde. Ob er sie - wie vor ein paar Monaten - wieder durch Snapchat überwachen würde. Glücklicherweise nicht.

Ich erzählte von meiner Freundin Petra, mit der ich momentan beinahe täglich telefonierte. Meistens sprachen wir nicht mal viel dabei. Es ging eher um die Gesellschaft im Allgemeinen.
Und abgesehen davon, war es schwierig sich zu sehen, da sie am anderen Ende des Landes wohnt. So blieb uns nur FaceTime. Aber es war gut so. Ich war ja inzwischen dran gewöhnt, dass ich wichtige Menschen durch einen Bildschirm sah.

Eren fragte nach Erwin und Mike, er würde die beiden vermissen, sagte er. „Er hat heute das neue Auto abgeholt.", erklärte ich und begann an meinen Fingern rumzupulen. Wurde ohne Grund nervös, das geschah in letzter Zeit oft. Ich zog dann immer kleine Hautfetzen von meinen Fingern. Eklig, ich weiß.

Doch bei den Blick auf meine Hände stockte ich. Etwas war falsch. „Babe? Alles gut?" - „Ich- ich kann nicht zählen.", murmelte ich leise und versuchte krampfhaft bis 10 zu zählen. Doch es klappte nicht. Die Finger wurden mehr. Wenn ich neu anfing, waren es plötzlich weniger. Meine Sicht verschwamm. Die Panik stieg in mir. Nein. Bitte nicht. Nicht schon wieder.

„Levi?"

„Nein!", schrie ich und schreckte auf, saß aufrecht in meinem Bett und starrte panisch auf die graue Bettdecke. Atmete schwer. Begann zu hyperventilieren. Nein. Nicht schon wieder. Ich sah auf meine Hände. 1,2,3,4,5,6,7,8,9,10

10 Finger. Ich war wach. Ich war wieder hier. Tränen schossen mir in die Augen. Ich war wieder hier. Ich war im Jetzt. Und er war nicht hier. Mein Atem noch hektischer und ich krallte mich in die Bettdecke, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch alles in meinem Kopf war durcheinander. Durcheinander und dennoch nur ein Thema.

„Ich liebe dich."

„Ich werde dich nie wieder anlügen."

„Du bist der stärkste Mensch, den ich kenne."

„Ich liebe dich."

„Ich kann nicht nach Deutschland kommen."

„Ich wurde am College angenommen."

„Ich liebe dich."

„Frohe Weihnachten."

„Alles Gute zum Geburtstag."

„Schreib mir, wenn du Zuhause bist."

„Wir schaffen dieses Jahr zusammen."

„Ich liebe dich."

„Meine Mutter will dich endlich persönlich kennenlernen."

„Ich liebe dich."

„Hör dir mal den Song an."

„Du schaffst das. Du bist stark."

„Ich kann heute nicht, sorry."

„Morgen vielleicht."

„Ich weiß nicht, ob das so Sinn macht."

„Es tut mir leid."

„Dann lass uns Freunde bleiben."

Alles schoss gleichzeitig in meinen Kopf. Die Gedanken, die Bilder, die Gefühle, die Erinnerungen, der Schmerz. Alles auf einmal. Und ich brach darunter zusammen.

Ich sackte in mich zusammen, fiel apathisch nach hinten in meine Kissen. Starrte an die Decke. Spürte die Tränen meine Wangen runter laufen. Das war es. Das war das hier und jetzt. Keine Vergangenheit mehr. Keine kitschigen und bescheuerten Zukunftspläne mehr. Das hier war die Gegenwart. Die Gegenwart, die ich alleine verbringen musste.

Ich schluchzte leise auf, hielt mir die Hände vors Gesicht und rollte mich zusammen, wollte mich so klein machen, wie es nur irgend möglich war. Wollte einfach nur noch von hier verschwinden. So wie die letzten 9 Monate. Seit dem 13 November wollte ich nur noch zu ihm. Und jetzt, jetzt konnte ich das nicht mehr. Und unterbewusst klammerte ich mich noch immer an diese Illusion einer Beziehung. An diese Gefühle. Ans glücklich sein.

Doch das war Vergangenheit.
Und ich war im Jetzt. Alles passiert genau jetzt.

Right Now [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt