Kapitel 5

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Juliana blieb noch einige Minuten einfach auf ihrem Platz sitzen. Sie wusste nicht recht, was sie von diesem Lucas halten sollte. Was sollte diese Einladung überhaupt? Als ob sie sich mit ihm - oder sonst jemanden - ausgerechnet um Mitternacht in einem verlassenem Haus treffen würde. Ganz bestimmt nicht! Eigentlich war damit alles gesagt. Es würde kein Treffen geben. Doch das Problem war, dass sie sich selbst auch davon überzeugen musste. Irgendetwas an ihm veranlasste sie dazu, dieses Treffen, noch nicht komplett aus ihren Gedanken zu verdrängen. Vielleicht lag es aber auch an ihrem leicht angetrunkenen Zustand. Sie war zwar seit gut einer Stunde auf unalkoholische Getränke umgestiegen, allerdings fühlte sie sich trotzdem irgendwie leicht beschwipst.
Es war Zeit für sie zu gehen. Ihre Freundinnen waren wahrscheinlich auch schon längst, und womöglich, mit irgendwelchen Typen nach Hause gefahren. Und sie hatte schon von Beginn an, nicht wirklich Lust auf Party gehabt.
Sie entleerte ihr Glas mit einem großen Schluck, stand auf und drängte sich durch die, immer noch zahlreichen, Leute. Nachdem sie sich ihre Jacke, bei der Garderobe geholt hatte, hoffte sie auf dem Parkplatz, schnell ein Taxi zu bekommen. Doch sie musste warten.

Ihr Blick kreiste über den dunklen Parkplatz, wo einige ange- und betrunkene Männer und Frauen, versuchten etwas klar im Kopf zu werden, oder so wie sie, auf ein Taxi warteten.

Sie sah sich eine Zeit lang um. Doch irgendetwas stimmte nicht. Sie fühlte sich beobachtet. Jedoch konnte sie nicht ausmachen, wer sie so eindringlich ansah. Sie konnte es aber dennoch spüren. Ein Blick, der keine Sekunde von ihr wich. Sie zitterte leicht und war sich sicher, dass dies nicht nur der Kälte zu verschulden war. Sie wollte hier so schnell wie möglich weg.

Nachdem sie beim ersten Taxi zu langsam war und eine Gruppe von Jungs, die sie nicht wirklich für alt genug hielt, um überhaupt schon Einlass in eine Disco zu bekommen, weggeschnappt wurde. Konnte sie das zweite ankommende Taxi für sich behaupten. Erst als sie dem Taxifahrer ihre Adresse genannt hatte und dieser langsam den Parkplatz verließ, verschwand dieses Gefühl beobachtet zu werden. Zurück blieb ein Kribbeln, dass sie nicht einordnen konnte.

* * *

Es war bereits mittags, als Juliana aus einem unruhigen Schlaf erwachte. Und ihr erster Gedanke galt ihrer gestrigen, unheimlichen Bekanntschaft. Sie hatte Angst gehabt. Ein Gefühl, das sie schon vom ersten Augenblick, als sich der gutaussehende Fremde, nun bekannt als Lucas, ihr näherte, beschlichen hatte. Zu Anfangs war sie nicht sicher, was dieses sich plötzlich einschleichende Gefühl war. Doch als der braunhaarige Mann ihr nach der recht ungewöhnlichen Verabschiedung noch einen letzten Blick zu warf, traf es sie auf einmal wie ein Schlag. - Angst. Selbst jetzt schien es als würde allein der Gedanke an den attraktiven Lucas, sie starr werden lassen vor Furcht. Etwas mit ihm stimmte nicht. Und alles an ihm roch förmlich nach Gefahr, dennoch war da noch etwas anderes, dass sich langsam an die Oberfläche schlich. Neugier. Lucas weckte ein Interesse in ihr, dass sie so nicht kannte.
Verwirrt und Durcheinander kroch sie unter ihrer Bettdecke hervor, ihr Haar in alle Richtungen abstehend. Sie hatte wahnsinnige Kopfschmerzen und einen brennenden Durst. Doch bevor sie sich daran machte irgendwo, hoffentlich, Kopfschmerztabletten auszugraben, führte ihr Weg sie in ihr kleines, aber dennoch gemütliches Badezimmer. Sie sparte es sich gleich beim ersten Anlauf einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sie konnte sich vorstellen, dass ihr Anblick nicht gerade hinreißend sein würde. Immer noch etwas verschlafen drehte sie den Wasserhahn auf, um dann endlich ihren brennenden Durst mit kaltem Wasser zu stillen. Danach hielt sie ihren, immer noch schmerzenden Kopf unter den eiskalten Wasserstrahl, was ihr aber doch etwas zu kalt war, aber sie war nun definitiv wach.
Juliana konnte es nun nicht vermeiden doch noch einen Blick in den Spiegel zu werfen. Wie vermutet sahen sie zwei angeschwollene Augen an, dunkle Augenringe umrahmten ihre grau-blauen Augen und sie konnte sich nicht einmal über ihren Anblick wundern. Sie hatte, als sie endlich zu Hause in ihrem großen, bequemen Futonbett lag, keine Ruhe finden können. Ihre Träume von dunklen, gefährlichen Augen, rissen sie immer wieder aus dem Schlaf. Sie wusste nicht genau, was sie geträumt hatte. Doch zwei Worte hallten immer noch in ihrem Kopf, so als wären sie eine dunkle Vorahnung. - Gefahr und Tod.

Nach einer dann doch noch etwas gründlicheren Morgenwäsche, begab sie sich in ihre Küche. Sie hatte eine aus Küche, Bad und Schlafzimmer bestehende Wohnung im oberen Teil des Hauses ihrer Eltern. Sie war froh, so ihre Ruhe haben zu können, allerdings waren ihre Eltern sowieso wieder einmal auf Reisen. Sie wusste nicht einmal genau wohin. Die beiden etwas über 50-jährigen waren andauernd unterwegs, wenn sie Zeit dazu hatten. So auch dieses Mal.
Ein kleines, aber ausreichendes Frühstück, bestehend aus einer Schale Müsli und einem Tee, später befand Juliana sich in einem, immer noch, ähnlichen Zustand wie kurz nach dem Aufwachen. Einziger Unterschied war, dass die nach langem Suchen gefundenen Kopfschmerztabletten ihren Dienst erfüllt hatten und sie nun keinen schmerzenden Schädel mehr hatte. Auch war ihr Magen nun wenigstens etwas gefüllt. Sie hoffte, dass ihre Gedanken nun klar genug waren um sich einen Reim auf die komische Begegnung mit diesem Lucas zu machen. Doch es wollte ihr immer noch nicht so recht gelingen. Sie wusste nicht, was sie von der ganzen Sache halten sollte. Und woher dieses Angstgefühl kam. Ebenso erschrocken war sie darüber, dass immer wieder die Worte des Dunkelhaarigen in ihrem Kopf zu hallen schienen. Sie sollte einfach ignorieren, was geschehen war. Doch aus irgendeinem Grund wollte es ihr nicht gelingen. Es war klar, so klar wie selten etwas war, dass er sie in dem alten leerstehendem Haus nicht mit einem Candle-Light-Dinner überraschen würde. Ganz zu schweigen davon, dass das Ganze um Mitternacht stattfinden sollte. Für wie dumm hielt er sie? Dennoch verhinderte irgendetwas in ihr, dass sie die Erinnerungen an die letzte Nacht einfach auslöschte und nicht weiter darüber nachdachte. Sie fragte sich selbst voller Bestürzung: Du hast doch nicht wirklich vor zu dem Treffen zu gehen?

Es war, als würde die Antwort die sie erhielt nicht von ihr selbst kommen und sie versuchte verzweifelt, diese Stimme zu ignorieren, die sagte: Doch ich ziehe es in Erwägung vielleicht zu dem Treffen zu gehen.
Sie schaffte es nicht. Und zu ihrem Horror schien diese Stimme immer überzeugter zu werden. Und als das »Vielleicht« und »Ich ziehe es in Erwägung« plötzlich keinen Platz in dem Satz mehr hatten. Und einzig und allein ein »Ich werde zu dem Treffen gehen« in ihrem Kopf erklang, schrak sie wie von einer Trance erwacht aus ihrem Gedanken hoch. Erschrocken über ihre eigenen Gedanken. Denn ihre Logik hatte sie nicht verlassen. Sie wusste, es war gefährlich. Und etwas in ihr schrie auf. »Es bedeutet deinen Tod!«

Die Entscheidung nicht zu gehen, konnte sie nicht treffen. Vielmehr schien es, als müsste sie sich selbst mit aller Macht davon überzeugen nicht zu gehen. Nur nebenbei, fiel ihr wieder ein, dass jemand sie beobachtet hatte. Auf dem Parkplatz, als sie auf das Taxi gewartet hatte. War es vielleicht Lucas?

Mondlicht Rendezvous (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt