Auf und davon

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PoV Tsukishima

Ich redete die ganze Fahrt nicht mit Herrn Takeda. Ich sah nur aus dem Fenster und realisierte, dass ich den größten Fehler meines Lebens begangen hatte. Genau genommen hatte ich jetzt niemanden mehr, weil alle anderen Personen, die mir nah standen, zu Yamaguchi hielten. Mein Leben würde den Bach hinunter gehen.

In der Hoffnung, dass ich eine Nachricht von Yamaguchi erhalten hatte, schaute ich auf mein Handy. Eine Nachricht von meiner Mutter, die sie vor ungefähr sechs Stunden geschickt hatte.

Hallo Schatz! Könntest du vielleicht früher nach Hause kommen? Wir müssen etwas wichtiges besprechen. Kuss, Mama

Was wollte sie denn jetzt noch? War nicht alles schon scheiße genug. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die Scheibe. Egal was war, eigentlich konnte es nicht noch schlimmer werden. "Tsukishima, du müsstest mir gleich einmal sagen, wo ich dich absetzen soll." Ich versuchte Herrn Takeda durch unsere engen Straßen zu navigieren, was eher semi gut klappte. Im Endeffekt fuhr er zweimal in die falsche Straße, einmal fast gegen einen Baum und dann stupste er noch eine leere Mülltonne an, die auch direkt mit einem lauten Geräusch umfiel.

Entweder war er komplett inkompetent oder er machte das mit Absicht. Beides war wahrscheinlich. Als wir endlich vor meinem Haus standen, zum Glück ohne weitere Unfälle, bedankte ich mich kurz fürs Nachhausebringen und verabschiedete mich von ihm. Vielleicht für immer. Wer konnte das schon wissen. Sehen würde ich ihn trotzdem noch, aber miteinander reden höchstens noch wegen des Clubaustritts.

"Gut, dass du so schnell da sein konntest, Kei." Meine Mutter kam auf mich zugelaufen und umarmte mich. "Ist etwas passiert?", fragte ich verwirrt. "Ja, etwas wundervolles. Also wundervoll für mich. Du und dein Bruder könnten davon enttäuscht sein. Akiteru ist schon drin." Was kam denn jetzt?

"Also ihr zwei. Ihr wisst doch, dass ich in letzter Zeit ein paar Bewerbungen geschrieben habe. Ich habe vorhin endlich eine Zusage für eine sehr gut bezahlte Stelle bekommen." Akiteru stand auf. "Das freut mich so für dich, Mutter." Sie lächelte glücklich. "Wo ist der Haken?", fragte ich misstrauisch. Meine Mutter seufzte. "Dazu komme ich jetzt. Die Stelle ist in einer anderen Präfektur. Zwar nicht weit von dieser hier, aber doch schon so weit, dass es dich betrifft, Kei. Du müsstest deswegen die Schule wechseln." "Okay, wann sollen wir anfangen zu packen?" Mein Bruder und meine Mutter sahen mich verwirrt an. "D...du bist nicht sauer deswegen?" "Quatsch, für dich und für uns nur das beste. Hauptsache ich kann an der Schule weiter Volleyball spielen." Ich lächelte, gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange und ging dann in mein Zimmer. Das Schicksal meinte es scheinbar gut mit mir. Wenn es schnell ging, musste ich Yamaguchi nicht mehr unter die Augen treten.

"Kei? Wir würden in drei Tagen umziehen. Ich habe durch einen Freund günstig ein Haus erwerben können. Wenn alles klappt wie geplant, sollten wir dann hier los fahren. Ich hoffe, dass du dich noch kurz von deinen Freunden verabschieden kannst." "Alles klar. Ich packe dann mal mein Zeug zusammen. Haben wir hinten noch die alten Kartons?"

Nachdem ich es mir endlich in meinem Zimmer gemütlich gemacht hatte, begann ich nachzudenken. Ich hatte meine ehemaligen Freunde mit einem sehr schlechten Bild von mir zurückgelassen, hatte mich von einigen nicht verabschiedet und auch nicht bei ihnen entschuldigt. Ich hatte echt keine Ahnung, wie ich das wieder richten konnte. Und ohne ein Wort weggehen, war auch nicht das, was ich gerne wollte. Leider war es wahrscheinlich, dass sie erst wieder ankommen würden, wenn wir schon losgefahren waren.

Betrübt fing ich an ein paar Dinge einzupacken. Bücher und so etwas. Vielleicht fiel mir dabei ja etwas ein.
Was für unnötigen Mist ich doch hatte. Manche Sachen konnte man direkt aussortieren. Ich kramte weiter, bis ich plötzlich ein Buch in der Hand hielt. Ein Fotoalbum scheinbar. Ich erinnerte mich gar nicht mehr an seine bloße Existenz.

Ich nahm das Buch und setzte mich damit auf mein Bett. Es sah so aus, als hätte meine Mutter das Buch die ganzen Jahre über geführt und irgendwann in mein Regal gestellt. Ich schlug es auf und sah direkt meinen großen Bruder, wie er mich als Neugeborenes im Arm hielt. Schon süß.

Vorsichtig, damit ich die Seiten nicht zerknitterte, blätterte ich weiter. Es folgten Fotos aus dem Kindergarten, meiner Einschulung und von Geburtstagen. Irgendwann kamen Fotos, die mit Volleyball zu tun hatten und kurz darauf auch Fotos zusammen mit Yamaguchi. Ich seufzte. Konnte ich vielleicht mal zehn Sekunden nicht an ihn denken?

Die Zeitsprünge zwischen den Bildern wurden nun immer größer, trotzdem waren die meisten jetzt alle mit meinem Bruder und Yamaguchi gewesen. Ich wollte, dass Buch gerade schließen, als ich merkte, dass auf der letzten Seite im Buch noch ein Foto war. Merkwürdig, als ich das Buch das letzte Mal in der Hand hielt, war es noch nicht da.

Ich schlug die Seite auf und erstarrte sofort. Dort zu sehen war das Selfie von mir und Yamaguchi. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und er strahlte. Besonders seine Augen strahlten. Wie der gesamte Sternenhimmel. Ich wollte ihn nochmal sehen, diesen Himmel, aber ich hatte es kaputt gemacht.

Ohne es zu bemerken, hatte ich angefangen zu weinen. "Ich dachte, dass du dich vielleicht darüber freuen würdest", sagte meine Mutter, die plötzlich im Türrahmen stand. "Ja Mutter, es ist wunderschön. Danke."

Show me the stars in your eyes [Tsukishima × Yamaguchi]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt