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Die konkrete Drehplanung lief sehr gut voran, wäre da nicht Aeri, die jeden Schritt ihrer Tänzer kontrollierte.

„Nick, bitte sei seriöser. Du musst einen großen Schritt nach hinten gehen – ungefähr so.", nörgelte sie und machte ihm die Tanzschritte perfekt und fehlerfrei vor. Genau so war Aeri, als ich sie zum ersten Mal kennengelernt habe und wenn ich nur bloß daran dachte, musste ich schon schmunzeln. Energisch klopfte sie in die Hände. „Bitte, macht das noch einmal, aber diesmal flüssiger." Sie gingen alle wieder in Position. Aeri sah in dem braunen Lederanzug und der Krawatte so gut aus, dass mein Herz jedes Mal einen Sprung machte, wenn sie ihren Körper geschickt von der Musik leiten ließ. Obwohl ihre Haare lang und glatt waren und ihr Gesicht mit leichtem Makeup überdeckt wurde, empfand ich etwas für sie, das ich mir nicht erklären konnte. Warum war sie bloß so attraktiv? Was hatte sie, das die meisten Frauen nicht besaßen?

„Licht. Kamera. Action!", rief der Regisseur.

Jeder von uns war müde und ausgelaugt, doch der Tag war erst halb vorüber. Ich erinnerte mich daran, dass ich sie heute Abend zu ihrem Termin mit Milky Way begleiten musste und als es dann zwölf Uhr schlug, begann jeder einzupacken. Wir machten ausnahmsweise früh Feierabend, weil sie sonst spät dran wäre.

„Danke ihr wart klasse.", hallte ihre Stimme, nachdem die Tanzschritte endlich perfektioniert wurden und der Regisseur die erwünschten Szenen im Kasten hatte. „Ihr habt euch den freien Nachmittag wohlwollend verdient." Sie verließ die Bühne, schenkte mir von weitem schon ein Lächeln, aber ich tat so, als konzentriere ich mich aufs Nähen. Als ich meinen Blick wieder suchend zur ihr wanderte, war sie gerade dabei, mit dem Regisseur über bestimmte Filmaufnahmen zu sprechen. Ihre Miene wirkte größtenteils angespannt und ernst, während sie versuchte, etwas zu erklären. Dabei machte sie ein paar Handzeichen, zeigte auf mehrere Equipments und Licher auf der Bühne, um ihre Wünsche verständlicher auszuformulieren. Manchmal hob sie einen Mundwinkel und ein Kichern glitt durch ihre Lippen, aber das war's dann auch schon. Dann kam sie zu mir. „Kommst du mir helfen?"

Ich nickte, weil ich wusste, dass sie an mehrere Knöpfe und Verschlüsse nicht drankam und folgte ihr in die Garderobe. Sie zog den Blazer aus, bevor ich den hinteren Verschluss ihrer Anzughose öffnete und mehrere Nadeln entfernen musste, da sich der Bund in letzter Sekunde als viel zu weit für ihre schmalen Taillen herausstellte.

Sie übergab mir den Blazer. „Soll ich für heute Nachmittag auch einen Anzug tragen, was meinst du?"

„Etwas lässigeres wäre angebrachter.", meinte ich. „Sonst wirkst du auf YouTube viel zu streng. Vergiss nicht, dass die Community dort entspannter und zwangloser ist."

Sie nickte einsichtig, dann glitten ihre Fingern sanft zwischen meine. „Was mache ich bloß, wenn du weg bist?"

Daran hatte ich noch gar nicht nachgedacht, aber ich lachte, weil dieser Satz so unerwartet aus ihrem Mund wisch. „Du rufst mich an.", sagte ich. Vorsichtig packte ich den braunen Lederanzug in eine Kleidertasche, damit ich den Bund noch zu Hause überarbeiten konnte.

Aeri schlüpfte in ihr langes schwarzes Hemd und eine beige Cargohose, und natürlich durfte sie die Basecap nicht vergessen. Sie hatte ihre Haare so gebunden, dass sie fast wie ein Junge aussah. Schließlich riss sie mir die Kleidertasche aus den Händen, warf sie über ihre Schultern und zeigte mir ein attraktives Lächeln. „Sollen wir?"

Wir fuhren zu ihr nach Hause, wo sie begeistert durch die Wohnung guckte. „Ah, wie es scheint, ist die Putzfrau heute gekommen." Ich konnte mir keine Grimasse verkneifen, da ich genau wusste, wie es vorher hier aussah.

„Du warst sicher schockiert, als du das letzte Mal hier warst, nicht wahr?"

„Schlimmer.", scherzte ich und schnitt eine ernste Grimasse. „So etwas hatte ich noch in meinem Leben gesehen. Ich habe mich gefühlt wie auf einer Müllhalde."

Destiny - Ich bin mir treuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt