Juliana konnte es nicht fassen. Sie stand tatsächlich vor ihrer Wohnungstür und war bereit, die warmen Räumlichkeiten zu verlassen und sich dem dunklen Regenwetter zu stellen. Nur weil sie immer noch - unbegreiflicherweise - mit dem Gedanken spielte, zu dem Mitternachtstreffen mit ihrer Disco-Bekanntschaft Lucas zu gehen.
›Warum?‹, fragte sie sich immer wieder selbst und fand keine wirkliche Antwort darauf. Es wäre einfach dumm von ihr, wenn sie sich auf diese dubiose Einladung einlassen würde. Doch gerade diese drohende Gefahr war das, was sie an diesem Treffen reizte. Ein Blick in den Spiegel machte ihr bewusst, dass sie auch noch versuchte, dem gutaussehenden Lucas zu gefallen. Ihre Lippen hatte sie in einem unauffälligen Rotton bemalt. Dunkler - vorausschauenderweise wasserfester - Mascara, ließ ihre blau-grauen Augen dunkel erscheinen. Ihr gewelltes Haar hatte sie jedoch außer Acht gelassen. Zum Einen, weil egal was sie mit ihren Haaren anstellte, es irgendwie immer gleich aussah, zum anderen, da eine aufwendige Frisur die immer wieder aufkommenden Regenschauer wahrscheinlich sowieso nicht überstanden hätte.
Ja oder Nein? Sie erwischte sich dabei, wie sie immer wieder zur Tür ging, fest entschlossen sich mit Lucas zu treffen, dann jedoch wieder zurückwich. Unentschlossenheit war eine ihrer Schwächen. Ihr grau-karierter Regenmantel wartete nur darauf, endlich das zu bekommen, wofür er geschaffen war. - Einen Regenschauer. Sie hatte sich das gute Stück gerade erst gegönnt und noch keine Gelegenheit gehabt ihn einzuweihen. Das war doch ein wirklich guter Grund endlich loszufahren.
Tatsächlich trat sie wenige Sekunden später vor die Tür. Kurz war sie dem Unwetter ausgesetzt, dann saß sie in ihrem Auto. Es vergingen weitere fünf Minuten in denen sie scheinbar vergessen hatte, wie sie ihr Auto denn nun startete. Dann endlich fuhr sie los.
* * *
Er konnte es nicht fassen! Er beobachtete Juliana Hebell jetzt schon seit gestern Nacht. Und tatsächlich - es war eine halbe Stunde vor Mitternacht - verließ sie gerade ihre Wohnung. Sie ging doch nicht wirklich zu diesem Treffen. Er hätte nicht geglaubt, dass sie so unklug sein würde. Sie sah nicht so aus wie jemand, der sich nachts mit fast unbekannten Männern in irgendwelchen leerstehenden Häusern traf. Geschweige denn um Mitternacht. Vielleicht hatte sie aber auch etwas ganz anderes vor. Er würde es in spätestens zwanzig Minuten erfahren. Es wäre seine große Chance. Doch für Juliana Hebell barg diese Chance eine große Gefahr.
* * *
Juliana war gut zwanzig Minuten mit dem Auto unterwegs, bis sie das alte Haus erreichte. Allerdings musste sie etwas abseits parken. Das baufällige Gebäude lag etwas von den anderen Häusern entfernt. Und der Sandweg, der zum Haus führte, war nicht nur bei Regenwetter nicht befahrbar. Glücklicherweise hatte sie ihre wetterfesten Schuhe angezogen. Wieder zögerte sie. Sollte sie wirklich? Sie konnte von dieser Entfernung kein Licht erkennen. Es machte nicht den Anschein, als wenn jemand da wäre. Auch sah sie nirgendwo ein Auto. Vielleicht erlaubte sich dieser Lucas auch nur einen riesengroßen Scherz mit ihr. Trotzdem stieg sie aus. Ein leichter Wind war aufgekommen und peitschte den kalten Regen direkt in ihr Gesicht. Das war's dann mit ihrem Make-up.
Es gab, in diesem Teil der Straße, keine Beleuchtung und Juliana war etwas mulmig zu Mute, als sie durch die Dunkelheit lief, auch wenn sie nicht wirklich erkennen konnte, wo sie hintrat. Sie hatte ihre Handytaschenlampe eingeschaltet, dennoch war ihre Sicht sehr beschränkt. Es war ungewöhnlich still und irgendwie begann sie zu zittern. Wohlgemerkt nicht der Kälte wegen. Sie war bereits ein ganzes Stück gegangen und hatte schon die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sie ein Geräusch hörte. So etwas wie ein knackender Ast. Und es war definitiv nicht sie, die diesen Laut verursacht hatte. Starr vor Angst blieb sie stehen. Es war doch keine gute Idee gewesen hierher zu kommen. Ganz im Gegenteil. Es war eine wirklich dämliche Idee gewesen! Genau in diesem Moment spürte sie, dass jemand hinter ihr war und immer schneller, immer näher kam. Vielleicht Lucas? Sie war im Begriff sich umzudrehen, da packte sie jemand, hielt ihr den Mund zu und zog sie mit sich an den Rand des Weges.
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Mondlicht Rendezvous (Leseprobe)
VampireAls sein Mund leise, einlullende Worte formte, fühlte Juliana sich wie in Trance, doch trotz allem vernahm sie seine Worte klar und deutlich. »Was hältst du davon, wenn wir zwei uns mal treffen? Kennst du das leer stehende Haus, nur wenige Straßen w...