„Soo", meinte sie gedehnt, „Wollen wir zu dir kommen, Jannis? Ich bin mir sicher, du kannst es kaum erwarten."
In ihr breitete sich eine überwältigende Rachelust aus, von der sie nicht gedacht hatte, dass sie dazu fähig war. Sicher, sie hatte das hier alles geplant und jahrelang vorbereitet, aber dass sie sich auf den schlimmsten Teil freute, hätte sie nicht gedacht. Die Vorfreude ließ sie ihre Schultern noch mehr straffen. Sie würde ihn büßen lassen. Für all das, was er ihr und allen anderen angetan hatte. Für das Leid, das er ausgelöst hatte und das ihm scheinbar vollkommen egal war. Seine widerliche Arrogant war wie eine kalte Hand, die sich um ihre Eingeweide legte und zupackte. Und heute würde sie ihm endlich das überhebliche Grinsen aus dem Gesicht wischen.
„Jannis Schüssler. Badboy durch und durch, beliebtester Schüler des Jahrgangs und vor allem selbsternannter König der Stufe. Und was ist noch mal aus dir geworden? Manager in der Bundesliga, richtig? Ja, passt zu dir. Denn genau dort gehörst du hin. Zu all den schleimigen, geldgierigen, egozentrischen Parasiten, die sich dort tummeln. Ich habe keine Ahnung, ob du ein Psychopath, Narzisst oder einfach ein Arschloch bist, aber es wird höchste Zeit, dass dich dein Karma einholt. Und da das Schicksal dazu offensichtlich zu beschäftigt ist, übernehme ich heute diese Ehre." Sie verbeugte sich.
Jannis war in der Zwischenzeit aufgesprungen. „Was soll das, Kathrin? Ich kann nichts dafür, dass du damals so ein Freak warst und keine Freunde hattest. Meinst du, du wirst beliebter, weil du uns runtermachst? Ist das in deiner verdrehten Vorstellung der Versuch deine ehemaligen Klassenkameraden davon zu überzeugen, dass sie sich damals geirrt haben?"
Der einzige Grund, warum sie nicht vor Wut explodierte, war das Ass, dass sie in der Hand hielt. Das fünfte und letzte, aber es war das bei weitem mächtigste. Deshalb beherrschte sie sich und täuschte Gelassenheit vor. „Ich habe lange gebraucht, um das zu lernen, aber ich bin nicht das, was ihr damals aus mir gemacht habt. Ich war kein Freak, Jannis. Um ehrlich zu sein, weiß ich bis heute nicht was für ein Problem ihr mit mir hattet. Aber das ist nicht schlimm, weil ich glaube, dass nicht mal du selbst das so genau weißt."
Nie hätte sie gedacht, dass sie dazu in der Lage war, aber schon zum dritten Mal an diesem Abend hatte sie es geschafft, dass Jannis Schüssler nicht wusste, was er sagen sollte. Doch statt seine Niederlage anzuerkennen, begann er sich einen Weg durch seine Sitzreihe nach außen zu bahnen. „Das reicht jetzt!", rief er, „Ich mache diesem Schwachsinn jetzt ein Ende!"
Er hatte Angst. Das spürte sie.
„Aber, aber", entgegnete sie, „Willst du den anderen das Highlight des Abends verwehren? Was meinst du, Jannis, soll ich ausnahmsweise mal eines deiner Geheimnisse ausplaudern?" Herausfordernd funkelte sie ihn an.
Er war stehengeblieben und drehte sich wieder zu ihr um. Ihr Grinsen bekam einen teuflischen Zug, woraufhin sie Erkenntnis in seinen Augen aufblitzen sah. Gefolgt von Panik.
Sie konnte seine Gedanken förmlich hören: Sie weiß es.
„Ja, verdammt. Ich weiß es. Und gleich werden es auch alle anderen wissen."
Dann drückte sie auf den Knopf. Die nächste Folie zeigte ein Video an. Als ihre Mitschüler das Mädchen auf dem Standbild erkannten, kam Unruhe in den Raum. Getuschel entstand, jemand schluchzte auf und Jannis riss sich aus seiner Starre. Grob bahnte er sich seinen Weg zwischen den Stühlen hindurch und stolperte fast über den Mann, der auf dem äußersten Stuhl der Reihe saß. Anschließend stürzte er auf die Bühne zu und Cathrine bereitete sich schon auf das schlimmste vor. Auf seinen Zügen spiegelte sich purer Wahnsinn. Er würde alles tun, um zu verhindern, dass jemand diese Aufnahme zu sehen bekam.
Doch gerade als er an den Stufen angelangt war, wurde er aufgehalten. Jemand mit breitem Kreuz und einem dunkelblauen Anzug stellte sich ihm in den Weg und fing ihn ab. Überrascht stellte Cathrine fest, dass es Johannes Miesbeck war. Er hielt seinen besten Freund an den Schultern fest.
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Monte Christo
Short Story„Ich habe keine Ahnung, ob du ein Psychopath, Narzisst oder einfach ein Arschloch bist, aber es wird höchste Zeit, dass dich dein Karma einholt. Und da das Schicksal offensichtlich zu beschäftigt ist, übernehme ich heute diese Ehre." In ihrer Schulz...