Iwaizumi x Oikawa

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Helloo! x3
ganz kurz:
Es geht weiter in meiner Quarantäne-Reihe! Und ja, eine weitere Pairing Geschichte ist schon in Planung.
Das ist meine erste IwaOi Geschichte. Eine weitere Kurzgeschichte ist in Planung. Einfach, weil ich Oikawa sehr liebe. Ich kann ihn und sein Innerstes so gut verstehen. Dieser Charakter ist so komplex und tiefgründig. Wehe, jemand sagt etwas gegen mein Baby. <3 (Okay, sie sind alle meine Babies... xD)

Von der Länge her bin ich auch etwas eskaliert. Aber... ich mag die Story gern. Sehr gern. Und meine Beta auch. (Franzi, wenn du das liest: Du bist wundervoll. Danke für all deine Unterstützung! Ohne dich würde ich niemals so motiviert an die Stories gehen. Lieb dich.<3)

Viel Spaß beim Lesen x3 
xoxo chaoskingdom
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„Iwa-chan!", flötete es durch die Wohnung.
Stille.
Scheinbar fühlte sich niemand dazu verpflichtet zu reagieren.
Sekunden verstrichen.
Wie die Ruhe vor dem Sturm.
„Iwa-chaaaaan!", rief er, diesmal fordernder. Mit einem quengeligen Unterton.
Abermals blieb eine Antwort aus.
Der Namensinhaber verschwendete keinen Gedanken daran, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes als seine Excel Tabelle zu legen.
Das Missachten wurde nach einem kurzen Augenblick mit einem noch lauteren und verärgert klingendem „IWA-CHAAAAAAAAAAN!" bestraft.
Dem Braunhaarigen kribbelte es in den Fingern. Er wollte aufstehen. Wollte dem Besitzer der Stimme in einem harschen Ton die Meinung geigen. Eine Ader an seiner Schläfe zuckte schon verdächtig, aber er hatte sich geschworen der Provokation nicht nachzugeben.
Einen Tag. Er wollte doch nur einen Tag ohne irgendwelche Zwischenfälle an seinem Projekt arbeiten. Aber mit diesem Mann war das nicht möglich.
Und er war sich sicher, dass es auch diesmal nur irgendeine Kleinigkeit war, aus der Oikawa wieder mal einen Elefanten machte. Darin war er ein Meister.
Iwaizumi atmete tief durch, setzte die Kopfhörer auf und widmete sich wieder seinen Daten.

Komplett in seine Aufzeichnungen vertieft, bemerkte der Braunhaarige nicht einmal, dass jemand den Raum betrat.
Mit verschränkten Armen und tippenden Fuß blieb er neben ihm stehen.
„Iwa-chan!", hallte es nun lautstark durch den Raum.
Er zuckte zusammen, drehte sich zu dem Neuankömmling und streifte sich die Kopfhörer von den Ohren.
„Sag mal, ignorierst du mich?!", kam es mit aufgeplusterten Wangen von Oikawa.
„Was willst du?", seufzte Iwa entnervt, ohne weiter auf die Frage einzugehen. Die wenigen Minuten Ruhe waren anscheinend erst einmal vorbei.
„Ich bin dein Verlobter! Was wird deine liebende, bessere Hälfte wohl wollen?", schnaubte der Profisportler.
Mit Zeigefinger und Daumen die Nasenwurzel massierend, fragte Iwaizumi in einem bemüht ruhigen Ton: „Laberkawa. Was. Willst. Du?!" Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ein Blick, der die Hölle hätte zufrieren können, ließ er in Richtung Oikawa wandern. Wenn er ihm jetzt nicht einen triftigen Grund für seine Störung präsentieren würde, konnte er für nichts mehr garantieren.

„Ich will natürlich deine Aufmerksamkeit. Was denn sonst?"
Das war's. Er würde den hoch gewachsenen Spieler bei der nächsten Gelegenheit mit einem Kissen im Schlaf ersticken.
Tadelnd schüttelte Oikawa seinen Kopf und grinste wieder selbstgefällig. Der Unterton hatte deutlich Iwaizumis Intelligenz in Frage gestellt.
Natürlich, wie hatte er auch vergessen können, dass der große Oikawa Tooru Mittelpunkt seines Lebens war?
Den Blick starr auf seine knetenden Hände gerichtet, antwortete Hajime: „Letzte Warnung, Shittykawa. Was ist los?!"

Oikawa spürte die aufgeladene Atmosphäre und konnte sie fast mit seinen Fingern greifen. Er wusste ganz genau, wann er lieber den Anweisungen seines Verlobten folgen sollte.
„Unsere Vorbestellung von Animal Crossing ist da!" Zur Bestätigung seiner Aussage hielt er sein Handy vor sein Gesicht mit der Mail vom Postzentrum. Hajime sah ihn nur weiterhin mit hochgezogenen Brauen an.
„Fährst du mich zur Packstation?", fragte Tooru mit einem lieblichen Augenaufschlag und setzte dabei sein schönstes Lächeln auf.
Die Falten seines Freundes gruben sich tiefer in seine Stirn.
„Die fünf Minuten kannst du auch laufen."
„Aber es regnet!"
„Dann nimm' halt 'nen Schirm."
Mit diesen Worten drehte sich Iwaizumi in seinem Stuhl wieder seiner Arbeit zu.

„Du willst mich alleine nach draußen schicken? Was ist, wenn ich mich mit dem Virus anstecke?"
Mit einer Hand auf der Stirn und das Gesicht zu einem gequälten Ausdruck verzogen, versuchte Oikawa wieder die Aufmerksamkeit seines Freundes zu bekommen. Als daraufhin keine Antwort kam, lunzte der Volleyballer zu Hajime. Die Hände zum Herzen führend fügte er hinzu: „Und dann werde ich elendig sterben!"
„Darüber macht man keine Witze, Oikawa."
„Das war kein Witz!"
Wieso war Iwaizumi so herzlos? Wollte er nicht auch jede freie Minute mit seinem Liebsten, ihm, verbringen? Welcher Mensch hatte nicht das Bedürfnis nach Nähe?!
Etwas umständlich schob sich Tooru auf den Schoß seines Verlobten. Das Gesicht zu ihm gewandt und die Arme auf dessen Schultern abgelegt, rutschte er so nah wie möglich an Iwaizumis Oberkörper.
„Biiitte, Hajime.", flüsterte er in sein Ohr. Küsste ihn auf die Schläfe. Fuhr mit der Nasenspitze über die sonnengebräunte Haut.
Ein gewinnendes Lächeln umspielte Oikawas Lippen.

Lange Finger fuhren über eine breite, muskulöse Brust. Hoch über den Halsausschnitt des Shirts bis zum Kiefer, der rau vom Drei-Tage-Bart war. Lippen streiften Lippen. Schokoladenbraune Iriden trafen auf Waldgrüne.
Mit seinem Schritt rieb er auffordernd gegen Iwas Unterleib und zwinkerte ihm keck zu.

„Deine kleine Einlage bringt dir überhaupt gar nichts."
Stocksteif und ohne jegliche Regung ließ Iwaizumi die Prozedur über sich ergehen. Dass seine Lust jedoch verzweifelt versuchte wie ein wildes Tier aus ihm herauszubrechen, versteckte er.
„Oh man, Iwa-chan! Ständig bist du nur am Arbeiten!", jammerte der Große.
„Weil ich mich um mein Team kümmern muss! Ich hab' nicht einfach nur frei, so wie du. Du weißt doch, dass dieses Jahr Olympia gewesen wär'. Jetzt sind die ganzen Trainingspläne für'n Arsch und ich hab' den Ärger am Hals. Wie soll ich mich da noch zusätzlich um jedes deiner Wehwehchen kümmern?"
Flüsternd und bereits wieder auf den Bildschirm vor sich fokussiert fügte er an: ,,Du raubst mir echt den letzten Nerv."

Die Quarantäne Zeit war für beide hart. Seit sie aus der Oberschule raus waren, hatten sie nicht mehr so lange aufeinander gehockt.
Oikawa war damals für drei Jahre nach Brasilien gegangen und hatte dort mit vielen ausländischen Spielern trainiert und gelebt. 2019 war er dann von einem argentinischen Talentscout angesprochen worden und hatte es in die Volleyball Startelf geschafft.
Iwaizumi hatte derweil in Japan sein Studium zur Sportmedizin begonnen und erfolgreich abgeschlossen. Vor einem Jahr war er nach Kalifornien gegangen, um bei Utsui Takashi Junior Trainer zu werden.
Sie hatten für viele Jahre eine Fernbeziehung geführt. Was Oikawa mehr gestört hatte als Iwaizumi.
Was nicht bedeutete, dass der Ältere ihn nicht liebte. Im Gegenteil. Es hatte ihre Verbundenheit gestärkt. Auch die kleine Pause, die sie 2018 einlegten, hatte sich richtig angefühlt. Klar, Iwaizumi hatte ihn vermisst und in keiner Sekunde daran gedacht, jemanden anderen zu daten. (Wenn der Junior Trainer sich erst einmal an jemanden gebunden hatte, war das für immer. Egal, welche Widrigkeiten eine Beziehung mit sich brachte.)
Er genoss seinen Freiraum. War nicht dafür gemacht ständig in Zweisamkeit zu leben , dachte er zumindest. Er war gern allein. Liebte die ruhigen Abende auf der Couch mit einem guten Whisky. Nutzte die große Liegefläche seines Bettes komplett aus. Er hatte sich an dieses Leben gewöhnt.
Doch genauso sehr liebte er auch die Nähe seines Freundes. Die süßen Küsse vor dem Schlafen gehen. Das gemeinsame Kochen. Wenn Tooru da war, hatte er viel mehr soziale Interaktion, weil Oikawa sich gern bei ihren alten Schulfreunden einlud. Selbst seine eigene Wohnung strahlte mit der Quasselstrippe eine ganz andere Atmosphäre aus. Er fühlte sich dann irgendwie heimischer. Auch, wenn er sich hütete, das vor seinem sowieso schon selbstbewussten Verlobten zuzugeben.

Das Wiedersehen nach einem Jahr Beziehungspause war überwältigend gewesen. Nach 383 Tagen hatten sie sich endlich wieder in die Arme schließen können. Sich spüren können. In Iwaizumis Bauch hatte ein Schwarm Schmetterlinge Loopings vollführt. Ein Kribbeln war über seinen gesamten Körper gehuscht. Mit einem Lächeln der Extraklasse hatte Tooru ihm die Röte ins Gesicht getrieben und in Kombination mit dessen Duft waren alle Gefühle zielsicher runter in seinen Schritt gewandert. Er hatte es kaum ausgehalten, einfach nur neben ihm zu stehen.
Aus einem Impuls heraus hatte Hajime ihm einen Heiratsantrag gemacht. Ohne Vorbereitung. Ohne Ring. (Diesen hatten sie erst ein paar Tage später gemeinsam bei einem Juwelier gekauft. Toorus Augen hatten dabei einen wunderschönen Glanz angenommen.) Aber es hatte sich richtig angefühlt und er bereute es nicht, auch wenn Oikawa zeitweilig eine Nervensäge sein konnte. Er wollte ihn einfach für immer an sich binden.

„Achso, ich nerve dich also." Oikawa rückte von ihm ab. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
„Ja, aktuell gibst du da echt alles!"
„Schön, dann gehe ich eben allein!" Ruppiger als beabsichtigt entfernte sich der Spieler. Missmutig stapfte er in den Flur und zog sich seine Schuhe an. In seine Jeansjacke eingehüllt und mit Mundschutz bewaffnet, schnappte er sich seinen quietschbunten Regenschirm. Bevor er die Wohnung verließ, rief er: „Du nervst mich übrigens auch!"
Und damit knallte er die Tür zu.

