Kapitel 1

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Schnellen Schrittes ging ich den endlos scheinenden Gang der Redaktion entlang. Meine hohen Absatzschuhe hallten vom Boden aus durch den ganzen Raum, was ich jeden Morgen aufs Neue hasste. Ich war viel zu spät, wie immer eigentlich und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass mich heute mehr erwarten würde, als nur ein tadelnder Blick von meinem Boss. Ich stieß die große Glastür auf und eilte zum Schreibtisch von Chloe, die hier als Sekretärin für unseren Boss arbeitete, denn wenn jemand genau wusste wie es unserem Boss ging und was er vor hatte, dann sie.

>Du bist fünfzehn Minuten zu spät.<, stellte sie kühl fest, ohne von ihrem Computerbildschirm aufzusehen. Ich setzte mich auf die Kante ihres Schreibtisches und sah ihr ein paar Sekunden bei der Arbeit zu, die größtenteils daraus bestand, sich Schuhe im Internet anzuschauen. Auch wenn sie sich immer über ihre Arbeit beschwerte, so sah es die meiste Zeit nicht so aus, als würde sie vor lauter Aufgaben nicht hinterherkommen. >Hast du Kevin heute schon gesehen?<, fragte ich sie und versuchte dabei so entspannt wie möglich zu klingen. >Ich hab das blöde Gefühl, dass er was im Schilde führt.<, erklärte ich dann noch. Sofort in diesem Moment schnallte ihr Kopf nach oben und gewährte mir einen Blick in ihre stechend grünen Augen, die gemeinsam mit ihren rot-orangenen Haaren ein besonderes Bild abgaben.

>Jetzt wo du es sagst, er meinte vorhin zu mir, dass er dich sprechen möchte sobald du hier bist. Schien ziemlich wichtig zu sein. Er ist in seinem Büro.<, sagte sie dann schließlich. Ich erhob mich sogleich von ihrem Schreibtisch, um mit Kevin zu sprechen. Manchmal fragte ich mich, wieso Chloe hier überhaupt noch arbeitete. Sicher, sie war eigentlich ein netter Mensch, obwohl sie wirklich nichts für sich behalten konnte, aber das konnten hier die wenigsten. Geheimnisse verbreiteten sich im Büro wie ein Lauffeuer, weshalb man besser nicht zu viel erzählte, da es sonst direkt jeder wusste.

Vor Kevins Bürotür blieb ich stehen, zupfte meinen braunen Rock und meine weiße Bluse zurecht, atmete nochmal tief durch und klopfte dann bestimmt an der Tür.

>Herein!<, klang seine Stimme nach außen, woraufhin ich die Klinke nach unten drückte und selbstbewusst seine heiligen vier Wände betrat. >Sophia!<, rief er erfreut als er mich sah. >Mein schönster Stern am Firmament!<, fügte er noch hinzu. Kevin war kein Mensch der anderen oft Komplimente machte, zumindest nie wörtlich. Als Schlussfolgerung zog ich, dass er etwas von mir wollte. Überstunden oder als Ersatz für eine Kollegin einspringen. Ich setzte mich auf einen der bequemen Ledersessel vor seinem Schreibtisch und blickte skeptisch zu ihm. Kevin saß auf der anderen Seite seines Schreibtisches und schielte erst ein paar mal zu mir herüber, bevor er zu sprechen begann. >Sophia, es ist etwas ganz furchtbares passiert und du bist die einzige, die wirklich einzige, die uns jetzt noch retten kann.<, erläuterte er sein Anliegen. Bei der Theatralik in seiner Stimme musste ich mir ein Schmunzeln verkneifen. >Was ist denn so furchtbares passiert?<, hackte ich nach. Jetzt richtete Kevin sich in seinem Stuhl auf und hielt sich dramatisch die Hand an seinen Kopf. >Victoria hat angerufen, sie fällt für sechs Wochen aus, hat sich wohl den Arm gebrochen.<, rückte er nun mit der Sprache raus. Ich nickte verständnisvoll. Kevin fand es immer dramatisch wenn bei uns jemand ausfiel. Wir waren eines der begehrtesten Magazine Englands und hatten feste Zeiten zu denen wie liefern mussten, da merkte man es ganz deutlich, wenn jemand ausfiel.

>Ich möchte dich ja nicht belasten Sophia, aber..< >Aber du möchtest, dass ich Victorias Termine übernehme?<, beendete ich seinen Satz. Kevin nickte und ihm schien ein riesen Stein vom Herzen gefallen zu sein. Innerlich seufzte ich in Erwartung der vielen Überstunden, die mir bevorstanden, doch äußerlich grinste ich Kevin ins Gesicht und wiederholte immer wieder, dass das doch überhaupt kein Problem sei und dich das gerne tun würde. Nicht dass ich kein Rückgrat hatte, denn das hatte ich gewiss, aber seit vielen Jahren arbeite ich schon für Kevin und er war nicht nur mein Boss, sondern ist auch ein guter Freund geworden. Das brachte mir viele Privilegien ein, zum einen dass ich mein eigenes Büro hatte und nicht mehr in dem stickigen Großraumbüro sitzen musste. Außerdem hat er mich vor zwei Jahren zur leitenden Redakteurin erklärt, was bedeutete, dass ich meistens die besten Aufträge bekam.

>Also hier ist Victorias Terminkalender. Für alles Weitere kannst du dich ja mit ihr in Verbindung setzen.<, schlug Kevin mir vor. ich nahm ihm nur den vollbeschriebenen Kalender aus der Hand und verabschiedete mich kurzerhand. Ohne mich umzusehen ging ich in mein kleines, aber gemütliches, Büro. Ich setzte mich hinter meinen schwarzen Schreibtisch und ließ meinen Blick über die Unordnung vor mir schweifen. In meiner Arbeit war ich wirklich gut, aber Ordnung halten gehörte definitiv nicht zu meinen Talenten. Mit ein paar Handgriffen war das Chaos allerdings schnell beseitigt. Ich glitt tiefer in meinen Stuhl und versuchte mich so bequem wie nur möglich zu platzieren. Dann schnappte ich mir den Terminkalender, aus dem auch prompt einige Notizzettel herausfielen. Das fing ja super an. Schnell sammelte ich sie auf und stopfte sie wieder in das kleine Buch. Als ich die erste Seite aufschlug, fiel mir sofort die ordentliche Handschrift auf, die Victoria besaß. Das war eine nützliche Gabe in dieser Branche, denn so konnten auch fremde Personen mit den Aufzeichnungen arbeiten, ohne jedes zweite Wort hinterfragen zu müssen. Ein paar Seiten blätterte ich so durch, bis ich beschloss zur aktuellen Woche vor zu blättern. Es war Montag und zu meinem Glück blieb ich wenigstens heute mit fremden Aufgaben verschont. Ab Dienstag ging es dann los. Victoria arbeitete an einer Reportage über den Kontrast zu Männern und Frauen und sollte dafür eine Umfrage auswerten. Am Mittwoch stand dann ein Interview an, wahrscheinlich das was ich wenige Tage zuvor abgelehnt hatte, da mein Terminkalender nur so überquoll vor Terminen und Aufgaben. Mit wem das Interview stattfinden sollte, stand allerdings nicht da.

Erst quetschte ich Victorias Termine noch zwischen meine eigenen, dann griff ich zu meinem Diensthandy und wählte ihre Nummer. Es rief drei mal, dann erklang eine helle Stimme. >Victoria Prescott hier, was kann ich für Sie tun.<, fragte sie leicht genervt, was mich kurz lächeln ließ. Wir Journalisten hatten oft die Angewohnheit komplett genervt zu sein, aber das lag auch an unserem Job, der kein Zuckerschlecken war.

>Hi Victoria, hier ist Sophia. Ich habe von deiner Verletzung gehört und Kevin hat mich gebeten deine Termine zu übernehmen.<, erklärte ich ihr kurz und kritzelte nebenbei auf einem Blatt herum. >Oh Gott sei Dank übernimmst du meine Termine und nicht wieder Amelie. Das war ja eine Katastrophe das letzte mal.<, plapperte sie drauf los. Ich war nicht wirklich scharf auf ein langes Gespräch mit ihr, obwohl wir uns eigentlich ganz gut verstanden und auch unsere Freizeit miteinander verbrachten. Doch wenn ich auf meinen vollen Kalender sah, blieb keine Zeit für Klatsch und Tratsch. >Du Vici ich hab nicht viel Zeit. Ich wollte nur Fragen ob du schon etwas vorbereitet hast, was ich eventuell mit verwenden kann.< >Ja klar, ich schick dir was ich habe. Für die Reportage ist auch schon ein erster Entwurf fertig, den lasse ich dir auch zukommen.< Zufrieden nickte ich und war froh wenigstens nicht alles von vorne machen zu müssen. >Und das Interview am Mittwoch, mit wem ist das?<, fragte ich weiter. Am anderen Ende der Leitung hörte ich ein dramatisches seufzen. >Weißt du Sophia, eigentlich hast du echt Glück, dass ich ausfalle und das Interview übernehmen kannst.<, jammerte sie in den Hörer. Ich verdrehte die Augen. >Mit wem ist es denn nun?< Langsam wurde ich ungeduldig.

>Mit Benedict Cumberbatch!< quickte sie und klang ganz aufgeregt. Victoria war immer aufgeregt vor Treffen mit großen Schauspielern. Die Gelassenheit kommt erst mit der Berufserfahrung sage ich ihr immer. >Erde an Sophia! Was ist? Freust du dich denn gar nicht?< Victoria schien empört zu sein, dass ich vor Begeisterung nicht in die Luft sprang. >Ich werde ihn genau so behandeln wie jeden anderen auch. In erster Linie bin ich nicht da um ihn anzuschmachten, sondern um ihm Fragen zu stellen. Apropos, hast du schon welche ausgearbeitet?< Ich versuchte das Thema wider in eine andere Richtung zu lenken. >Dazu bin ich noch nicht gekommen, tut mir leid.<, gestand sie mir und ich stützte meinen Kopf auf den Händen ab. >Alles gut Vici. Ich wünsche dir gute Besserung, aber ich muss mich ran halten. Wenn was ist ruf ich dich an.< Dann legte ich auf. Übermorgen hatte ich ein Interview mit einem der gefragtesten Schauspieler zurzeit und ich hatte nichts. Gar nichts. Das wird sicher eine tolle Woche!

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