Blood Demons

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„Bist du dir sicher, dass wir hier auch wirklich richtig sind?" , hakt Jace zum gefühlt tausendsten mal nach, während wir uns durch den völlig überfüllten Raum des hochmodernen Technoclubs schlängeln, „Hier stinkt es nur so nach Vampiren." Ich werfe ihm einen warnenden Blick über die Schulter hinweg zu und quetsche mich an einer Gruppe tanzender Vampirmädchen vorbei: „Das liegt vielleicht daran, dass der Club ausschließlich von Vampiren betrieben wird."
Der Bass dröhnt so stark, dass ich das Gefühl habe, mir würde jeden Moment das Trommelfell platzen. Damit wir uns nicht in dem Gedrängel verlieren, habe ich Jace' Hand fest in meiner und schleife ihn hinter mir her, was aber leichter gesagt ist als getan. Des öfteren werde ich abrupt zurückgezogen, da Jace spontan einfach stehen bleibt oder von anderen Besuchern des Clubs angerempelt wird.
Endlich schaffe ich es, mich an einen kleinen, freien Platz an der Wand durchzukämpfen und brauche kurz, um meinen steigenden Herzschlag zu beruhigen. Ich hasse Menschenmengen.
„Wie sollen wir Carol in diesem Chaos bitte finden?" , mault Jace und stolpert zu mir. Ein paar seiner goldblonden Strähnen kleben ihm an der Stirn und sein Gesicht hat einen leichten Rotschimmer angenommen. „Keine Ahnung. Ich kann ja nicht wissen, dass hier so viel los ist." , verteidige ich mich und lasse meinen Blick durch die Masse tanzender Jugendlicher schweifen, „Vielleicht sollten wir es mal in den Sitzbereichen probieren."
So gut es geht, drücken wir uns an der Wand entlang vorbei an sämtlichen Besuchern und schaffen es ohne größere Umwege direkt zum hinteren Bereich des Clubs, wo sich kleine Nischen mit Sofas und Holztischen befinden. Erleichtert entdecke ich Carol's  schwarzen Haare, die sie wie immer zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden hat.
Als ich mich ihr nähere, muss ich verblüfft feststellen, dass sie jedoch völlig andere Sachen anhat. Ein weißes, hautenges Crop Top schmiegt sich um ihre blasse Haut und dazu trägt sie eine extrem kurze, dunkelgraue Short. Um ihren Hals baumelt eine teuer aussehende Silberkette mit einem dunkelblauen Edelstein als Anhänger. Außerdem hat sie ihre Wangenknochen deutlich durch Make-Up hervorgehoben und ihre Lippen stechen dunkelrot von ihrem sonst ziemlichen hellen Gesicht hervor. Zwei lange, identische Lidstriche umranden ihre Augen, die durch den dunklen Lidschatten um einiges größer wirken. An ihren Ohren hängen etliche silberne Ohrenstecker und ihre Nägel hat sie weiß lackiert.
Ich bin so von ihrem Anblick abgelenkt und überrumpelt, dass ich gar nicht merke, dass ein Junge mit platinblond gefärbten Haaren sie anstupst und in meine Richtung nickt. Erst als sich unsere Blick treffen und sie ein strahlendes Lächeln aufsetzt, kehre ich wieder aus meiner Starre zurück ins Hier und Jetzt und erwidere ihr Lächeln schnell.
In silbernen High Heels kommt sie auf mich und Jace zugelaufen, wobei sie wie eine anmutige Gazelle wirkt. Man kann nicht die geringste Spur von Unsicherheit in ihrem Gang erkennen, was mich selbst ganz wundert, da Carol normalerweise nie High Heels trägt. Vor allem nicht so hohe.
„Was macht ihr denn hier?" , ruft sie fröhlich über die Musik hinweg und drückt mich kurz an sich. Bevor ich ihr erzählen kann, dass ich hier bin, um zu sehen, ob es ihr gut geht, erwidert Jace ohne zu zögern: „Ich hab gehört, der Club hier soll ganz gut sein und Rose gefragt, ob sie ihn mir vielleicht zeigen möchte."
Überrascht runzle ich die Stirn angesichts der Tatsache, dass ich ihm vor nicht einmal fünf Minuten gesagt habe, der Club wäre vor allem beliebt bei Vampiren, ehe ich schnell mitspiele und eifrig nicke.
„Das ist ja cool! Setzt euch doch zu uns." , schlägt die Schwarzhaarige begeistert vor und zieht mich bereits mit sich auf das hellrote Sofa. Jace lässt sich neben mich nieder, wobei wir Schulter an Schulter aneinander sitzen. Jetzt erkenne ich auch, dass es Lucas war, der Carol auf mich aufmerksam gemacht hat. Seine Haare sind nach hinten gestylt und um einiges kürzer als bei unserem letzten Treffen. Er ist komplett in schwarz gekleidet und sein silbernes Nasenpiercing funkelt in dem hin und her tanzenden Neonlicht auf. „Rose, was für eine angenehme Überraschung, dich hier zu treffen." , begrüßt er mich und lächelt, wobei seine scharfen Eckzähne zum Vorschein kommen. Ich kann nicht ganz deuten, ob er das sarkastisch oder ernst gemeint hat, weshalb ich nur ein abgehacktes „Ebenfalls" erwidere und mir ein kleines Lächeln aufzwinge.
Irgendetwas an ihm gefällt mir absolut nicht und löst ein skeptisches Gefühl in mir aus. Jace neben mir scheint es ähnlich zu gehen, denn ich spüre, wie sich sein ganzer Körper anspannt. „Und was habt ihr die letzten zwei Tage so getrieben?" , versuche ich, ein Gespräch aufzubauen.
Für einen Moment kann ich erkennen, dass Carol Lucas einen unsicheren Blick zuwirft, den sie aber sekundenschnell mit einem freudestrahlenden Lächeln überspielt: „Also, zuerst waren wir essen, dann shoppen und da es dabei ziemlich spät wurde, habe ich bei Lucas geschlafen. Außerdem waren wir beide beim Tattoo-Studio." Stolz präsentiert sie mir ihren rechten Unterarm und ich starre überrumpelt den fast zehn Zentimeter großen, fies vor sich hin grinsenden Totenkopf an, der mit kunstvoll geschwungenen Dornenranken umrandet ist.
Neben mir zieht Jace scharf die Luft ein und er verpasst mir unauffällig einen leichten Stups mit dem Ellbogen gegen meinen Arm. Widerwillig reiße ich den Blick von dem Tattoo los und wende mich schnell meinem neben an zu, damit Carol nicht bemerkt, wie geschockt ich darüber bin.
„Wir müssen dringend reden." , flüstert Jace mir zu, „Und jetzt tu so, als hätte ich irgendwas Witziges gesagt." Aus meiner Kehle kommt ein trockenes Lachen und Carol mustert mich neugierig, bevor sie ein freches Grinsen aufsetzt und mit den Augenbrauen wackelt. „Ich müsste Rose mal kurz entführen." , entschuldigt uns Jace und zieht mich mit sich nach draußen vor den Club.
Sogar hier kann man den Bass noch mehr als deutlich fühlen und wir stellen uns etwas abseits vom Eingang an eine Hauswand. Ich kann nicht mal zum Reden ansetzen, da ergreift Jace auch schon das Wort: „Dieses Tattoo ist das Erkennungszeichen von einem mächtigen Schwarzmarkt-Clan, Rose. Und deine Freundin hat sich mit diesem Tattoo ein gratis Eintrittsticket ohne Rückflug verschafft."
Sein ernster Tonfall jagt mir einen eisigen Schauer den Rücken hinunter und ich blicke ihn entsetzt an. „Das muss ein Irrtum sein. Ich kenne Carol schon mein ganzes Leben lang und sie hatte nie Kontakt zu irgendwelchen Leuten, die auf dem Schwarzmarkt arbeiten." , entgegne ich kopfschüttelnd. „Das ist sicherlich kein Irrtum. Die Task Force ist mit diesem Clan schon unzählige Male aneinandergeraten. Sie nennen sich selbst Blood Demons und gehören zu den führenden Mächten des Schwarzmarkts." , erklärt Jace mit verschränkten Armen. „Führende Mächte?" , frage ich verwirrt nach. „Sie verkaufen dort Unmengen an Blut. Menschenblut." , fügt der Blondhaarige hinzu und mustert mich besorgt, „Carol sollte sich auf keinen Fall weiterhin mit diesem Kerl treffen."
Das Blut rauscht in meinen Ohren und ich versuche angestrengt das, was Jace mir gesagt hat, zu verarbeiten. Lucas gehört also einem gruseligen Kult an, die extrem viel Menschenblut auf dem Schwarzmarkt verticken. „Aber Carol würde niemals bei so etwas mitmachen." , wende ich ungläubig ein. „Vielleicht weiß Carol ja gar nicht, was es mit dem Tattoo auf sich hat." , erwidert Jace, „Sache ist, sie muss so schnell wie möglich von diesem Lucas weg, damit sie nicht noch tiefer in diese Szene eintaucht. So wie sie angezogen ist, sieht sie genauso aus, wie eine von ihnen. Eine Schwarzmarkt-Baronin." „Aber wir können doch nicht einfach wieder zurück und ihr das vor Lucas Augen erzählen. Der hat doch bestimmt Verstärkung für den Notfall dabei." , stöhne ich und massiere mir die Schläfe. Ein ekelhaftes Ziehen hat sich in meinem Kopf breit gemacht. „Nein, und verhaften kann ich ihn auch nicht. Er hat ja nichts gemacht. Zumindest noch nicht. Außerdem müsste ich im Namen der Task Force handeln und nicht, weil ich vermute, dass Lucas den Blood Demons angehört. Am Besten, wir sagen, es gibt irgendein Problem mit eurem Vermieter, das nicht aufgeschoben werden kann." , überlegt Jace laut. „Okay. So machen wir's." , stimme ich ihm nickend zu und wir gehen zurück in den überfüllten Club.
Zu allem Entsetzen müssen Jace und ich jedoch feststellen, dass von Carol und Lucas weit und breit jegliche Spur fehlt. Nach kurzem Suchen entdecke ich einen kleinen Zettel: Mussten los. Melde mich später, xoxo Carol.
„Verdammt!" , fluche ich und knülle das dünne Papier zusammen. „Lucas muss gemerkt haben, dass wir Bescheid wissen." , folgert Jace genervt und sieht sich um, „Zuerst werde ich dich beim Tower absetzen, dann fahre ich weiter zum Task Force Hauptquartier. Ich muss John, Zayn und Lori darüber informieren, dass die Blood Demons auch hier ihr Unwesen treiben. Sie könnten hinter etlichen Vorfällen stecken, in denen die Task Force gerade ermittelt. Außerdem muss ich mein Rudel darüber in Kenntnis setzen." „Ich komme mit zum Hauptquartier." , schließe ich mich ihm an und gemeinsam verlassen wir den Club.
Innerhalb von einer viertel Stunde sind wir am Gebäude der Task Force angekommen. Noch bevor wir losgefahren sind, hat Jace ein paar Anrufe getätigt, sodass die Mitglieder der Task Force, mein Vater, Zayn und Lori bereits im Sitzungssaal auf uns warten. Während ich mich zu ihnen an der großen, runden Holztisch setze, stellt sich Jace in die Mitte des Raums. Sofort ruht die gesamte Aufmerksamkeit des Raums auf ihm.
„Warum hast du uns herbestellt, Jace?" , fragt Zayn seinen besten Freund und unterdrückt ein aufkommendes Gähnen. „Rose und ich sind einem Mitglied der Blood Demons in einem Club im Nordteil der Stadt begegnet." , erwidert Jace unbeirrt. „Was?" , entfährt es Lori und meinem Vater gleichzeitig und ein leises Murmeln breitet sich unter den restlichen Anwesenden aus. „Ich dachte, die Blood Demons haben ihren Handel auf die Großstädte beschränkt. Was wollen sie in einer Stadt wie dieser?" , fragt Zayn ungläubig nach. „Ich weiß es nicht. Aber so wie es aussieht, suchen sie neue Rekruten und Anhänger." , antwortet Jace, „Carol ist ebenfalls involviert und wir gehen davon aus, dass sie von all dem nichts weiß. Ihre Kontaktperson ist ein gewisser Lucas Monroe. Er hatte dasselbe Tattoo an seinem Oberarm wie die Mitglieder der Blood Demons und konnte Carol überreden, es sich ebenfalls stechen zu lassen."
Mit zusammengezogenen Augenbrauen denke ich skeptisch nach. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass Lucas ebenfalls so ein Tattoo hat. Ich bin zwar davon ausgegangen, doch gesehen habe ich nichts. Jace hat einen viel schärferen Blick, weil er ein Werwolf ist, geht mit ein Licht auf.
„Wenn das so ist, dürfen wir keine Zeit verlieren. Wir nehmen sofort die Ermittlungen auf und werden Zayn, Lori und dir die Erlaubnis einholen, ebenfalls mitzuwirken." , beschließt mein Vater und erhebt sich von seinem Stuhl. „Wir müssen aber parallel noch mit Rose und Adrian einem Hinweis nachgehen, der uns womöglich zu den Mördern von Elenore führt." , wendet Zayn ein, „Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns aufteilen." „Finde ich auch. Ich werde mein Rudel beauftragen, die Task Force zu unterstützen, während ich Rose und Adrian helfe." , stimmt Jace ihm zu. „Gut. Dann werden wir das bei unserem Rudel auch machen." , nickt Zayn. „Und ich werde bei ihnen mitgehen. Jace, habe ich die Erlaubnis, als Stellvertreterin für dich dein Rudel anzuführen?" , schaltet sich Lori ein und ihr ungewöhnlich ernster Blick bleibt an dem Blondhaarigen hängen. „Natürlich. Ich werde es ihnen gleich sagen." , erwidert der Angesprochene.
„Aber was ist mit Carol? Wir müssen sie doch irgendwie vorwarnen." , platzt es aus mir in einem verzweifelten Ton heraus. „Das werden wir auch. Ich verspreche es." , meint Lori mit einem aufmunternden Lächeln und stellt sich neben meinen Stuhl, „Wir werden sie bestimmt schnell finden." Seufzend nicke ich und versuche, ihre ein Stück ihrer optimistische Einstellung zu übernehmen.
Die Versammlung löst sich nach und nach auf, bis nur noch mein Vater und ich etwas verloren im Gang vor dem Saal herumstehen. „Mach dir keine Sorgen um Carol. Sie ist neben dir das tapferste und schlauste Mädchen, das ich kenne." , versucht er mich aufzumuntern. Ich schenke ihm ein mildes Lächeln: „Ich hoffe nur, sie erkennt die Gefahr rechtzeitig." „Das wird sie. Vertrau ihr ein wenig." , versichert mein Vater mir, „Das größte Problem wird sein, die beiden zu finden. Dieser Lucas wird wahrscheinlich gemerkt haben, dass ihr Verdacht geschöpft habt, und jetzt nicht einfach seelenruhig in seiner Wohnung sitzen und auf uns warten."
Stumm nicke ich vor mich hin, als sich plötzlich eine Art Hebel in meinem Kopf umlegt und ich so ruckartig den Kopf hebe, dass mein Vater leicht zusammenzuckt: „Was ist denn jetzt in dich gefahren?" „Ich weiß, wie wir sie finden können." , sprudelt es aus mir nur so heraus, „Ich kann doch jetzt Magie und so Zeug benutzen." „Also kannst du sie orten." , folgert mein Vater begeistert, „Aber weißt du auch, wie das geht?" „Ja, ich glaube schon. Ich brauche nur einen Gegenstand von Carol, mit dem ich eine Verbindung zu ihr herstellen kann." , erkläre ich, wobei ich nicht die geringste Ahnung habe, woher dieses Wissen über Magie kommt. „Gut. Dann fahren wir gleich zurück zum Tower. Dort müssten sich mehr als genug Sachen von ihr befinden." , schlägt er vor und wir verlassen eilig das Gebäude.
Überraschenderweise lehnt Jace vor dem Hauptquartier an seinem Motorrad und hat die Hände in den Hosentaschen. Als er uns sieht, leuchten seine Augen kurz auf: „Auch schon hier? Habt ihr noch einen Kaffee getrunken oder warum hat das so lange gedauert?" „Rose weiß, wie sie Carol's Standort herausfinden kann." , kommt es von meinem Vater, ohne auf Jace' Aussage einzugehen.
Die Augenbrauen des Blondhaarigen schnellen nach oben und er mustert mich mit einem neugierigen Blick, bei dem mein Herz etwas schneller schlägt, als es eigentlich sollte. „Wirklich? Wie willst du das anstellen?" , fragt er mit leicht schief gelegtem Kopf nach. „Wirst du dann schon sehen." , grinse ich ihn an und laufe auf direktem Weg zum geparkten Wagen meines Vater.

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