Kira
Ich habe mich schon oft geirrt, wenn es um Jackys eisernen Willen geht. Wenn sie etwas will, wird sie zum Pitbull und keiner sollte sich ihr dann in den Weg stellen. Man vergisst das schnell mal, wenn man sie sonst sieht, mit ihren Blümchenkleidern und ihrem Zuckerpuppenlächeln. Sogar mich legt sie damit oft genug herein, und wir kennen uns jetzt schon ewig. Aber das ist eben Jacky. Von Zuckerbrot bis Peitsche ist alles dabei, Hauptsache sie kriegt ihren Willen.
Zwei Wochen ist es jetzt her, dass sie diese Wohnung entdeckt hat, die ab sofort bezugsfertig wäre. Heute haben wir den ersten August, und sie gehört uns. Sie hat eben einfach keine Zeit verloren und falls ich irgendwann mal vor habe, sie zu fragen, wie sie die Vermieter rumkriegen konnte, werde ich möglicherweise Alkohol brauchen, um die Antwort zu ertragen. Nur, falls sie vor hat, mir das Gespräch ausführlich zu schildern. Bei dem Termin, bei dem wir beide den Mietvertrag unterschrieben haben, sah die Dame von der Vermietungsgesellschaft jedenfalls ein wenig säuerlich aus, während Jacky fröhlich überall schwungvoll ihren Namen drunter gesetzt hat. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass die gute Frau beinahe hofft, wir würden schnellstens wieder rausfliegen.
"Jacky?"
Meine Stimme hallt ein bisschen in den leeren Zimmern wieder, so dass es beinahe gespenstisch klingt. Irgendwo quiekt etwas und ich versuche nicht zu seufzen. Vermutlich hat sie irgendwas entdeckt, das ihr bei der ersten Besichtigung entgangen ist, und wird es mir gleich vollkommen überdreht vorführen.
Meine Schritte klingen gedämpft, als ich durch den Flur laufe, der vollgestellt ist mit Umzugskartons. Unsere paar Möbel haben wir gleich auf die Räume verteilt, die wir uns ausgesucht haben. Jacky hat natürlich das große Schlafzimmer bekommen und ich gönne es ihr.
Das alles hier wäre nie passiert, wenn sie sich nicht so in die Idee verbissen hätte und sie hat es natürlich auch geschafft, alles mit minimalem Kostenaufwand durchzuziehen; eins ihrer vielen Talente, das man ihr gar nicht ansieht, wenn man ihren Kleiderschrank betrachtet. Kostengünstig, mal abgesehen natürlich von den zwei Monatsmieten, die meine Eltern uns zähneknirschend für die Kaution geliehen haben. Wie wir das zurückzahlen sollen, weiß ich nicht, aber zum Glück wollen sie nicht auch noch Zinsen. Dieser Witz ging auf meine Kosten, ich hab es ihnen beinahe geglaubt.
Tja, und jetzt ist es eben so weit. Ich schwänze gerade zwei Tutorien für das hier und frage mich immer noch, wie Jacky die Vermieter überzeugen konnte. Vermutlich hat sie einfach so lange geredet, bis sie nicht mehr weiter wussten. Das hat uns trotzdem nicht die Bürgschaft erspart, die Papa unterschreiben musste, weil wir angeblich kaum alt genug aussehen, überhaupt schon mehr als Taschengeld zu verdienen, und ja auch sonst noch nicht so viel vorzuweisen haben. Ich habe seine Stimme jetzt noch im Ohr. Wenn das hier schief geht, werde ich mir das bis an mein Lebensende anhören müssen. Jacky war da viel entspannter, sie hätte auch ihre eigenen Eltern irgendwie dazu überredet, aber meine Mutter wollte gar nichts davon wissen.
Zwei Typen, die wir aus dem Rosis kennen, wo Jacky eigentlich praktisch jeden kennt, hat sie bequatscht, uns zu helfen. Sie haben netterweise auch gleich die wichtigsten Möbel aufgebaut, so dass ich mich jetzt einfach auf mein Bett fallen lassen kann. Sie wollten irgendwie nicht glauben, dass ein Mädchen wie ich das auch alleine schafft, ist ja schließlich nur Ikea.
Trotzdem fühle ich mich verschwitzt und staubig. Auch mit Aufzug war das Geschleppe mörderisch, was eigentlich meine eigene Schuld ist. Ich habe zwar nicht so viele Klamotten wie Jacky mit ihren zehn Kartons, aber in jedem von meinen besteht die unterste Lage aus Büchern. Wenn man es genau nimmt, werden wir heute Abend vermutlich nicht in der Lage sein zu kochen, weil uns noch der Großteil der Kücheneinrichtung fehlt, aber die Bibliothek ist komplett.
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Ich hab genauso Angst wie du
RomanceDie Schule ist fertig, das Leben fängt richtig an. Kira hat eigentlich schon einen festen Plan, was sie mal machen will: Schriftstellerin werden. Aber Pläne haben es eben so an sich, dass sie nicht immer so laufen, wie man es sich vorgenommen hat. D...