Zuhause

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Song: Down- To the Rats and Wolves

Noah

Der Morgen bricht an, als ich die schäbige Küche betrete, die fast komplett mit Essensresten und leeren Weinflaschen sowie Bierdosen zugemüllt ist. An die Kaffeemaschine auf der Arbeitsplatte unter dem kleinen Dachfenster kommt man schon seit Jahren nicht mehr dran. Die Spüle ist unter dem benutzten Geschirr kaum zu erkennen. Lediglich daran, dass der Kran noch zu sehen ist, alles andere geht in Tellern und Besteck unter. Getrocknetes Essen klebt daran und ich frage mich, wann hier zuletzt gespült wurde. Dem Geruch des Mülls nach zu urteilen, muss es Monate her sein, dass hier mal jemand aufgeräumt hat. Ein wenig angeekelt nehme ich das Geschirr aus der Spüle und lasse etwas heißes Wasser ein, um etwas Ordnung hier rein zu bringen.

Gerade, als ich ein paar Teller und das meiste Besteck in das Wasser stelle, damit es einweichen kann, erklingt eine müde Stimme hinter mir. "Du weißt doch, dass du das nicht tun sollst." Elisabeth steht im Türrahmen und sieht mich aus müden Augen an. "Ich weiß das Ellie, aber du weißt auch, dass das hier so nicht weitergehen kann." Ich seufze einmal tief, ehe ich mich wieder der Spüle widme und teste, ob man die Teller schon spülen kann. Als ich feststelle, dass dem nicht so ist, räume ich den kleinen Tisch auf, der in einer Ecke gegenüber der Arbeitsplatte steht. Ich schmeiße die Stummel aufgerauchter Zigaretten in einen neuen Müllbeutel, werfe die ungelesenen Zeitungen auf einen Haufen, um diesen später im Papiermüll versenken zu können. "Bitte lass das und geh nach Hause, Noah." Ich schätze, es soll eine Ermahnung sein, doch ich höre nicht auf, Ordnung in diesem Raum zu schaffen. "Ellie, du brauchst Hilfe, ihr alle braucht die. Lass mich dir wenigstens hierbei helfen." Sie weiß ganz genau, dass ich Recht habe, doch sie will es sich nicht eingestehen. Um das zu tun, müsste sie über ihren Schatten springen, jedoch wird sie dies wahrscheinlich erst, wenn ihr Sohn wieder zu Hause ist. Sie zerbricht daran, dass er nicht da ist, es ihm schlecht geht und sie ihm nicht helfen kann, da er sie nicht lässt. Aber sie kann es auch nicht, weil sie lieber trinkt. 

Ich kenne diese Familie nun schon über drei Jahre und die Frau, die gerade im Türrahmen lehnt und Halt an ihm sucht, ist nicht die Frau von vor drei Jahren. Damals strahlte sie Selbstbewusstsein aus. Sie war wie ein Fels in der Brandung, den niemand so schnell aus dem Boden heben kann. "Ich wollte es gerade machen, also lass das jetzt bitte." Sie kommt auf mich zu und schiebt mich zur Seite, um sich selbst an die Spüle zu stellen. "Nein Ellie, ich glaube dir nicht. Wenn du es hättest tun wollen, wäre das schon viel früher passiert, findest du nicht?" Ich setze mich an den kleinen Tisch, ziehe den Aschenbecher zu mir und zünde mir eine Zigarette an. Ohne Anstoß wird sie hier niemals für Ordnung sorgen, es würde hier ewig so weitergehen, dass sie in ihrem eigenen Dreck versinkt. "Setz dich zu mir", fordere ich sie auf. Sie kommt dem nach und bringt sich ein Kristallglas mit, das sie zur Hälfte mit Whisky füllt. "Du willst mich doch nur vom Spülen abhalten." Das stimmt, sie soll nicht spülen, nicht heute. Als sie zum Glas greift, nehme ich es zu mir, gehe zur Spüle und kippe es in der Spüle aus. Es mischt sich mit dem dreckigen Wasser. "Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst die Finger davon lassen!" In mir mischt sich Enttäuschung mit Wut, welche direkt wieder abebbt. Ich weiß, dass sie nicht anders kann. "Bitte erzähl mir etwas, Noah." Sie flüstert beinahe, als sie den Blick von mir abwendet und auf die Tischplatte vor sich schaut. "Ich dachte, du wolltest spülen, Ellie." Ich setze mich wieder ihr gegenüber. "Das kann ich doch dabei machen." Sie klingt kraftlos und erschöpft, wahrscheinlich hat sie noch Restalkohol von gestern im Blut. "Lass es, ich mach das schon", winke ich ab und lächle sie leicht an."Du solltest dich wieder hinlegen und deinen Rausch ausschlafen." Ich drücke die Zigarette aus und erhebe mich. "Ich kann nicht mehr schlafen", lässt sie mich wissen. "Dann setz dich auf's Sofa." Ich zucke die Schultern und lasse das dreckige Wasser aus der Spüle, um Neues reinlaufen zu lassen.

Zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt