Epilog

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Die Sterne strahlten am Nachthimmel. Mika trat aus dem Haus. Er genoss den wunderbaren Anblick, diese kleinen, strahlenden Punkte am pechschwarzen Nachthimmel.

»Hey.« Jenny, seine Frau, trat vor die Tür und setzte sich neben ihn.

»Ist es nicht wunderschön?« Er blickte in ihr Gesicht. Jenny lächelte das wunderschönste Lächeln, das er in seinem Leben je gesehen hatte.

Als Antwort küsste sie ihn. Er erwiderte ihren Kuss, genoss ihre weichen, warmen Lippen. »Schlafen die Kinder schon«, fragte er, als sie sich voneinander gelöst hatten.

Jenny nickte. »Es ist schon spät. Du solltest auch reinkommen.«

»Ich kommen gleich.« Er richtete seinen Blick wieder nach oben, in den Himmel, hörte das Schließen der Tür. Stille umgab ihn, absolute Stille. Plötzlich musste er zurückdenken, an den Abend, als er noch als Jugendlicher in den Himmel geblickt hatte und beinahe von einer Drohne erwischt worden war. Die Erinnerung war blass, weit weg. Er dachte nur noch selten daran, was damals geschehen war und es tat nicht mehr weh.

Er hatte eine wundervolle Frau. Er hatte zwei wundervolle Kinder. Lucy und Marco. Sie erinnerten ihn ein bisschen an seine Geschwister, als sie noch klein gewesen waren.

Ein kalter Wind pfiff ihm um die Ohren. Es war Zeit, in die Wärme des Hauses zurückzukehren. Mika rappelte sich auf, ging zurück ins Haus. Jenny schien schon schlafen gegangen zu sein. Das sollte er besser auch tun. Es war wirklich spät.

Er trank ein Glas Wasser, dann ging er Schlafzimmer, zog sich um und legte sich neben Jenny. Sie schlief sanft und ruhig.

Mika starrte an die Zimmerdecke aus Holz. Sie hatten das Haus selber gebaut, nachdem man ihnen gezeigt hatte, wie so etwas ging. Nun waren sie Teil eines Dorfes, komplett selber erbaut von den Bewohnern.

Müdigkeit überkam Mika. Seine Gedanken wurden träger und irgendwann schlief er endlich ein.

»Daddy!« Ein heller Freudenschrei riss Mika aus seinem Schlaf. Er öffnete die Augen. Vor ihm stand Marco, bereits fertig angezogen.

Mika gähnte. »Was ist denn?«

»Du hast mir versprochen, du zeigst mir, wie man kämpft.« Marco führte einige Schläge mit seinen Händen gegen Mikas Bauch auf.

»Au. Hör auf, hör auf. Ich komme gar schon.«

Marco ließ wieder von ihm ab und Mika krabbelte aus dem Bett. Er zog sich geschwind um, dann ging er mit Marco vor ihr Haus.

»Na komm, jetzt zeige ich dir, wie das geht.« Marco sprang vergnügt vor ihm her.

Die Zeit mit seinem Sohn verging wie im Flug. Mika zeigte ihm alles, was er über das Kämpfen wusste. Sie rangen miteinander, boxen mit den Fäusten. Marco lachte immer, wenn er Mika so stark traf, dass er vor Schmerz aufschrie. Und dann musste auch Mika lachen. Einfach, weil er in diesem Moment der glücklichste Mensch auf der Welt war.

»Marco! Mika!« Jenny stand in der Eingangstür ihres Hauses. Sie suchte nach ihnen, hatte sie aber inmitten der Bäume vor ihrem Haus noch nicht entdeckt.

»Wollen wir deine Mutter mal erschrecken?«, fragte Mika an Marco gewandt.

Marco strahlte. Sein Gesicht zeigte bereits, dass er darauf wohl riesige Lust hatte.

»Okay, dann schleichen wir uns jetzt ganz leise an sie heran.« Marco nickte. Mika huschte durch das Gebüsch, näherte sich ihrer Haustür, Marco dicht hinter ihm.