Mit Tränchen in den Augen lief er im strömenden Regen zu der Packstation. Sie war nicht weit entfernt. Aber Oikawa hatte gehofft, dass Iwa ihn fahren würde. Und vielleicht hätte er ihn dann dazu überreden können, etwas beim naheliegenden Inder für das Abendessen zu holen.
Er selbst hatte keinen Führerschein. In Brasilien hatte er das nicht gebraucht. Abgesehen davon, ließ er sich eh lieber von Iwaizumi kutschieren.
Zum 25. Geburtstag bekam der Ältere von ihm eine Spritztour mit einem Sportwagen geschenkt. Hajimes Liebe zu schnellen Autos war Tooru schon in der Mittelstufe aufgefallen.

Dass Hajime ihm allerdings sowas ins Gesicht klatschen würde, hätte er nicht gedacht. Es tat weh. Sehr sogar. Sein Partner hatte einen ziemlich wunden Punkt getroffen.
In den letzten drei Wochen war die Luft zwischen ihnen immer kälter geworden. Oikawa lag deswegen oft allein im Bett, streckte seine Hand in die Höhe und besah sich seinen Verlobungsring.
Ob Iwa-chan es bereute ihn gefragt zu haben?
Würde ihre Beziehung durch den Lockdown in die Brüche gehen?
(Er hatte dazu eine erschreckende Statistik im Internet gefunden. 50% der Paare ließen sich scheiden oder trennten sich, wenn sie zu lange ihren ‚Freiraum aufgeben' mussten.)
Es waren diese zwei offenen Fragen, die Tooru jedes Mal Bauchschmerzen bereiteten. Eine unbändige Angst schnürte ihm seinen Brustkorb zu. Er wusste selbst, dass sein Charakter nicht einfach war. Dass er ab und an nervte. Aber Iwaizumi war immer derjenige gewesen, der von klein auf bei ihm war. Ihn unterstützt hatte. Ihm geholfen hatte. Seine Beliebtheit hatte Iwa nie abgeschreckt. Stets hatte er ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Er kannte jede seiner Marotten und war trotzdem bei ihm geblieben. Er liebte ihn doch ... oder?
Schon in frühen Jahren hatte er sein Herz an seinen besten Freund verloren. Lange waren seine Annäherungsversuche auf Abweisung gestoßen bis sein Kampfgeist im letzten Jahr an der Oberschule fast vollständig erloschen war. Und dann, kurz vor der Abschlussfeier, hatte Iwaizumi ihn auf ein richtiges Date eingeladen! Ab diesem Zeitpunkt hing er noch mehr wie eine Klette an Hajime. Hatte ihn keinen Moment aus den Augen gelassen. Wollte ihn unter keinen Umständen an ein hübsches Mädchen oder einen anderen Jungen verlieren. Iwaizumi hatte nie ein Wort darüber verloren, wohlweislich ihm Oikawas Verhalten aufgefallen sein musste.

Ihre Fernbeziehung war nervig gewesen. Er hätte sich gewünscht seinen Partner viel öfters zu sehen. Ein Grund, warum er jetzt die Zeit zusammen mehr als genoss. Beziehungsweise genießen sollte, denn scheinbar beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit. Dieses Wissen schmerzte.
Jetzt gerade wünschte er sich diese Zeit zurück in der sie haltlos miteinander am Telefon flirteten. In der sie sich jeden Morgen und Abend ein lustiges Selfie mit Liebesbekundungen schickten. In der sie nicht immer ganz jugendfreie Sachen via Videochat machten. In der sie einfach glücklich waren. Nie stritten.
War es besser, wenn zwischen ihnen hunderte Kilometer lagen?
Warum fiel ihnen das Zusammenleben so schwer? Hatte er etwas falsch gemacht? Oder liebte Iwaizumi ihn nicht mehr? Hatte sein Verlobter möglicherweise schon jemand anderen gefunden? Jemand aus seinem Team? War er selbst zu anstrengend? Hatte er ihn jetzt mit seinem Charakter vergrault, wie so viele andere? Was war es?
Seine Gedanken spielten verrückt. Drehten sich im Kreis. Er musste sich dringend beruhigen.

Regen platschte auf den Schirm. Perlte von den Seiten ab und bildete einen traurigen Ring um den groß gewachsenen Mann.

Nach Minuten des Grübelns kam endlich die hiesige Packstation in Sicht. Mit schnellen Schritten erreichte er das gesuchte Fach und holte ein kleines Päckchen aus dem Inneren. Ein Lächeln zupfte an seinem Mundwinkel. Nach monatelangen Warten hielt er nun endlich das Spiel in der Hand. Das Spiel, was er mit seinem Freund gemeinsam hatte beginnen wollen. Der jetzt genervt von ihm war und andere Dinge im Kopf hatte.
Mit hängendem Kopf machte er sich auf den Heimweg.

Ohne den anderen noch einmal anzusprechen, schlürfte Oikawa in das Wohnzimmer. Riss das Paket auf und steckte mit leuchtenden Augen das Spiel in seine koralle farbene Nintendo Switch light.
Mit einem Kribbeln in den Fingern begann er das Spiel.

Innerhalb von ein paar Stunden hatte er sich seine eigene kleine Welt aufgebaut. Seine Nachbarn waren ein süßes Kaninchen, das ihn ein bisschen an Shouyou erinnerte, und ein langweiliges, blaues Eichhörnchen, dass er nun zu vergraulen versuchte. (Er wollte keinen imaginären Tobio in seiner Welt haben.) Die Insel hatte er ganz bescheiden ,,Tooru's magical world" genannt und wartete händeringend auf neue Besucher. Bei Instagram hatte er gesehen, dass es ein Einhorn gab. Nachdem was er darüber gelesen hatte, wäre er der perfekte Nachbar.
Eigentlich hatte er vorgehabt, sobald die ersten Aufgaben erledigt waren und seine Insel vorzeigbar aussah, abwechselnd erst Iwas Insel zu besuchen und dann seinen grummeligen Freund auf seiner herumzuführen. Ein nettes virtuelles Date, bei dem sie romantisch am Strand spazieren gingen, während sie nebeneinander auf der Couch zusammengekuschelt saßen. Das war jedenfalls sein Plan gewesen. Nun fühlte er sich nicht mehr danach.
Ein Seufzen glitt über seine Lippen. Er starrte sehnsüchtig durch den Flur auf die geschlossene Tür von Schlaf- und Arbeitszimmer.
Bestimmt war Iwaizumi froh ihn nicht ertragen zu müssen.
Der Gedanke schmerzte noch immer, aber er versuchte ihn gekonnt mit einem kleinen Angelausflug in seinem Spiel zu verscheuchen.

~

Die Abendsonne tauchte die Wohnstube in ein dunkles Orange. Der hübsche Spieler bekam von dem Naturschauspiel nichts mit. Zu sehr war er in seine neue Welt vertieft. Nicht mal der Hunger trieb ihn in die nebenliegende Küche. Stattdessen begnügte er sich mit Brotchips, die er unter dem Couchtisch gefunden hatte.

„Tooru? Was hältst du von Gemüsepfanne zum Abendbrot?" Iwaizumi erschien in der Tür und sah erwartungsvoll zu seinem Freund, der nicht auf seine Frage zu reagieren schien. Dabei musste er ihn gehört haben. Sie trennten noch nicht mal zwei Meter. Seine Wohnung war nicht sonderlich groß.
Unberührt spielte Oikawa weiter an seiner Switch.
„Hallooo? Erde an Tooru?"
Ohne vom Spiel aufzusehen antwortete dieser: „Ich habe keinen Hunger."
Hajimes Blick fiel auf die fast leere Chipsdose.
„Kein Wunder, wenn du die ganze Zeit diese Dinger in dich reinstopfst.", sagte er mit einem Schmunzeln.
Tooru blies nur seine Wangen auf und drehte sich mit dem Rücken zu ihm.
„Gut, dann schmoll' halt weiter. Ich mache mir jetzt zumindest Essen."
Bevor er mit einem Kopfschütteln das Zimmer verließ, griff er sich vom Couchtisch sein Exemplar von Animal Crossing: New Horizons. Sollte sein Freund doch weiterhin die beleidigte Leberwurst spielen. Er würde sich jetzt einen entspannten Abend machen.
In den ganzen Jahren hatte er niemanden kennengelernt, der so nachtragend war, wie Oikawa, die Prinzessin.
Genau das machte das Zusammenleben so spannend, aber auch nervenaufreibend. Er fragte sich, ob ihre Beziehung nur deshalb so unbeschwert lief, weil sie die meiste Zeit getrennt lebten. Es kam nicht oft vor, dass Oikawa ihn mit seinem Drama zur Weißglut trieb. Normalerweise kam er mit seinen Spielchen ganz gut zurecht. Schließlich war er das schon von Kindesbeinen an gewohnt.
Und, es war ja auch ein Teil seiner Persönlichkeit, die er so sehr ins Herz geschlossen hatte. Sein Leben wäre nur halb so aufregend, wenn Tooru ihn nicht ständig mit einer neuen Idee aus dem Bett zog.
Natürlich hatte er schon öfters darüber nachgedacht, mit seinem Verlobten zusammen zu ziehen. Nicht, dass das in der nächsten Zeit passieren würde. Oikawa stand für die nächsten Jahr noch unter Vertrag und er lebte hier in seiner kleinen Zwei-Raum-Wohnung.
Aber irgendwann könnte er sich vorstellen mit Tooru ein Eigenheim zu beziehen. Dann wäre es zwar vorbei mit der Ruhe und er würde wieder täglich mit Oikawas ausladender Persönlichkeit zurechtkommen müssen, aber das würde ihn gar nicht so sehr stören, wie er allen anderen immer glauben machen wollte. War der Profispieler überheblich, zu sehr von sich selbst überzeugt und eine weinerliche Nervensäge? Ja, aber deswegen liebte er ihn nicht weniger.

~

Es vergingen zwei Tage, in denen Hajime fast keinen Ton von seinem Freund hörte. Nicht mal zu ihrer morgendlichen Joggingrunde wollte sich Tooru überwinden.
Er kannte diese Seite an ihm zur Genüge. Irgendwie war es schon fast süß, wie er zusammen gekauert auf dem Sofa saß und hochkonzentriert an seiner Switch drückte. Oikawas Zunge war zwischen seinen Lippen sichtbar und zuckte unruhig hin und her. Das war immer ein Zeichen davon, dass Tooru sich gerade nur körperlich auf diesem Planeten befand.
Meistens hielt diese Phase nur ein paar Stündchen an. Oikawa konnte nie lange auf Harmonie verzichten, obwohl er zum Großteil der Grund für die Auseinandersetzungen war. Zum letzten Mal war der Profispieler so sauer gewesen, als Iwaizumi letztes Jahr keine Zeit gehabt hatte, ihn vom Flughafen abzuholen.
Er gönnte ihm seine kleinen „Auftritte" und genoss in der Zeit die Ruhe.

~

An Tag drei hielt er es nicht mehr aus. Er beschloss also sich einfach neben seinen Verlobten auf die Couch zu werfen, goss sich einen Schluck Whiskey ein und begann von seinem Teller mit gebackenem Blumenkohl zu naschen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie Oikawa immer kurze Blicke zu dem Essen warf. Unter höchster Selbstkontrolle gab Iwaizumi dem Zucken in seinen Mundwinkeln nicht nach. Es war schon süß, wie Tooru wie ein kleines verirrtes Reh in der Ecke der Couch kauerte.

Als sein Freund sich mit starrem Blick auf seine Nintendo Switch erheben wollte, zog Iwa ihn an der Hüfte wieder zurück auf das Sofa.
Mit einem protestierenden Ächzen landete Oikawa unsanft auf seinem Hintern.
„Auaaa, Iwa-chan. Was soll das denn?", murrte der Größere.
„Oooh, der Herr kann sprechen.", erwiderte Hajime in einem falschen, überraschten Ton. „Du bleibst jetzt hier neben mir sitzen. Du hattest genug Zeit zum Schmollen."

Das zerknautschte Gesicht Oikawas sprach Bände. Es war immer noch nicht das, was er von Iwai hören wollte. Er schmollte doch nicht! Nahm Iwaizumi ihn überhaupt ernst? Die letzten Tage hatte er sich immer mehr in seinen Gedanken verstrickt. Diese Beziehung mit Hajime war ihm wichtig. So wichtig, dass er, sollte er sich jemals zwischen Volleyball und seinem Verlobten entscheiden müssen, immer seinen Partner wählen würde. Verdammt, er würde selbstlos das letzte Milchbrötchen auf Erden seinem Liebsten überlassen.
Sein Brustkorb schnürte sich schmerzvoll zusammen. In seinen Augenwinkeln sammelten sich heiße Flüssigkeit und er musste mehrmals blinzeln, dass sie sich nicht den Weg nach draußen bahnten. Wenn Iwa sah, dass er schon wieder den Tränen nahe war, war er doch nur noch genervter von ihm, oder?
„Komm, Mund auf, das Essen kommt geflogen!" Mit dem Mund ahmte Iwaizumi Geräusche eines Flugzeugs nach. In seiner Hand hielt er ein Stück Blumenkohl.
„Iwa-chaaampff-" Ein kleiner Brocken des Kohls wurde bestimmend zwischen seine Lippen gepresst. Funken tobten in seinen Augen, während er mit vollen Wangen an dem Stückchen kaute. Er war immer noch sauer auf Hajime. Aber verdammt, sein Essen schmeckte mal wieder fantastisch. Zur Untermalung meldete sich sein Magen klischeehaft.
„Uuuund hier kommt der nächste Happen mit dem Zug. Tchuktchuktchuk." Bereitwillig öffnete Tooru seinen Mund für die Köstlichkeit.
„Feeein. Und jetzt kommt die Feuerwehr mit einem dritten Stückchen. Tatütatataütata!"
„Iwaaa, ich bin doch kein Kind mehr."
„Mund auf!"
Brav öffneten sich wieder seine Lippen. Es fiel Oikawa immer schwerer seinen Unmut aufrecht zu erhalten, wenn sich sein Verlobter so benahm. Eine wirklich seltene Gemütsregung.
Zärtlich strich Iwaizumi eine verlorene Strähne aus Oikawas Stirn.
Ihre Augen trafen sich.
„Wieso benimmst du dich dann wie eines?"
„Mach ich nicht!" Nach einem Blick in Iwais Gesicht fügte er hinzu: „Du hast doch gesagt, ich nerve dich! Dabei will ich nur so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen, bevor ich irgendwann wieder nach Argentinien muss! Ich habe mich so unfassbar auf diese gemeinsamen Wochen gefreut, aber wahrscheinlich beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit! Ich will nicht eines der Statistik Paare werden, die sich nach dem Lockdown trennen! Ich vermisse dich so sehr, vermisse dich immer noch, weil ich das Gefühl habe, dass wir uns voneinander entfernen! Obwohl du neben mir sitzt, habe ich das Gefühl, dass zwischen uns ein riesiges Loch ist. Ich habe so Angst davor, dass du mich satt hast. Dass du all das mit mir bereust. Dass du Schluss mit mir machst...", schniefte er zum Ende hin. Er hatte sein Innerstes präsentiert und fühlte sich nun dem Kommenden schutzlos ausgeliefert.
Stille legte sich über beide, die Oikawa unerträglich die Atemwege zuschnürte.
Iwaizumi durchbrach sie als Erster:
„Niemals würde ich mich von dir trennen. Ich hab' dich auch vermisst, Tooru."
„Ja, aber wahrscheinlich nicht so sehr wie ich dich ... Ich nerve dich doch, das hast du mir ziemlich deutlich gesagt.", flüsterte Oikawa.
„Du weißt, dass ich meinen Freiraum brauche. Ich muss Arbeiten, Shittykawa. Und ... das weißt du auch." Hajime sprach sanfter, versuchte den Ausdruck seines besten Freundes zu entschlüsseln.

Während Iwa jeder Bewegung seines Verlobten folgte, zog Oikawa es vor, jeglichem Blickkontakt aus dem Weg zu gehen. Es tat weh, dass Iwa ihm nicht widersprochen hatte.
„Ich dachte eigentlich, wir könnten zusammenziehen, wenn mein Vertrag in zwei Jahren ausläuft. Da ... da wollte ich wieder zurück nach Japan kommen.Zu dir ..." Unruhig biss der große Spieler auf seine Unterlippe.
Wieder verstrichen Sekunden, bis Iwaizumi zögernd antwortete: ,,Dann bräuchten wir definitiv eine größere Wohnung. Allein schon um dein Ego zu verstauen." Versöhnlich lachte er leise über seinen kleinen Witz. Als er keine Antwort erhielt, fuhr er fort. ,,Natürlich will ich mit dir zusammenziehen, Dummkopf. Ich freue mich sogar schon sehr darauf ... Ich liebe dich. Alles an dir. Und von ganzem Herzen."
Endlich hob Oikawa den Blick. Die schokobraunen Augen wurden immer größer. „Wirklich...?" Hajime legte sachte seine Hand an die weiche Wange seines Liebsten. „Wirklich. Ich bereue rein gar nichts, was mit dir zu tun hat."
Nun konnte Iwaizumi sein Lächeln auch nicht mehr verbergen. Instinktiv strubbelte Hajime durch die seidigen Haare.

„Warum muss es mit dir eigentlich immer Drama geben?", stichelte der Ältere.
Oikawa plusterte die Wangen auf und schien sich plötzlich wieder lieber für das Muster auf der Couch zu interessieren.
„Gar nicht wahr, Iwa-ch-hmpf-" Der Protest wurde von schmalen Lippen unterbrochen. Blinzelnd und mit großen Augen sah er auf die geschlossenen Lider seines Freundes.
Er spürte, dass der Mund des anderen sich zu einem Lächeln verzog, ehe der Kuss gelöst wurde. Stirn an Stirn saßen sie sich gegenüber. Sahen sich in die Augen. Ihr Atem vermischte sich.
Iwaizumis grüne Seelenspiegel hatten einen wunderschönen Glanz angenommen. Oikawa verlor sich in ihrer Unendlichkeit. Er wollte diesen Moment einfangen. Hajime sah ihn viel zu selten so an. So verliebt. Es war magisch. Als wäre er der einzige wichtige Mensch auf Erden. Das war Balsam für seine Seele.
„Doch. Du bist die größte Dramaqueen, die mir je untergekommen ist, Tooru.", lachte der Ältere rau und stahl ihm einen weiteren Kuss.
„Manchmal frage ich mich, wie ich mich in meinen idiotischen besten Freund verlieben konnte."
„Weil ich unwiderstehlich bin!", erwiderte Oikawa nun wieder selbstsicher und zwinkerte ihm keck zu.
Lächelnd verdrehte Iwaizumi die Augen. „Ich kann dir sagen, das war definitiv nicht der Grund."
„Waaaas?", rief der Jüngere mit immer höher werdender Stimme. „Das kann nicht sein! Iwa-chaaan! Du bist gemein!", heulte er gespielt und schob die Unterlippe nach vorn.
„Nach über 20 Jahren solltest du dich mittlerweile daran gewöhnt haben.", erwiderte der Sporttrainer achselzuckend. Stand auf und ging mit den Händen in den Hosentaschen Richtung Küche.
„Lass uns etwas kochen."
„Au ja! Fütterst du mich dann wieder?", fragte Oikawa mit leuchtenden Augen und stolperte aufgeregt über seine eigenen Beine vom Sofa.
„Vergiss es. Du hast zwei gesunde Hände."

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