Die Party

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Fortsetzung des gleichnamigen OneShots von @Lenifish, der in der Sammlung "Erfundene Wahrheiten (+Diverses)" als Kapitel "Das Versprechen (Oneshot 4)" zu finden ist: https://my.w.tt/umJq2WfoR8

Kurze Zusammenfassung des Oneshots (Es lohnt sich aber auch wirklich, ihn zu lesen, falls ihr das nicht sowieso schon getan habt!):

Jan und Tim haben sich mit 30 das Versprechen gegeben in zwei Jahren zu heiraten, wenn beide bis dahin immer noch keine festen Partner haben, um nicht bis ans Ende ihres Lebens allein zu bleiben. Sie realisieren unabhängig voneinander, dass sie tatsächlich Gefühle füreinander haben, die über Freundschaft hinaus gehen, reden aber nicht darüber, um eben diese Freundschaft nicht zu gefährden. Zwei Jahre später findet die Hochzeit tatsächlich statt und dies ist die Feier danach:

Jan

In dem Moment, als wir Hand und Hand das Standesamt verließen, fühlte ich mich unbeschreiblich glücklich und frei. Zwar war ich mir nicht sicher, ob das „Ich liebe dich" von Tim ernst oder nur freundschaftlich gemeint war, aber allein die Tatsache, dass wir nun verheiratet waren, fühlte sich unglaublich richtig an. Die Sorge, er könnte jederzeit eine Freundin finden, war plötzlich weg und all die kleinen Gesten, wie zum Beispiel das Händchen halten, die als beste Freunde immer einen komischen Beigeschmack gehabt hatten, waren nun gerechtfertigt. Denn er war nicht mehr mein bester Freund, er war mein Ehemann. Und Ehemänner halten Händchen, werfen sich verliebte Blicke zu und legen einander den Arm um die Taille. Und genau das taten wir den ganzen Abend lang, während wir mit unseren Familen im Garten von meinen Eltern feierten. Wir taten beide so, als wären wir ein echtes frisch verheiratetes Pärchen. Vielleicht war es für Tim nur ein ironisches Spiel, eine Show für unsere Familie, damit sie nicht ganz so traurig über die Scheinehe waren, aber es fühlte sich so gut an und so leicht, dass ich mich dem Ganzen hingab und jeden Moment des Abends genoss.

Es wurde auch eine Menge Alkohol getrunken und ich spürte, wie die Stimmung, die bei allen Beteiligten den Tag über angespannt gewesen war, immer lockerer wurde. Sie machten Scherze über unser verliebtes Verhalten und meine Schwester rief lachend durch den ganzen Garten, es wäre die süßeste Scheinhochzeit auf der sie je gewesen sei. Darauf kam von allen Seiten bestätigendes Gelächter und auch Tim grinste sein fröhlichstes Grinsen, während er mir tief in die Augen sah. Er sah so glücklich aus, wie ich mich fühlte. Der Alkohol verhinderte meine zweifelnden Gedanken, die mich in solchen Momenten immer einen Stich ins Herz gegeben hatten. Doch bevor ich mich in seinen leuchtenden Augen verlieren konnte, ließ Gisela mich mit wildem Blick in die Runde schauen und rief: "Ja, aber in Wirklichkeit hassen wir uns. VERARSCHT!" Darauf folgte ihr allerseits bekannter und beliebter Dab.

Während die zweite Welle des fröhlichen Gelächters umherschwappte wurde ich still. Ich sah immernoch Tims glücklichen Blick in meinem Innern und versuchte, das Bild ganz fest einzuspeichern, um es nie zu vergessen. Außerdem dachte ich darüber nach, was passiert wäre, wenn Gisela die Situation nicht unterbrochen hätte. Hätte ich es überhaupt ausgehalten, diesem Blick und allem was er bedeutete standzuhalten? Eine Angst begann in mir hochzukriechen. Mein ganzes Leben mit Tim zu verbringen war immer mein größter Wunsch gewesen, doch was, wenn ich dem gar nicht gewachsen war? Wir hatten uns gegenseitig immer eingeredet, dass die Hochzeit nichts an unserer Freundschaft ändern würde, doch jetzt machte es den Anschein als täte sie es doch. Und das war eigentlich gut, denn es ging genau in die Richtung, die schon seit Jahren in meinen Fatansien umherspukte, doch gleichzeitig war es auch unheimlich angsteinflößend.

Tim

Es ist der schönste Tag in meinem Leben, sangen meine Gedanken unaufhörlich, während ich mit Jan im Garten meiner Eltern stand und unsere Hochzeit feierte. Ich fühlte mich ganz leicht und kribbelig und als wäre alle Probleme der ganzen Welt plötzlich gelöst. Und alles war so lustig! Ich beobachtete Jan, während Gisela in dabben ließ und mir wurde wieder bewusst, wie sehr ich diese Bewegungen liebte. Es war vielleicht nicht Jan, der das tat, aber es gehörte zu ihm wie die Nase in seinem Gesicht und war deshalb einfach unglaublich wunderbar.

Ich nahm noch einen großen Schluck aus meinem Cocktailglas und spürte, wie das leichte Gefühl sich noch verstärkte. Noch ein bisschen mehr und ich schwebe einfach davon, dachte ich und kicherte in mich hinein. Ich wollte es Jan erzählen, aber als ich mich zu ihm wandte, bemerkte ich, dass er in Gedanken versunken war und dabei nicht gerade glücklich aussah. Ein starker Wiederwille machte sich in mir breit, mein Kopf war nicht dazu in der Lage, herauszufinden was bei ihm los war, aber ich WOLLTE nicht, dass er traurig ist. Das durfte einfach nicht sein. Langsam hob ich meine Hand, musste mich konzentrieren um meinen Plan umzusetzen. Es gelang! Ich streichelte sanft seine über seine Wange und als er mich ansah, flüsterte ich eindringlich: "Nicht traurig sein!" Zu meiner Erleichterung lächelte er mich warm und ehrlich an und schmiegte sein Gesicht gegen meine Finger. Durch diese positive Reaktion ermutigt, ließ ich meine Hand an seiner Wange liegen, streichelte sanft über sein Gesicht und blinzelte ihn verträumt an.

Jan

Durch Tims zärtliche Berührung verschwanden meine Zukunftsängste sofort. Sie waren einfach nicht mehr da, als ich wie automatisch lächelte und zu ihm hoch schaute. Da waren wieder sie wieder, seine schönen Augen. Doch obwohl sie immernoch freudig strahlten, bemerkte ich auch, dass sie etwas glasig waren. Ein typisches Anzeichen dafür, dass Tim betrunken war. Aber klar, das war ich ja auch. Wir waren schon unzählige Male gemeinsam betrunken gewesen, deshalb legte ich instinktiv meinen Arm um ihn, um das darauf folgende Schwanken abzudämpfen. Er klammerte sich an mir fest und kicherte. Wäre ich nicht darauf vorbereitet gewesen, wären wir wohl zusammen durch den Garten getorkelt, doch zum Glück kannte ich den betrunkenen Tim fast besser als den nüchternden, sodass es den anderen wahrscheinlich nicht mal aufgefallen war. "Ja, ja, jetzt küsst euch doch endlich!", rief jemand, ich glaube es war Tims Vater. Da realisierte ich, wie es wohl wirkte, dass wir da eng umschlungen standen, Tims Hand noch immer an meiner Wange. Sofort fühlte ich mich in eine der vielen Situationen hineinversetzt, in denen Tim uns ich uns aus Versehen "zu nah" gekommen waren und jemand sich darüber lustig machte. Meine Standardabwerreaktion war es, Tim schnell von mir wegzuschieben und die Augen zu verdrehen. Meistens rettete mich dann auch Gisela, bevor jemand meine Verlegenheit erkennen konnte. Bevor ich jedoch in dieses Verhaltensmuster zurückfallen konnte, hatte Tim mich bereits noch näher an ihn herangezogen und seine Lippen auf meine gelegt.

Der Kuss war schön und sehr leidenschaftlich, aber auch verwirrend. Mein Kopf war zu vernebelt, um darüber nachzudenken, aber komplett fallen lassen konnte ich mich auch nicht. Plötzlich löste Tim sich von mir, drehte sich hektisch um und übergab sich auf den Rasen. Die anderen begannen wieder zu lachen, ich versuchte mich daran zu erinnern, ob sie während des Kusses eigentlich still gewesen waren, aber ich wusste es nicht. Ich hatte sie komplett ausgeblendet. Ich blieb einfach stehen, hatte eine Hand auf Tims Rücken gelegt und stützte ihn mit der anderen. Auch diese Situation hatten wir schon tausendmal zusammen durchgemacht, und tatsächlich war ein meistens Tim gewesen, der sich nach dem Feiern übergeben musste. Mir war es auch schon ein paar Mal passiert, aber bei Tim gehörte es schon fast dazu.

Die Hochzeitsgäste hatten mittlerweise aufgehört zu lachen uns wuselten plötzlich umher. Erst als meine Mutter zu mir kam und leicht belustigt sagte: "Ich denke, die Party ist dann jetzt vorbei, oder? Geht doch hoch ins Bad und legt euch in deinem alten Zimmer schlafen. Wir räumen hier alles auf.", wurde mir klar, dass sie ihre Sachen zusammenpackten. Ich nickte dankbar und zog Tim mit mir ins Haus. Eigentlich sollte man sich von seinen Hochzeitsgästen wohl ordentlich verabschieden, aber dazu hatte ich jetzt einfach keine Kapazitäten, auch wenn ich sie alle unglaublich gern mochte. Aber genau deshalb war ich mir auch sicher, sie würden es uns verzeihen.

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt