Grelle Neonröhren, die alles in einem unangenehmen, weißen Licht erstrahlen ließen, hingen an der kahlen Decke. Jedes Mal, wenn sie auch nur den Blick hob kniff sie vom Licht geblendet die Augen zusammen und schaute wieder auf den metallenen Boden. In den weiß verputzten Wänden war nicht ein Fenster eingelassen, sodass sich kein Orientierungspunkt für sie bot. Weder im Ort noch in der Zeit. Sie waren abgeschottet von der Außenwelt.
Während Vegas Blick durch den beengenden Raum schweifte, versuchte sie alles um sich herum aufzusaugen, es sich zu merken. Nur für den Fall, dass es ihr irgendwann mal etwas nützen könnte.
Sie und ihre Familie saßen auf einer langen Sitzreihe. Vor und hinter ihnen befanden sich weitere Reihen, es mussten jeweils sieben sein. Jede war besetzt mit den verschiedensten Menschen. Ältere Leute, wahrscheinlich mit Enkeln und Großfamilie, Männer und Frauen im Alter von Vegas Eltern und junge Leute, die vermutlich gerade ihre Ausbildung begonnen hatten.
Doch unter diesen ganzen Personen befand sich nicht die, nach der Vega eigentlich Ausschau hielt. Schon oft hatte sich Vega auf der Suche nach ihr umgesehen. Nach der Frau, die sie aus der misslichen Lage befreien wollte, doch hatte sie dieser Plan in eine noch unangenehmere Situation gebracht. Trotzdem war Vega Nalani nicht böse. Niemand hatte die abnormale Wendung mit dem Spezialkommando vorhersehen können.
Im Moment fragte sie sich nur wo sie war. Warum war sie nicht mit ihnen in diesem Raum? Erst ein paar Sekunden später gestand sie sich ein, dass sie die Antwort bereits kannte. Nalani wusste etwas, was sie nicht wissen durfte. Und nun wollten diese Leute sie zur Rede stellen. Ob sie dabei genauso skrupellos vorgingen, wie in Nalanis Küche?, fragte Vega sich und konnte Nalanis Angst wieder wie ihre eigene spüren.
In den Sitzreihen war es still wie zu einer Schweigeminute. Keiner wagte es zu reden, nachdem sie... nachdem sie diese Sache erlebt hatten. Und die bewaffneten Wachposten sorgten dafür, dass es auch dabei blieb. Mit langsamen Schritten patrouillierten sie an den langen Reihen vorbei und ließen die Menge dabei keinen Moment aus den Augen.
Doch genauso sehr hatte Vega ein Auge auf sie. Natürlich wagte sie es nicht, sie genau anzusehen, doch behielt sie die Wachposten so gut es ging in ihrem noch immer schläfrigen Blick.
Am anderen Ende des Raums befand sich eine weiße Metalltür. Überhaupt alles in diesem Raum war weiß. Der Boden, die Decke, die Wände, die Türen und sogar ihre Sitze waren in stechendem Weiß gehalten. Das Licht, das in langen Neonstriemen auf sie herabfiel, trug nur dazu bei und unterstützte die einschüchternde Wirkung, die diese Farbe auf Vega hatte.
Doch das grelle Licht war nicht der Grund dafür gewesen, dass sie aus ihrem Dämmerzustand, in dem sie hier ankam, aufgewacht war. Auch nicht die schweren Stiefel, der stetig an ihnen vorbeischlendernden Wachposten hatten für ein Erwachen gesorgt. Dafür sorgte etwas ganz anderes.
Es war eine herrische Stimme gewesen, die sie an die des Mannes erinnerte, den sie in Nalanis Wohnung "Monster" getauft hatte. Diese hier war zwar weiblich aber mindestens genauso einschüchternd und gebieterisch wie die des strengen Mannes. In regelmäßigen Abständen gellte sie aus einem Lautsprecher an der Decke und ließ Vega jedes Mal hochschrecken, bevor sie wieder wegnickte. Nach einem besonders lauten Aufruf wurde sie vollends aus ihrem Halbschlaf gerissen. Sie öffnete die Augen und zuckte zusammen als sie den vollkommen fremden Raum sah, in dem sie bis eben so seelenruhig geschlafen hatte. Sofort begann ihr Herz wieder wie wild zu pochen, als sie an den letzten Morgen dachte. Vorsichtig schüttelte sie ihre Hände und Füße, um zu prüfen ob das Kribbeln auch nicht wiederkam. Gerade war eine Person aus der Reihe vor ihr aufgestanden und von einem Wachposten durch die Metalltür geleitet, die sich ohne jegliches Geräusch hinter ihr schloss, als Vega von der Seite einen leichten Stupser fühlte.
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Entflammt - gegen das System
Misterio / SuspensoSechzehn Jahre lang wohnte Vega mit ihrer Familie am Stadtrand einer verschlafenen Kleinstadt. Sechzehn Jahre lang hatte sie dies zumindest geglaubt. Als sich jedoch eines Morgens unzählige Menschen auf eine Reise begeben, von der keiner das Ziel be...