Ich stehe barfuß in der Küche meines alten Zuhauses. „Mom?“, flüstere ich. Es hallt leise wieder. Mit den Händen streiche ich mein Nachthemd glatt. „Liz?“ Meine Stimme klingt brüchig. Vorsichtig gehe ich durch den Raum. „Chris?“ Keine Antwort. „Tiger? Die Stille ist unerträglich. Es ist so leise, dass es schon fast unangenehm ist. Als ich in die Schlafzimmer sehe, sind diese leer. Alle. Wo sind sie?
Ich renne nach draußen. Es ist dunkel, nur die Laternen erhellen die Straßen. Steine stechen mir in die Füße, doch ich spüre keinen Schmerz. Auch hier draußen ist kein Ton zu vernehmen.
Auf einmal knackt es hinter mir. Entsetzt fahre ich herum. „Andrew!?“, rufe ich erschrocken aus. Und seufze. Ich bin doch nicht allein. „Lucie“ Sein Mund bewegt sich kaum, doch ich bemerke weder seinen versteinerten Gesichtsausdruck, noch die anderen Menschen, die hinter ihm aus dem Gebüsch treten. Ich renne auf ihn zu, will ihn zu umarmen. „Lucie“ Ich renne immer noch auf ihn zu, doch seltsamerweise komme ich kein Stück voran. Verwundert höre ich auf zu laufen. „Lucie“ Seine Lippen stehen leicht offen, doch er bewegt kaum sein Gesicht, als er meinen Namen sagt. Dann beginnt er zu gehen. Seine Bewegungen sind abgehackt, ich bemerke, dass die Menschen hinter ihm folgen. Ich beginne wegzulaufen, doch wie zuvor komme ich nicht von der Stelle. Als ich mich umdrehe, sehe ich mit Entsetzen wie nah Andrew ist. Und was er in seiner Hand hält. Dann drückt er ab.
Schreiend fahre ich hoch. Ich liege in meinem Bett. Gott sei Dank. Ich stütze meinen Kopf mit den Händen, versuche mein Keuchen unter Kontrolle zu bringen, reibe mir übers Gesicht. Ich bin wach. Jetzt bin ich wach. Ich atme tief durch. Warum träume ich so etwas? Auf einmal kommt es mir stickig vor, ich öffne das Fenster. Die einströmende, frische Luft hilft mir, meine Gedanken zu klären. Es muss langsam Morgen werden, am Horizont ist schon ein schwacher Lichtschimmer zu sehen. Es ist so schön. Zu schön. Warum ist es so schön?
„Hey, komm mal runter, ich muss dir was zeigen!“, reißt mich Samuels Stimme aus meinen Überlegungen. Er steht vor dem Haus und schaut zu mir nach oben. „Okay“, rufe ich zurück. Leise gehe ich durch das Haus, um niemanden aufzuwecken. Über mein Nachthemd habe ich einen dicken Parker gezogen und meine Füße stecken in meinen alten Schuhen. Als ich die Tür öffnen will, geht sie schon alleine auf. Und vor mir steht Sam. „Morgen“, murmele ich. „Guten Morgen!“, sagt er mit einem Lächeln und streckt sich. Als sein T-Shirt dabei hochrutscht, muss ich mich zwingen meinen Blick zu senken. „Hast du gut geschlafen?“ Ich brumme als Antwort.
„Komm mit!“, fordert er mich auf und geht los, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich muss fast rennen um mit seinen großen Schritten mithalten zu können. „Wohin gehen wir?“, frage ich, doch ich bekomme keine Antwort. Er stiefelt einfach weiter, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Nach einiger Zeit sind wir im Kiefernwald.Als ich etwas zurückbleibe, mache einen Sprung, so dass ich mit ihm gleich auf bin. Ich blicke ihn von der Seite an. Sein Gesicht ist angespannt. „Sam!“ Er fixiert einen Punkt in der Ferne und nun wird mir klar, warum er so nervös wirkt. Er schaut sich kurz zu mir um und legt einen Finger gegen seine Lippen. Shhhhh!
Ich schlucke. Das in der Ferne, das was Sam so beunruhigt, sieht beängstigend aus. Hier, mitten im Wald, steht ein Haus. Nicht wirklich beunruhigend, doch der davor parkende LKW gibt allen Grund zur Sorge. Der Laderaum steht offen und sämtlicher Inhalt wird nach draußen befördert. Ich kann nur vermuten, wozu diese Dinge benötigt werden, der Anblick lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Und dann sehe ich Hannah mit unseren anderen zwei Reisebegleitern, die sich inzwischen als Moritz und Micael entpuppt haben. Allerdings kann ich sie nie auseinander halten. Beide haben dunkle Haare und dunkle Augen. Die beiden tragen sämtliche Utensilien, ein besseres Wort fällt mir nicht ein, um diese Sachen zu beschreiben, in die Holzhütte.
Plötzlich werde ich mit einem Ruck zur Seite gezogen, wodurch ich stolpere und auf meinem Po lande. Leicht verwirrt blicke ich auf Sam, der sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen kann. Ich werfe ihm einen verärgerten Blick zu. Musste das sein!?
„Habt ihr das auch gehört?“ „Was?“, brummt eine Männerstimme als Antwort. „Da war doch was“ Wir hören sich nähernde Schritte. „Hannah! Das war irgendein Tier. Komm jetzt. Die Dinger müssen bis heute Nachmittag funktionieren“ Schließlich scheint sie überzeugt zu sein und ihre Schritte entfernen sich. Ich entspanne mich.
Nach einer langen Stunde sind die Stimmen schließlich verstummt. Die drei müssen im Haus verschwunden sein. Ich krieche aus unserem Versteck und strecke mich. Mein Körper schmerzt durch das viele Sitzen. Dann drehe ich mich zu Sam. „Wusstest du, dass sie hier sind?“ Er schüttelt den Kopf und streckt sich ebenfalls. „Was wolltest du mir dann zeigen?“, ich klinge leicht verärgert. „Nur das Haus. Von Innen.“, antwortet er. „Warum?“ Er zuckt die Schultern. „Ich wollte dir zeigen, weshalb du wirklich hier bist“ „Und weshalb bin ich hier?“ „Jedenfalls nicht um Soldat zu werden“ Mein entsetzter Blick bringt in dazu, weiterzureden. „Na ja, die anderen schon. Nur du nicht. Nicht direkt“ „Was dann? Was soll ich werden? Warum hat man mir das nicht gesagt?“ Er seufzte. „Ich weiß es nicht, weder was du werden sollst, noch, warum man das nicht getan hat. Du wirst zum Militär gehören, nur nicht als Soldat“ Ich nicke benommen.
Dann schüttele ich den Kopf, als wollte ich all das Verwirrte heraus schütteln, dass nur die Ordnung bleibt. Ich atme tief durch und die morgendlich kühle Luft bewirkt, dass ich mich frischer fühle. Und hungriger. „Sam?“ „Ja?“ „Wo kriege ich etwas zum Essen?“
Als ich mich hungrig über mein Frühstück hermache, fällt mir auf, wie nobel hier alles ist. Die Kantine, nein, eher das Restaurant in dem wir sitzen hat eine so angenehme Atmosphäre, dass ich kaum glauben kann, dass ich hier nicht im Urlaub bin.
Sam war auf dem Rückweg nicht mehr sehr gesprächig und auch jetzt löffelt er still sein Müsli.
Er muss gemerkt haben, dass ich ihn anstarre, denn er blickt auf. Fragend sieht er mich an. Ich schüttele leicht den Kopf und esse meine Schokosemmel weiter. Samuel hört auf zu essen. Dann beginnt er plötzlich zu reden: „Lucie, so komisch das jetzt auch klingt, bitte antworte ehrlich. Bist du in letzter Zeit ohnmächtig gewesen?“ Mir stockt der Atem. „Wieso – Woher weißt du das?“ „Verdammt, ich hätte es wissen müssen“ Er reibt sich die Augen. „Ich möchte wirklich nicht in deiner Haut stecken“
Verängstig lasse ich meine Hand mit der Semmel sinken. „Samuel?“ „Lou, so gerne ich dir helfen würde, so wenig kann ich es. Bitte, immer wenn du etwas zu entscheiden hast, hinterfrage die ganze Situation zuerst. Mach keine unüberlegten Beschlüsse, ja? Versprichst du mir das?“ Sein verzweifelter Gesichtsausdruck zeigt mir, wie ernst er es meint. Soll ich ihm vertrauen? Warum nicht, schließlich ist es kein schlechter Rat. Ich nicke zögernd. „Ja“ Er atmet erleichtert aus. „Danke“ Eine Weile sitzt er schweigend da. Doch dann erhebt er sich.
„Okay, ich muss jetzt gehen. Trainieren. Bis bald, Lou“ Er wendet sich ab. Am Ausgang bleibt er kurz stehen, dreht sich um und lässt seinen Blick durch den Raum schweifen bis er an mir hängen bleibt. Dann streicht er sich die Haare aus dem Gesicht, die durch die Sonne dunkelbraun schimmern, und verschwindet schließlich durch die Tür.
Ich atme durch. Mein Kopf schmerzt vor Müdigkeit. Warum bin ich kein Soldat? Oder bin ich es irgendwie doch? Warum sagt mir niemand, weshalb ich wirklich hier bin? Was hat das alles mit meiner Ohnmacht zu tun? Es quälen mich so viele Fragen, viel mehr als bei meiner Ankunft. Ich möchte die Wahrheit wissen. Auch wenn sie mir möglicherweise nicht gefallen wird, dennoch möchte ich stark sein. Für meine Familie.
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The Task
Science-FictionIch habe meine Aufgabe erhalten. Und werde sie erfüllen. Aber nicht, weil ihr es meint, sondern weil ich es für richtig halte. Ihr mit euren dummen Gesetzen, eurer dummen Zerstörung. Das ist mein Leben. Und deshalb werde ich kämpfen. Als sie ihren...