Prolog

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Der Schütze besah sich sein Opfer genau. Sein Pfeil würde nicht verfehlen. Er blinzelte und zupfte an der Sehne, während er die Szene von seinem erhöhten Platz aus verfolgte. Er hörte qualvolle Schreie die Nacht durchdringen, die tintenschwarz auf der Umgebung lastete. Die Elfe, die er seit Wochen verfolgte, wimmerte, während heißer Schweiß ihre Stirn herablief. Er lächelte lautlos. Bald wäre es vorbei. Er fröstelte. Der Ast auf dem er saß, um in das kerzenerhellte Zimmer sehen zu können, knarzte leise. Drei junge Elfen, gekleidet in moosgrünen Dienerroben mit geflochtenen Gürteln und weißen Hauben auf den Köpfen, standen um das Bett, in dem die Königin lag. In der Ecke lag ein Wesen. Es war groß genug, um einen ganzen Raum ausfüllen zu können und seine Schuppen glänzten wie polierte Rüstungsteile. Ein Drache. Er besah ihn ganz genau. Der Letzte, seit Argetlam Eragon und seine Drachin, dreihundert Jahre zuvor, die Eier fortgebracht hatten. Der Schütze rieb sich die kalten Hände. Erst als ein hohes Schreien, ein ursprünglicher Laut, die Stille durchbrach sah er wieder hoch. Es war soweit. Seine grauen Augen blitzten, als er den Bogen hob. Die Dienerinnen traten beiseite um der Elfe das Kind zu überreichen. Ihre Wangen waren schweißnass und tiefe Ringe hatten sich unter ihre Augen gegraben, dennoch strahlte sie, als sie das schreiende Bündel in ihre Arme nahm. Er zog einen graugefiederten Pfeil aus dem Köcher und drehte ihn seelenruhig zwischen seinen narbigen Fingern. Er strich liebevoll über das Holz, als er ihn an die Sehne anlegte. Innen hörte er die frische Mutter glücklich und erschöpft Lachen. Sie zitterte wie espenlaub. Er rührte sich nicht, auch wenn alles in ihm schrie, sich zu wärmen und die starren Gelenke zu strecken. Er durfte das Kind um keinen Fall verletzen. Sie brauchten dieses kleine, quängelnde Wesen zur Vollendung ihres Planes. Er unterdrückte ein gelangweiltes Aufstöhnen. Die Königin umklammerte das kleine Biest wie ein Ertrinkender einen Holzscheit. Wieder pfiff ihm der eisige Wind um die Ohren, als plötzlich die kleinste der Elfen in dem Raum den Kopf drehte. Sie schnupperte. Er unterdrückte ein Lachen. Sie sah aus wie ein junger Hund. Als sie mit vorsichtigem Blick die Augen, der Wandöffnung und damit in seiner Richtung zuwandte, trieb es ihm das Grinsen aus dem Gesicht. Die verdammte Elfe hatte ihn gerochen! Er hob den Bogen und zielte auf die Schläfe der Mutter, die unter dem roten Haar hervorlugte. Noch bevor die Dienerin sie warnen konnte, war die Königin Tod.

Ein Brüllen, laut wie aus tausend Kehlen, erschütterte die Welt, als der Drache seinen letzten Atemzug tat.

Eragon, Rückkehr der KönigreicheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt