Chapter 16

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„Hältst du das für eine weise Idee? Es könnte deinen Ruf zerstören."

„Ich muss es tun. Ich bin es uns beiden schuldig, erst recht nach allem, was passiert ist."

„Und wenn er nicht darauf reinfällt? Er ist intelligent, er wird merken, dass etwas faul ist."

„Möglich. Aber er wird kommen, daran zweifle ich nicht. Denn er ist berechenbar; das war er schon immer..."

~*~

Loki hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und starrte aus dem Fenster des Reisebusses.

Am Horizont über dem Pazifik ging die Sonne unter und tauchte die raue Küstenlandschaft von Oregon in warme Rot- und Goldtöne, während sie den Ozean selbst in ein gleißendes Flammenmeer verwandelte. Selbst für jemanden, der den Prunk Asgards gewohnt war, war es ein atemberaubender Anblick, doch Loki war tief in Gedanken versunken und konnte sich nicht für das abendliche Lichtspektakel begeistern.

Als er an diesem Morgen erwacht war, Thor neben sich, der einen Arm locker um seine Körpermitte geschlungen hatte, als wäre es das Natürlichste auf der Welt... da hatte er für einen Moment gezögert.

Für einen Moment hatte er mit dem Gedanken gespielt, nicht länger wegzulaufen, sondern die Augen zu schließen und weiterzuschlafen, damit er beim nächsten Mal zusammen mit seinem Bruder erwachen konnte. Damit sie den Tag gemeinsam verbringen konnten, egal, was er auch für sie bereithielt. Damit sie wenigstens für einen Tag einfach nur Thor und Loki sein konnten, ohne Erwartungen oder Druck von außen.

Doch dann musste er wieder an die Skrull und die Kämpfe in den Straßen von San Francisco denken, und an Thors beiläufige Bemerkung, dass er den restlichen Avengers von Lokis heldenhaftem Einsatz erzählen würde, und das hatte ihm schließlich die Kraft gegeben, den Arm seines Bruders wegzuschieben und aufzustehen.

An seiner Antwort an Steve Rogers hatte sich in den letzten neun Monaten nicht viel geändert.

Loki würde niemals ein Avenger sein. Niemals.

Nicht, weil er sie hasste; ganz so stark war seine Abneigung gegen sie dann doch nicht – mit Ausnahme vielleicht von Stark. Es war vielmehr die Institution, die ihn abschreckte, die Erwartungen und die Pflichten, die damit einhergingen, sowie die Einschränkungen, denen er mit dem Status als Avenger unterworfen sein würde.

Und Loki würde sich niemals solch einengenden Strukturen unterwerfen. Er konnte nicht. Es war schlichtweg nicht in seiner Natur. Wenn er in den mehr als tausend Jahren am königlichen Hof von Asgard eines gelernt hatte, dann das.

Was jedoch bleiben würde, war die Sehnsucht nach seinem Bruder und die Freundschaft und Zuneigung, die sie miteinander verband – jetzt mehr, als je zuvor. Doch wie so vieles, was ihn peinigte, war auch dies ein Schmerz, mit dem er lernen würde zu leben.

Loki schloss die Augen und während die letzten Strahlen der untergehenden Sonne sein Gesicht wärmten, war er bald eingedöst.

~*~

Als er am nächsten Morgen in Seattle aus dem Bus stieg, war die Stadt in Nebel gehüllt und ein kalter Lufthauch wehte vom Meer hinüber. Für einen Moment fühlte er sich an jenen schicksalshaften Wintertag erinnert, an dem er und Thor den Zauberer aufgesucht hatten.

Doch dieses Mal war er allein, und im Gegensatz zu Strange würde Seattle ihn nicht verurteilen.

Erschöpft von der langen Fahrt suchte Loki das hiesige Four Seasons auf, um ein Zimmer zu mieten.

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