Kapitel 8

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Wir gingen den ganzen Weg wieder zurück. Bei der Kaserne hatten wir ein neues Thema, es ging nicht mehr um meine Schlafprobleme sondern um Eren. Er vertraute mir an, dass er wahnsinnige Angst vorm Fliegen, Insekten und tiefem Wasser hatte. Er liebte das Meer, hatte aber auch panische Angst darin zu schwimmen. Er sah es sich lieber an, sagte er.

Ich konnte es verstehen. Wenn man nicht wusste, was um einen herum war, wenn man mitten im Unbekannten stand, war das beängstigend.

Wir sprachen sehr viel. Lernten uns dadurch irgendwie gut kennen. Es war kein Smalltalk, es waren wirklich schöne Gespräche.
Und sogar auf dem alten Steg, der im See in meinem Garten schwamm, redeten wir einfach nur weiter. Über meinen Vater, über seinen Vater. Wie emotional abwesend beide immer waren. Wie meiner irgendwann wirklich abwesend war und ich nicht mehr mit ihm sprach. Eren erzählte mir von seinen Verlustängsten, meinte, dass er unter anderem deswegen nie eine Beziehung einging. Er hatte von Anfang an Angst diese Person wieder zu verlieren.

Wir sprachen über unsere Exen, erfuhren viel voneinander. Vielen einmal fast vom Steg, genossen die Zweisamkeit. „Sie hat mich betrogen, immer wieder." - „Tut mir leid für dich.", sagte ich wahrheitsgemäß und warf einen Tannenzapfen in den See. Er tauchte kurz unter, schwamm im nächsten Moment jedoch wieder oben auf.

„Mein erster Ex hat mir immer vorgeschrieben, wie ich mich zu verhalten habe. Hat mir den Mund verboten." - „Und der Zweite?"

„Der hat sich lieber für Geld und Drogen entschieden, als für mich. Ich wollte mit Drogen nichts mehr zu tun haben und hab ihn vor die Wahl gestellt.", erzählte ich und versuchte die Bilder in meinem Kopf zu ignorieren.
Die Bilder wie ich vor ihm stand und er sich händeringend rausreden wollte. Dass ich ihm wichtig bin, er aber Geld bräuchte. Es gab andere Wege. „Du hast das Richtige getan.", murmelte Eren und zog die Beine an, schlang seine Arme um die Waden und legte seinen Kopf seitlich auf die Knie. Sah mich an und lächelte leicht.

Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Es war noch immer dunkel, aber auf der Straße vor meinem Haus fuhren schon wieder ein paar Autos. „Manchmal bin ich mir nicht sicher.", antwortete ich nur. „Warum?" - „Weil er immer für mich da war. Er tat mir gut und ich hab ihn wirklich gemocht. Irgendwie fehlt mir so eine Verbindung."

Der Brünette brummte zustimmend, sah mich weiterhin an. „Sind die Anderen nicht immer für dich da?" - „Schon, aber bei ihm war das anders. Er hatte immer gemerkt, was los war. Nicht nur, dass etwas los war.", ich hasste es über meine Gefühle zu reden, wurde dabei immer so schrecklich emotional und weinerlich. Das musste ich bei ihm nicht.

„Würdest du zu ihm zurück gehen?" - „Nein. Er hatte sich entschieden. Ich hätte nur gerne wieder jemanden wie ihn in meinem Leben.", gab ich zu und warf einen weiteren Zapfen ins Wasser. Der Mond spiegelte sich in den leichten Wellen. Sah schön aus. „Ich mag wie du denkst.", meinte Eren dann plötzlich, sah mich noch immer an. Es schien als würde er sich jede Kleinigkeit von meinem Gesicht einprägen. Und erstaunlicherweise störte es mich bei ihm nicht. Normalerweise drehte ich durch, wenn man mich anstarrte. Bekam dann meistens schwitzige Hände und allgemeine Unsicherheit breitete sich in meinem Körper aus. Doch bei Eren störte es mich nicht.

„Viele andere würden zu ihm zurück gehen, wenn sie könnten. Viele andere würden ihre Freunde mit ihren Problemen vollheulen, weil sie sich in den Mittelpunkt stellen wollten. Du bist nicht so. Das mag ich an dir."

Und warum auch immer brachten mich diese Worte zum lächeln. Er war der erste Mensch, der mir sagte, dass er es mochte, dass ich anders war. Normalerweise durfte ich mir Dinge anhören, dass ich mich ein wenig mehr anpassen könnte, dass es egal wäre und und und. Aber nie mochte mich jemand, weil ich anders war. Man mochte mich, obwohl ich anders war. Und das hier, das machte mich glücklich.

„Ja, du bist immer noch ganz ok.", schmunzelte ich und erntete ein belustigtes Schnauben. „Das kriege ich noch zu einem fantastisch.", grinste er dann und sah in den Himmel.

Wir saßen die ganze Nacht auf dem Steg, erst als es zu donnern anfing liefen wir ins Haus, hatten es gerade so vor dem Regen geschafft. Meine Mutter war bereits zur Arbeit, Zava lag im Wohnzimmer und schlief. Ich sah auf die Uhr 6:40.

Ich hätte noch Zeit, bis ich zur Arbeit müsse und eigentlich war ich ziemlich müde. Gott sei Dank musste ich jedoch nichts sagen, denn Eren übernahm das für mich. „Fuck, ich bin echt fertig. Ich geh wohl lieber." - „Du kannst auch hier bleiben. Es regnet und die Busse fahren noch nicht. Also wenn es dir nichts ausmacht.", wow was eine Überleitung.

„Willst du nicht schlafen?", er grinste leicht. „Ehm- ich hab ein großes Bett.", mein Zimmer war sehr klein. Kein Platz für ein Sofa oder sowas.

Eren schien zu verstehen, was ich andeuten wollte und nickte leicht. Ich bat ihn mir zu folgen und lief die Treppe hoch. Er stieß sich beinahe den Kopf dabei, woraufhin ich mir ein Lachen unterdrücken musste. Ich vergaß immer, dass man sich den Kopf an der Decke stoßen konnte. Ich hatte das Problem halt nie.

Mein Zimmer war - glücklicherweise - aufgeräumt. Wäre mir sonst sehr unangenehm gewesen. Er sah sich ein wenig um, musterte die Bilder und Konzertkarten an meiner Wand. Fragte mich, wie das Twenty One Pilots Konzert war und ich schloss die Tür hinter uns.

Right Now [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt