Kira
"Sorg dafür, dass ich meine Ruhe habe, wenn ich zurück komme!"
Jacky stöhnt entnervt, nickt aber und ich hoffe, sie versteht, was ich ihr sagen will. Wir sind jetzt gerade mal zwei Tage hier drin, ich habe noch nicht mal vollständig ausgepackt und schon sollen die zwei Typen einziehen, von denen sie mir noch kein Wort erzählt hat. Nicht, dass ich sie gefragt hätte! Bloß nicht, ich kriege noch früh genug mehr von ihnen zu sehen, als mir lieb sein wird. Immerhin muss ich mich ab jetzt darauf einstellen, morgens verschlafenen Kerlen in Unterwäsche über den Weg zu laufen, wenn ich aus meinem Zimmer ins Bad gehe.
Wenigstens sind jetzt Semesterferien und ich habe die Prüfungen fast überstanden, so dass ich mir nur noch Gedanken über die Arbeit machen muss. Zwei Monate lang Ruhe, bis es im Oktober weiter geht, sonst hätte ich mir den Umzug sicher nicht angetan. Kisten schleppen zwischen Arbeit und Vorlesungen wäre einfach zu stressig. Und Jacky hat doch tatsächlich darauf bestanden, eine Party zu schmeißen, wenn wir vollzählig sind! Na hoffentlich werfen sie uns nicht gleich wieder raus.
Vielleicht ist es die Aussicht darauf, mir ab heute mit viel zu vielen Menschen - drei, wenn mans genau nimmt - eine Wohnung teilen zu müssen, die meine Gedanken nur darum kreisen lässt, dass ich endlich den ersten Versuch wagen sollte. Den ersten Versuch, eins meiner Manuskripte abzugeben. Mehr will ich mir gar nicht erhoffen. Keine Freudenschreie darüber, dass ich der neue George Martin bin - dafür sterben in meinen Geschichten einfach zu wenige Leute - oder die nächste E. L. James, denn mit Erotik habe ich auch nicht so viel am Hut, schon allein bei dem Gedanken, sowas zu schreiben, verknoten sich all meine Gehirnwindungen. Ist ja ohnehin nur Schund, den gelangweilte Hausfrauen lesen, und sowas will ich nicht als Publikum.
Ich schnappe mir meine Tasche aus dem Flur und verlasse die Wohnung, ehe ich ihnen noch über den Weg laufe. Meinen neuen Mitbewohnern. Jacky hat irgendwas davon gefaselt, dass sie leider schneller hier rein müssen, als geplant war, aber ich traue ihr irgendwie nicht. Andererseits habe ich der Kaffeemaschine heute morgen auch nicht getraut, als sie beim Anschalten zuerst nur ein nervöses Stottern von sich gab. Das Ding gehört Jacky, sie hat es von ihren Eltern geerbt, die sich jetzt einen Vollautomaten leisten. Vielleicht bin ich ja nur paranoid, weil die Aussicht auf Fremde in meiner Privatsphäre mich verrückt macht.
Jacky ist da eine Ausnahme. Oder hat sich selbst einfach zu einer gemacht, und ich konnte sie nie daran hindern. Deswegen bringt es mich nicht um den Verstand, wenn sie nebenan rumort, während ich am tippen bin. Ich kann sie einfach ausblenden.
Ich knalle die Wohnungstür lauter zu als beabsichtigt, aber hinter den Türen neben uns ist nichts zu hören. Vermutlich arbeiten alle, was mein Glück ist. Ich will nicht schon in der ersten Woche die Nachbarn verärgern, nur weil mich diese Situation so sehr stresst. Warum nur habe ich mich darauf eingelassen? Ich hasse doch WG's! Ich hab zwar noch nie in einer gewohnt, aber allein die Aussicht auf das, was mich heute Abend erwarten wird, lässt meine Hände nervös zucken.
Sich darauf zu konzentrieren, dass ich heute noch arbeiten musst, fällt mir immer leichter, je weiter die Bahn mich zum Verlag bringt. Vermutlich liegt es daran, dass ich allein durch meine Nervosität vergessen habe, dass ich eigentlich nervös bin.
Wenn ich so schreiben würde, wie ich gerade denke, bekäme ich vermutlich niemals eine Chance.
Der Aufzug öffnet sich pünktlich zur vollen Stunde und Theresa sieht mich trotzdem missbilligend an, aber diesmal kann sie mir keinen Vorwurf machen. Eigentlich bin ich ja sogar zu früh, weil ich es zuhause nicht mehr ausgehalten habe. Nicht, dass es hier besser ist. Schmitt sieht aus, als würde er gleich explodieren wollen, aber sein roter Kopf könnte auch daher kommen, dass die Augusthitze hier in der Etage fest hängt, als wäre die Klimaanlage ausgefallen. Allein das Atmen lässt mich schon in Schweiß ausbrechen.
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Ich hab genauso Angst wie du
RomanceDie Schule ist fertig, das Leben fängt richtig an. Kira hat eigentlich schon einen festen Plan, was sie mal machen will: Schriftstellerin werden. Aber Pläne haben es eben so an sich, dass sie nicht immer so laufen, wie man es sich vorgenommen hat. D...