Sie waren fast da. Jenny schaute noch immer in die falsche Richtung. Mika drehte sich um, legte den Zeigefinger auf die Lippen. Er zählte mit den Händen den Countdown runter. 3. 2.

»Buh«, schrie Marco und sprang aus seinem Versteck hervor. Jenny wirbelte herum und zuckte zusammen. Marco brach in schallendes Gelächter aus.

»Hey«, empörte sich Mika. »Ich war erst bei zwei gewesen.«

»Du hast ihn auf diese Idee gebracht?« Jenny sah ihn vorwurfsvoll an, woraufhin er noch mehr lachen musste. »Das ist nicht lustig.«

Er zog sie grinsend zu sich heran und küsste sie. Das schien sie wieder zu versöhnen. »Deine Geschwister sind da«, meinte sie plötzlich.

Mika sprang auf, lief ins Haus. Im Flur standen Yuki und Gia. Mika blieb grinsend vor ihnen stehen. »Ihr seid schon wieder gewachsen.«

Yuki schüttelten Kopf. »Fällt dir denn keine bessere Begrüßung ein?«

Eine Sekunde herrschte Totenstille, dann mussten sie alle drei lachen. »Ah, es tut gut, euch zu sehen.«

Sie setzten sich an den Tisch in der Küche. »Wie geht es bei euch voran?«, fragte Mika. Es war nun schon wieder zwei Monate her, seit er seine Geschwister das letzte Mal gesehen hatte.

»Mein Haus ist fast fertig«, meinte Yuki, nicht ohne triumphierend zu grinsen. »Du wirst schon sehen, Mika. Es wird deines um Welten übertreffen.«

Mika schüttelte grinsend den Kopf. »Du bist echt bescheiden.« Er wandte sich Gia zu. »Und du? Wie kommst du mit deinem Projekt voran?«

Gia zuckte mit den Schultern. »Na ja. Die meisten Menschen sind leider nicht so freundlich zu uns. Aber inzwischen haben es die Städte geschafft, den meisten Menschen das Gegenmittel gegen die Unfruchtbarkeit zu verabreichen.«

Das war eine gute Nachricht. Er selber hatte vor drei Jahren das Gegenmittel bekommen, zusammen mit Jenny. »Werden die Städte nun öffnen?«

Gia blickte zu Boden, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, die meisten wollen ihren Reichtum und Luxus nicht mit den Menschen außerhalb teilen. Es haben sich alle an diese Weltordnung gewöhnt, so schnell wird sich leider nichts ändern. Aber bis dahin ziehen wir durch die Welt und helfen, wo wir können.«

Es erfüllte Mika mit Stolz, Gia so zu sehen. Sie war mittlerweile eine richtige Frau. Und eine gute, die den Menschen stets half. Er hatte das Richtige damals getan, als er das Lager verlassen hatte.

»Lasst uns rausgehen. Draußen ist es schönes Wetter«, schlug Mika vor. Yuki nickte bloß. Gia ebenfalls. Sie standen auf und traten aus der Haustür in das grelle Sonnenlicht.

Vor dem Haus stand seine Frau mit Marco und Lucy. Mika ging zu ihnen herüber, nahm sie in den Arm. Yuki und Gia stellten sich neben sie. Gemeinsam sahen sie in die Ferne, auf die Sonne, die sich langsam hinter den Horizont schob.

»Wisst ihr«, begann Mika. »Ich bin froh über das, was ich damals getan habe. Jetzt bin ich glücklicher, als ich mir es jemals hätte vorstellen können. Es ist mir egal, ob die Städte öffnen oder nicht. Es ist mir egal, was die Welt da draußen treibt. Es ist mir egal, wo ich bin. Denn ich habe euch.«

Mika sah zu seinen Geschwistern, zu seiner Frau, zu seinen beiden Kindern. Er hatte das größte Geschenk erhalten, das es auf der Welt gab.

Eine Familie.

AußenseiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt