Kapitel 18

87 9 2
                                    

P.O.V Alexa

Meine Gefühle spielen verrückt. Einerseits wehr sich mein Körper gegen jede Art von Annäherung. Ich bekomme Angst und mein Körper zittert automatisch. Aber andererseits möchte ich mich ihnen öffnen und anfangen zu vertrauen.
Es kommt je nach Stimmung an, wie ich reagiere und in was für Situationen ich mich befinde.
Dieser ständige Wechsel macht mich zu schaffen. Meine Katzenseite ist die, die Nähe und Zuneigung braucht. Sie hat es aber nie bekommen. Nicht einmal, als ich noch bei meiner Familie gelebt habe. Die einzige Ausnahme war mein Bruder. Er war meine wichtigste Bezugsperson, mit der ich auch reden konnte und der mich verstand.
Aber ich kam ins Labor und wurde dort zerstört. Sowohl mein Körper sieht schrecklich aus mit den ganzen Narben, Striemen und Wunden, als auch mein Geist hat sich daran gewöhnt, sich jemandem unterwerfen zu müssen und keinen eigenen Willen zu haben.
Somit verträgt sich mein Mensch mit der Katze nicht. Denn Katzen haben IMMER einen eigenen Willen und entscheiden alles für sich. Sie haben es in den Genen. Der Stolz verlässt sie nicht.
Und wenn es zu entscheidenden Situationen kommt, kann ich entweder wie eine Katze, oder wie ein Mensch reagieren. Das kommt ganz darauf an, welche Gestalt mich gerade einnimmt.
Bin ich eine Katze, ist meine Psyche menschlicher, bin ich ein Mensch, habe ich mehr katzentypische Eigenschaften.
Mein Körper gleicht diese besonderen Merkmale aus.

Leider kann ich diesen Ausgleich nicht immer meistern. Es ist eine Sache des Unterbewusstseins, wie ich vor Jahren bemerkte, die alles bei mir bestimmt.
Wenn ich Mensch bin, und die Katze in mir nicht genug zur Geltung kommt, dann bereitet es Panik und Unruhe in mir aus.
Und je nachdem, wie stark dieser Kontrast ist, desto mehr Symptome treten auf. Es fängt bei Schlafmangel an, und endet mit heftigen Kopfschmerzen.

Dieser fehlende Ausgleich tritt bei mir immer auf, wenn ich oft zwischen meinen beiden Gestalten gewechselt bin. Das raubte mir immer die meiste Energie.
Im Labor hat man darauf keine Rücksicht genommen. Ihnen waren bloß ihre scheiß Ergebnisse und Tests wichtig. Hauptsache ich lebte noch und konnte was für sie bieten.
Ich war nichts anderes als ein Objekt. Sie verdienten mit mir Geld, befriedigten ihre Triebe und erlangten neue wissenschaftliche Kenntnisse.
Wie es mir dabei ging war ihnen egal.

Und wüssten sie nicht über meine Art bescheid, wäre alles einfacher. Sie fanden heraus, dass ich mich bei einem bestimmten chemischen Stoff direkt verwandle und auch ei paar Stunden so blieb. Das nutzten sie für sich aus und ich hatte nie meine Ruhe. Ich konnte mich nie beruhigen, außer nachts. Und selbst da gab es bestimmte Forscher, vor denen ich großen Respekt zeigen musste. Manchmal kamen sie grundlos in meine Zelle und schlugen auf mich ein. Im schlimmsten Falle missbrauchten sie mich noch hinterher.

Die ganzen Flashbacks ließen mich erzittern. Das wird mich wohl nie in Ruhe lassen.

Aber wegen diesen ganzen Geschehnissen und Erfahrungen fällt es mir schwer, als Katze an das Gute zu glauben. Ich bin so gut wie immer misstrauisch.
Patrick hat mir geholfen und mich nach meiner Flucht aufgenommen. Jetzt machen er und Manu alles für mich, nur um mich glücklich zu machen. Und das, obwohl ich die Hoffnung auf ein ruhiges und sorgenfreies Leben schon während der Laborzeit aufgegeben habe. Ich hab damit schon abgeschlossen.

Ich fände es sogar okay, wenn ich bald sterben würde. Dann wäre ich für keinen mehr eine Belastung und müsste nie wieder Schmerz ertragen.
Mein einziger Wunsch war es nur, nicht in dieser Einrichtung sterben zu müssen.
Als ich in dem Park lag, erinnerte ich mich an die schönen Momente in meinem kurzen Leben. Es waren nicht viele. Aber sie waren prägend und hatten eine umso höhere Bedeutung für mich.

Es war bereits mitten in der Nacht und ich saß in Katzengestalt auf der Fensterbank. Die Sterne sahen in dieser Nacht so klar und hell aus.
Ich konnte sie so viele Jahre lang nicht zu Gesicht bekommen. Umso magischer fand ich diesen Moment, in Stille und Einsamkeit.

Diesen Anblick der Sterne hatte ich auch in der Nacht meiner Flucht. Nur konnte ich ihn nicht genießen.
Ich hab gedacht das wäre das letzte, was ich sehen würde, bevor ich meine Augen für immer schließe.

Obwohl ich noch Wünsche offen hatte, wäre ich bereit. Selbst den Wunsch nach Nähe und Berührungen hätte ich verdrängt. Das war nämlich meine Stütze im Labor. Ich habe ständig von Umarmungen und liebevollem Umgang geträumt. Ich habe mir vorgestellt, einen Menschen an meiner Seite zu haben, der gut mit mir umgeht und auf mich achtet. Ich habe sozusagen meine eigene parallelwelt geschaffen.

Mir fehlte die direkte Nähe zu einem Menschen. Einem Lebewesen, der mich in die Arme schließen konnte und Wärme spendete. Der Gedanke daran erfüllte meine Seele. Wie schön das wäre. Dann hätte man das Gefühl, beschützt zu werden. Man wäre sorgenlos und es gäbe für den Moment keine negativen Gedanken mehr.
Es löste in mir eine Sehnsucht aus, wenn ich Palle so mit dem Kissen kuscheln sah. Er sah friedlich und glücklich aus. Das könnte ich auch sein. Nur müsste ich dafür Mut haben. Mut haben, etwas zu verändern und mich meinen Ängsten zu stellen.

Und weil ich in dem Moment keine Sorgen mehr über irgendwas hatte, verwandelte ich mich in einen Hybrid. Ich legte mich zu ihm und kuschelte mich ganz vorsichtig an seine Brust ran.

SaviorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt