Chapter 4

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Chapter 4

Ein leises Rascheln holte mich aus dem Tiefschlaf. Vorerst ignorierte ich das Geräusch, in dem Glauben, es wäre einfach nur ein Blatt draußen gegens Fenster geflogen. Nachdem ich einige Sekunden lang nichts mehr vernahm, überließ ich mich langsam wieder dem Dösen, doch kurz bevor ich wieder ins Traumland gleiten konnte, riss mich erneut ein Rascheln ins Wachsein, dieses mal viel, viel näher als das von davor. Leise folgte ein Klingeln, keine direkte Melodie, sondern eher ein Schütteln vieler kleiner Glöckchen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich realisierte, es war das gleiche Klingeln wie vorhin im Badezimmer, von dem ich geglaubt hatte ich hätte es mir eingebildet.

Erschrocken öffnete ich meine Augen, wagte es jedoch nicht mich weiter in irgendeiner Art zu bewegen. Erneut raschelte es und ich hielt den Atem an, als ich schwere Schritte auf dem Teppichboden des Gästezimmers vernahm, nicht weit von meinem Rücken entfernt. Dann Stille. Atemlos versuchte ich weitere Geräusche zu vernehmen, blickte starr gerade aus auf die Zimmertür, doch nichts. 

Gerade wollte ich aufatmen und meine Augen wieder schließen, als die Matratze sich direkt hinter meinem Kopf herabsenkte und ich spürte die Körperwärme einer Präsenz, gerade mal wenige Zentimeter von meinem Nacken entfernt. Mein ganzer Körper erstarrte. Okay. Das bildete ich mir jetzt aber nicht mehr ein, oder? Den Atem den ich darauffolgend heiß auf meiner Wange spürte verneinte dies und ich wollte auflachen, so absurd fand ich die Panik, die plötzlich in mir aufstieg. Wovor hatte ich Angst? Da war keine Möglichkeit für jemanden reinzukommen. Die Tür befand sich genau in meinem Blickfeld, das Fenster lag zwar in meinem Rücken, aber es war nur von innen zu öffnen und ich hatte vor dem Schlafen gehen zweimal überprüft ob es auch wirklich geschlossen war. Also war das alles nur ein Traum. Ja, es war ganz klar nur ein Traum. Die Sache im Badezimmer hatte mich verwirrt, deshalb träumte ich nun sowas. 

Dieses mal atmete ich tatsächlich aus, und schloss meine Augen, während mein Körper sich sichtlich wieder entspannte. Gähnend schob ich meine Hand unter meine Wange und kuschelte mein Gesicht mehr ins Kissen, ein Lächeln auf den Lippen, als mir der süße Geruch von Zuckerwatte und Popcorn in die Nase stieg. 

Ach wie gerne würde ich wieder auf eine Kirmes gehen und Zuckerwatte essen... Moment. Erneut riss ich die Augen auf, dieses mal ungläubig. Woher kam-? 

,,Hiya Dakota!~''

Erschrocken fuhr ich auf. Hektisch blickte ich mich um, mein Herz rasend in der Brust, doch niemand außer mir war noch im Raum. Leicht zitternd berührte ich mit meinen Fingerspitzen mein Ohr, spürte ganz genau den heißen, feuchten Atem, der gerade noch dort gewesen war. Doch egal wie oft ich mich umsah, es war keine Spur von jemandem übrig. Niemand schien hier gewesen zu sein, und woher sollten sie auch gekommen sein? Leise lachte ich vor mich hin, langsam an meinem Verstand zweifelnd. 

,,Dakota, Dakota, Dakota. Du solltest echt mehr schlafen.'' Kopf schüttelnd legte ich mich wieder hin, dieses mal auf den Rücken, nicht wie zuvor auf die Seite und blickte müde an die Decke. Bestimmt musste ich mich erst an diesen Ort gewöhnen. Es war nicht ungewöhnlich, dass man komisch träumte wenn man gerade erst umgezogen war, alles war noch neu und dazu kam noch Grannys Drängen wieder zu gehen, weil es hier angeblich gefährlich sein sollte. Kurz schmunzelte ich. Ich hatte soviel Angst und das wegen nichts. Bevor ich wieder meine Augen schließen wollte, folgte ich einem Gefühl und blickte nach rechts auf die Bettseite, von der ich gedacht hatte jemand hätte dort gesessen, doch wie zuvor war niemand da, dafür lag dort aber etwas anderes. In der Dunkelheit konnte ich gerade so die zerissenen Fetzen meines roten Luftballons ausmachen.

Als ich das nächste Mal aufwachte, drehte ich mich unwohl um und vergrub mein Gesicht tiefer im Kissen. Langsam schien mein Bewusstsein aufzuwachen und ich nahm immer mehr Dinge um mich herum wahr. Zum einen war da das helle Licht hinter meinen Augenlidern, das mir zeigte, dass die Gardinen geöffnet waren und die Sonne mir ins Gesicht schien. Dazu kam das Pfeifen des Teekessels in der Küche, Gran bereitete also gerade das Frühstück vor, dem Klappern der Pfannen und Teller nach zu urteilen zumindestens. Zudem merkte ich einen unangenehmen Druck auf meinem Arm, der sich taub anfühlte. Grummelnd versuchte ich ihn zu bewegen, jedoch erfolglos. Mein anderer Arm war frei und ich benutze ihn um mir meine Haare aus dem Gesicht zu streichen, bevor ich meine Augen öffnete. Direkt blendete mich das Sonnenlicht und genervt aufstöhnend, kniff ich sie direkt wieder zusammen. 

Blind tastete ich mit meinen Fingern die Umgebung ab. Die Decke hatte ich bis zu meiner Hüfte runtergeschlagen und mein Kopf lag knapp neben dem Kissen. Meinen anderen Arm fand ich nicht. Murmelnd versuchte ich mich weiterzudrehen, wodurch ein ziehender Schmerz durch meine Schulter schoß und prompt drehte ich mich wieder zurück. Zögernd versuchte ich mich in die andere Richtung zu drehen, was direkt problemlos klappte und ich seufzte erleichtert auf, als ich kühle Luft an der tauben Haut spürte. Müde hob ich meinen Arm und öffnete erneut meine Augen, sodass ich ihn betrachten konnte. Er war bedeckt mit roten Druckstellen, fühlte sich empfindlich an, als ich vorsichtig über die Haut strich. Wie es aussah hatte ich mal wieder die ganze Nacht auf meinem Arm gelegen. Genervt von mir selbst verdrehte ich die Augen und rieb mir übers Gesicht. 

Keine Minute später klopfte es an der Tür und Gran kam rein. ,,Guten Morgen, Engel, Frühstück ist fertig.'' Sanft lächelte sie mich an und kam zu mir ans Bett. Sie setzte sich an die Bettkante und strich über meine Wange, woraufhin ich sie müde zurück anlächelte. 

,,Morgen, Gran. Hast du gut geschlafen?'' Ich drehte mich auf die Seite, sodass mein Körper zu ihr zeigte und setzte mich gähnend auf. 

,,Ja, hab ich und du? Bist du wirklich sicher, dass du hierbleiben willst, Dakota?'' Ihre Stimme hatte einen besorgten Unterton und streng sah ich sie an. 

,,Granny, das hatten wir doch gestern schon. Ich werde hierbleiben. Nächste Woche kann ich sogar schon in mein Loft ziehen.'' Ergeben seufzte sie und nickt anschließend, bevor sie wieder aufstand. 

,,Na gut, du bist einfach ein zu großer Dickschädel, mit dir kann man nicht diskutieren.'' Sie grinste und mein Lachen erfüllte kurz den Raum. ,,Komm gleich in die Küche, dann können wir essen.'' Ich nickte und sie verließ das Zimmer, bevor ich aufstand und mich streckte. Mal sehen was dieser so Tag brachte.

Wir frühstückten zusammen, bevor ich ins Bad ging und mich fertig machte. Tiefe Augenringe blickten mir aus dem Spiegel entgegen und missmutig zog ich die Augenbrauen zusammen. Das kommt davon wenn man so komisch träumt. 

Ich war mir sicher, ich hatte diese Sache heute Nacht nur geträumt. Es gab keine Möglichkeit, dass es real gewesen war. Nope. Das mein Luftballon kaputt neben mir im Bett lag, konnte ich mir nicht erklären, aber dafür würde ich auch schon noch eine logische Erklärung finden. 

Kurz überlegte ich mich zu schminken, ließ es dann aber sein. Ich empfand es heute nicht als notwendig, und jemanden beeindrucken wollte ich sowieso nicht. Generell benutzte ich Makeup ohnehin nur für mich selbst und mein Wohlgefühl und nicht für andere. Ich mochte es mich selbst hübsch zu fühlen und ein bisschen Lidschatten und Eyeliner half dabei. Heute jedoch nicht. 

Ich duschte mich kurz, machte mich zuende fertig, zog mich danach an und ließ meine Haare lockig über meine Schultern fallen. Am liebsten wollte ich sie abschneiden, doch jeder sagte mir ich sollte sie so lassen wie sie waren, sie waren doch so schön und lang. Was sie jedoch vergaßen war, wie viel Pflege und Zeit sie benötigten. Ich benutzte zwei verschiedene Shampoos, Spülung, eine Lockencreme mit Kokosnuss, dazu musste ich sie halb lufttrocknen, halb föhnen und am Ende kam noch ein Pflegeöl rein. Erst dann bekamen andere Menschen meine Haare zu sehen, ohne alles, sah ich aus wie ein gerupftes Huhn. 

Ich zog meinen beigen Herbstmantel an und schnappte mir meine Gladiatoren aus meinem Rucksack, die vorne eine Stahlkappe hatten. Wenn Patrick mir wieder blöd kommen sollte, sollte er sich lieber vor meinen Füßen in acht nehmen. Leise lächelte ich bei dem Gedanken in mich hinein. Ich wusste es war gemein so zu denken, aber nach dem was er gestern gesagt hatte, fand ich, dass er von Glück reden konnte, wenn ich überhaupt noch mit ihm sprach.

Ich sagte meiner Gran Bescheid, dass ich raus ging, denn ich hatte in einer halben Stunde einen Termin mit meiner neuen Vermieterin, die mir mein zukünftiges Loft nun persönlich zeigen wollte, statt per Videochat, wie wir es in Seattle gemacht hatten. Mrs Summerson war eine bereits ältere, zierliche und freundliche Frau, die mit ihrem Mann ein Gebäudekomplex besaß und günstig Apartments und Lofts vermietete. Ich war über einen Bekannten, der auch Familie in Derry besaß, mit ihr verbunden worden und hatte mich von Anfang an gut mit ihr verstanden. Ich freute mich schon darauf sie nun kennenzulernen. 

Schnell verabschiedete ich mich mit einem Kuss auf die Wange bei Granny und huschte aus der Wohnungstür.

Beneath The Drain || p.w.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt