Kapitel 3

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Wellen, groß wie Kull, warfen das Bood zwischen sich hin und her. Sturmböen tobten über Bord und drohten den Männern die Taue zu entreißen. Eléana selbst umklammerte eines der Seile. Dies zeigte ihr, wie ernst die Situation war, wenn die verängstigten Seemänner zugaben, dass sie stärker war als sie. Doch selbst ihre Kraft reichte kaum aus. Sie verlor Fuß um Fuß an Boden. Das Tau zerrte sie zu den kindskopf großen Spulen. Eléana keuchte auf und schrie vor Frustration, als es sie weiter zog, und lehnte sich ins Seil, doch auf den nassen Holzplanken rutschten ihre Füße immer weiter ab und fanden keinen Halt. Ein Blitz zuckte über den Himmel. An den Bordwänden befanden sich kleine Holzpflöcke, an denen sie die Seile festknoten könnte, doch bis dahin lagen noch drei, scheinbar unerreichbare Schritte. Sie war müde und erschöpft, dennoch zwang sie sich einen Schritt weiter zu gehen. Plötzlich hörte sie einen dumpfen Aufprall. Ein Tau war den Männern aus den Händen gerutscht. Der Querbalken, der dadurch frei in der Luft herum schwang, hatte einen Seemann von den Beinen, und über die Reling gestoßen. Sie riss erschrocken die Augen auf. Nasses Haar wirbelte um ihr Gesicht, vom trommelnden Regen. Sie konzentrierte sich und öffnete ihren Geist der Magie. Sie sprach nicht aus, was sie verlangte, sie ließ das Seil mit bloßem Willen aus ihren Händen rutschen und sich um den massiven Holzpflöcke wickeln. Sie keuchte erschöpft auf, doch erlaubte sich keine Pause. Die Elfe rannte an die Reling und starrte in die wirbelnde See. Weit, weit hinter ihnen sah sie den Körper des Maats im Wasser liegen. Die Wellen drückten ihn immer wieder unter die Wasseroberfläche. Eléana überlegte nicht lange und stieß sich vom Boden ab. Der eiskalte Ozean presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie mochte gar nicht erst daran denken, wie der Maat sich fühlen musste. Mit kräftigen Armbewegungen und mit Hilfe einiger Magie, kämpfte sie sich durch die riesigen Wellen, die drohten sie zu ertränken. Eléana erreichte den Seemann, doch dieser hing regungslos, während sein Körper hin und her geworfen wurde. Sie packte seinen Brustkorb mit einem Arm und spürte die erdrückende Müdigkeit. Sie hätte kaum noch Kraft. Die Anstrengung und die unerbitterliche Kälte stahlen ihre Energie. Noch einmal tauchte sie in ihre Magie ab und schoss dem schwankenden Schiff entgegen, das aussah, als würde es keine weitere Windböe überstehen. Mit letzter Kraft kämpfte sie sich an Deck, wo sie auf den Dielen zusammenbrach.

Als Eléana die Augen öffnete, sah sie die düstere Zimmerdecke der Kajüte. Vor dem kleinen Bullauge schwankte die Welt friedlich, als wären Sturm, Wind und Wellen einem bösen Traum entsprungen. Fast hätte sie es geglaubt, hätte sie nicht jeden Muskel in ihrem Körper grausam gespürt. Sie hob die leichte Bettdecke hoch und stellte ihre nackten Füße aus dem Bett. Ihre Sicht verschwand für einen Moment und sie ließ den Kopf in ihren Händen verschwinden. Dann erhob sie sich stöhnend, und zweifelsohne wenig  Anmutig, den Elfengenen zum Trotz. Sie trug eine frische Hose und einen trockenen Wams, doch sie weigerte sich, auch ihre Schuhe zu suchen. Die Haare steckte sie in einem Zopf zurück, der ihr aber locker und wirr um die Hüfte fiel.

Kaum hatte sie ihre Kajüte verlassen, schreckte sie zurück. Sie roch etwas. Etwas, das sie zurückkaufen ließ. Etwas, dass sie dazu brachte ihre Füße zu bedecken und die Haare doch einmal zu kämmen und offen zu tragen. Es war der Geruch von Gras.

Sie hatten Land erreicht.

Eragon, Rückkehr der KönigreicheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt