Kapitel 7

261 10 0
                                    

Die schneeweißen Thronsaaltore öffneten sich vor Eléanas Augen, ohne das sie jemanden erblickte, der sie aufgestoßen hätte. Sie trat hindurch und lief festen Schrittes auf die Empore am anderen Ende des Raumes zu. Ihre steten Begleiter schienen sie gleichzeitig von den neugierigen Blicken der Umstehenden zu schützen, doch zweifelte sie keine Sekunde lang an deren Absicht im Notfall alles zu tun was nötig war. Seltsamerweise gab ihr das ein Gefühl der Sicherheit.
Wie alles in dem Palast war auch der Thronsaal überdimensioniert, wunderschön und majestätisch. Bogenförmige Buntglasfenster aus weißem Marmor warfen ein schönes Licht in den Raum und die Decken zierten fremde und gleichzeitig seltsam vertraute Muster und Formen, die irgendjemand dorthin gepinselt hatte. Rechts und links bildeten Menschen eine Gasse zur Empore hin und wie alle, die sie bis jetzt in diesem neuen Land gesehen hatte, hatten sie diese bräunliche Hautfarbe. Die Frauen trugen die aufgebauschten Kleider, die ihre Schönheit jedoch seltsamerweise unterstreichen zu schien. Eléana fühlte sich merkwürdig fehl am Platz. Alle dieser Damen trugen ihre Haare in kunstvollen Frisuren, in Schnecken aufgerollt oder hochgesteckt und die Ballkleider gab es in jeglicher Farbe, solange sie nur weit ausfallend und doch Figurbetonend waren. Dann besah sie sich die Männer und senkte sofort den Kopf, weniger aus Schüchternheit, mehr damit niemand sah, wie sie sich, um ein Lachen zu verkneifen, auf die Lippen biss. Sie sah einen Mann, dessen Mode sich perfekt auf die der Dame neben ihm eingestimmt hatte. Auch seine Kleidung war aufgebauscht und feminin. Das Schlimmste jedoch waren:
Nein, sie konnte es nicht ansehen! Sie musste sofort damit aufhören, vielleicht gehörte sich das so, aber langsam traten ihr die Tränen in die Augen, weil sie das Lachen kaum mehr zurück halten konnte.
Das Schlimmste waren seine... Puffärmelchen!
Sie kniff die Lippen zusammen, den Blick immernoch "Scheu" auf den Boden geheftet. PUFFÄRMEL!
Schluss! Schluss. Sie musste sich konzentrieren. Sie atmete tief und zwang sich ernst zu werden. Sie musste an ihre Mission denken. Sie war nicht ohne Grund hier.
Langsam hob sie den Blick wieder vom Boden und sah stur gerade aus. Sie würde sich nicht länger ablenken lassen.
Eléana besah sich die Empore genauer. Drei Stufen führten hinauf. Am oberen Ende waren drei Stühle, auch wenn zwei schlichter und der Dritte zweifelsohne der Thron war. Alle waren sie besetzt von Männern und hinter jedem stand ein Drache was wohl auch der Grund für die enorme höhe der Halle war. Sie schillerten in Blau, tiefstem Purpur und strahlendem Orange und sie verspürte eine verwirrende Mischung aus Ehrerbietung und Furcht, dass sie die Augen abwendete. Der linke Mann war noch recht jung, soweit sie das beurteilen konnte. Er hatte braunes Haar und Augen, die trotz seines Alters erstaunlich ernst blickten. An seinem Haaransatz zog sich eine feine Narbe über seine Stirn und eine Falte hatte sich zwischen seine dichten und dunklen Augenbrauen gegraben. Seine Haut hatte die typische braune Färbung, wenn auch etwas heller als bei den anderen. Der Mann der rechts saß war ebenso jung und nicht minder attraktiv, wenn auch auf eine vollkommen andere Art. Man erkannte die offensichtlicheVerwandschaft zwischen ihm und seinem Bruder auf den ersten Blick, auch wenn sie vollkommene Unterschiede zu sein schienen. Sein Haar war nicht braun, es war blond. Seine Augen waren blau und schienen von innen heraus zu strahlen. Er sah ihr neugierig entgegen und hatte dabei eine solch positive Ausstrahlung, dass auch sie wieder lächelte. Dann schnellte ihr Blick in die Mitte. Sie wusste von Anfang an wer sie dort erwartete-
Eragon.
Wieder rief sie sich ihr Ziel vor Augen. Dies war ihr Weg zur Gerechtigkeit. Dies war ihre Chance, den Mörder ihrer Eltern und die Mörder ihres Volkes ihrer Strafe zuzuführen. Dies war ihre Chance den Krieg zu beenden.
Kurz vor der ersten Stufe fiel sie auf die Knie.

"Steh auf."
Sie sah und blickte Eragon direkt ins Gesicht.
"Wie ist dein Name?", fragte er freundlich, doch fest.
Vor Nervosität zitterte ihre Stimme ein wenig, wofür sie sich hasste, als sie sagte:
"Mein Name ist Eléana, Eragon Könungr, Atra Esterní ono thelduin, Mor'ranr lífa unin Hjarta onr, un du Evarínya ono varda."
Dann führte sie die elfische Geste der Ehrerbietung aus.
Eragon lächelte leicht und antwortete:
"Verzeiht, Eléana Älfa-Kona, doch über die Zeit habe ich die alten Formen der Elfen vergessen. Doch ich freue mich dich in Kemeen willkommen zu heißen. Ich denke ich spreche für alle, wenn ich sage, dass uns deine Geschichte äußerst interessiert."
Sie sammelte sich kurz. Wenn sie sich jetzt versprach könnte dies fatale Folgen haben.
"Eragon Könungr, seit ihr uns verlassen habt, haben sich viele Dinge verändert. Doch ich fürchte nicht zum Guten. Meine Eltern waren Arya Drötting und Menos Vinir Älfakyn. Beide starben vor vielen Jahren in einem Akt des Zornes und der Zerstörung."
Ich ließ meinen Worten einen Moment Zeit zu wirken.
Die beiden Brüder rechts und links, vermutlich Eragons Söhne, reagierten vollkommen unterschiedlich. Während der Blonde ehrlich betroffen schien, zeigte der Rechte keine Regung.
Anders als Eragon.
Er schluckte schwer und rang um Fassung.
"Arya... Arya ist Tod? Thorta du Ilumeo! (Sprich die Wahrheit) Sie ist nicht Tod!"
Ich sah ihn direkt an.
"Es tut mir Leid, Könungr, Vel Eïnradhin (Mein Wort)."
"Nein, es kann einfach nicht sein! Arya war ... sie ist Tod..."
Dieses Mal richtete sein Sohn(?) das Wort an mich:
"Es tut mir Leid Eléana, um den Verlust deiner Eltern."
Ich nickte ihm zu.
Eragon fuhr sich mit der Hand über den Mund und die Augen. dann sog er scharf die Luft ein und sagte:
"Ich bitte dich, rede weiter."
So fuhr sie fort:
"Seit die Elfen und die Menschen zusammen gekämpft haben, entstanden hin und wieder Mischkinder. Diese Kinder ziehen jedoch immer eine Seite der anderen vor. Entweder sie wählen unbewusst das Elfische in ihrem Blut, oder das Menschliche. Niemand hat darauf einen Einfluss. Während ein Elfisches Kind jedoch ebenso die positiven Seiten dessen genießen kann: Vermehrte Stärke, Sehkraft und Schnelligkeit, sowie die Fähigkeit auf Magie zurück zugreifen und ebenso das verlängerte Leben; Ein menschenähnliches Kind jedoch kann all dies nicht. Im Grunde genommen kann man diese Mischkinder wie ungeschickte Elfen oder elegante Menschen sehen.
Vor 38 Jahren wurde dem Menschlichen König von einer Elfenfrau so ein Mischkind geboren. Selen hatte bei seiner Geburt die Menschliche Seite gewählt, doch mit diesem Leben war er nicht zufrieden. Er gierte immer schon nach dem langen Leben und den Fähigkeiten der Elfen, was auch nach dem viel zu frühen Tod seines Vaters, und dem Beginn seiner Regentschaft natürlich nicht besser wurde. Dann begann der Schrecken für alle von uns. Selen schürte bei vielen Menschen einen tiefen Hass und eine starke Eifersucht auf die Menschen. Bald schon war es für keinen von uns mehr Sicher durch eine seiner Städte zu gehen, und so zogen sich immer mehr Elfen in den Wald zurück. Doch nicht jeder hatte diese Chance. er beanspruchte die Menschlichen Mischkinder für sich, versklavte sie unter seiner verqueren Vorstellung von Recht und verstieß und verspottete jene von uns, die die Elfische Seite gewählt hatten. Schlimmer. Er erließ Gesetze für SEINE Städte, die es den Elfenkindern unter Todesstrafe Verbot ihre Magie zu benutzen. Dies begründete er mit seinem Natürlichen Anspruch auf alles Menschliche. Meine Mutter bat ihn um die Chance sich in den Wald zurückziehen zu dürfen. Sie bat ihn darum, die Kinder entscheiden zu lassen, mit wem sie gehen sollten, und sie im Zweifelsfall der Mutter zu übergeben. Er lehnte ab."
Der Thronsaal war still. Alle Augen waren auf Eléana gerichtet als sie weiter sprach:
"An diesem Tag begannen die Exekutionen. Kinder von drei Jahren wurden den Eltern entrissen und verbrannt, weil sie einem Schmetterling die Flügelfarbe verändert hatten. Natürlich versuchten wir uns zu wehren, doch zu dieser Zeit waren kaum mehr Elfen in den Städten und die, die noch da waren, wurden irgendwie daran gehindert ihre Magie zu benutzen. Sie starben allesamt.
Natürlich wollte sich mein Volk wehren. Sie wollten aufstehen und jeden Menschen dort draußen niedermetzeln den sie trafen, doch meine Mutter erinnerte sie daran, wer sie waren, und das dort draußen ebenso ihre Ehemänner lebten und ihre Gefährten. Viele Menschen flohen in den Wald, und die Elfen nahmen sie alle auf. Doch dann verschärfte Selen die Sicherheit und kaum einer konnte mehr entkommen. Kaum einer, doch mein Vater schaffte es.
Er sprach im Sinne einer großen Gruppe, die die Behandlung der Elfen verachtete und wollte ihnen seine Hilfe anbieten zwischen ihnen zu verhandeln. So lernten sich meine Eltern kennen. Kurz nachdem meine Mutter schwanger wurde erwischte man meinen Vater, wie er sich in den Wald schleichen wollte. Sie folterten ihn, tagelang, bis er schließlich zerbrach und man ihn tötete. So erfuhr der König, das meine Mutter mich, also ein Mischkind erwartete. Er hoffte auf mich "Anspruch" erheben zu können, sollte ich die Menschliche Seite wählen. Am Tag meiner Geburt ließ er meine Mutter töten, sodass ich den Thron erben sollte. Mit ihr starb auch Fírnen, der letzte Drache Alagäsias."
Eléana sammelte sich wieder. Jetzt würde es sich entscheiden.
"Wie ihr nun wisst bin ich halb und halb. Das, und mein Alter, ist der Grund warum die Elfen mich nicht annehmen. Aber wenn sie das nicht tun endet es in einer Katastrophe, denn in diesen Zeiten führt nicht der, der am klügsten ist, sondern der, der am lautesten Schreit, und momentan gibt es zu viele, die nach einem Blutbad schreien."
Endlich sah Eragon mich wieder direkt an und ergriff das Wort:
"Und ihr? Wonach schreit ihr?"
Ich sah ihn verwirrt an.
"Ich möchte genauso Rache. Ich würde lügen wenn ich etwas anderes behaupten würde, doch ich will nicht wahllos morden."
"Was plant ihr dann, Eléana Älfa-Kona?"
Er hatte sie kalt erwischt. Was wollte sie tun?
"Ich... Ich erbitte zu allererst um ein Drachenei, um die Elfen dazu zu bringen mir zu vertrauen."
"Das ist keine Antwort."
"Ich habe keine Antwort! Ich muss nur das Schlachten verhindern."
"Und dann wirst DU die Menschen vor ein gerechtes Gericht stellen, die die unschuldige Kinder verbrennen und deine Eltern ermordeten? Also natürlich nur wenn sie sich vorher friedlich ergeben und sich deinem Urteil unterwerfen."
"Ich will kein wahlloses Massaker. Vielleicht, nein wahrscheinlich gibt es Krieg, aber das ist etwas anderes!"
"Krieg IST wahllos. Denkst du er schickt nur die schuldigen in den Kampf? Nein, er wird jeden harmlosen Bauernjungen vom Feld reißen und in eine Rüstung stecken, damit er für ihn sterben kann!"
"Wie soll ich dann Gerechtigkeit bringen?"
"Was du willst ist keine Gerechtigkeit sondern Rache, und selbst wenn Selen brutal und moralisch kalt ist und Kinderschlachtet, werden wir kein Massaker unterstützen, indem wir einen Drachen hineinwerfen. Meine Antwort ist Nein."
"Und was soll ich dann tun? Wie kann ich mein Volk schützen?"
Eragons Augen wurden weicher.
"Wer führt die Elfen im Moment?"
Hilflos senkte sie den Kopf.
"Rhunön, doch auch sie ist verbittert."
Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
"Für eine Weile wird sie den Wald schon nicht in den Untergang stürzen.
Eléana Älfa-Kona in unserer Gemeinschaft gibt es drei Möglichkeiten deinen Drachen zu verdienen.
Erstens: Du rettest einen der unsrigen. Hast du das getan?"
"Bei allem Respekt hatte ich doch die Chance dazu noch nicht, Könungr Eragon."
"Zweitens: Du findest jemanden, der für dich bürgt, doch niemand hier wird dein Vorhaben unterstützen."
Sie nickte.
"Drittens, du wirst Teil des Volkes."

Eragon, Rückkehr der KönigreicheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt