Während Aeri schlief, saß ich vor der Badezimmertür, die ich vorher abgeschlossen habe, und war gerade dabei, mit meinem Vater zu skypen. Er versprach mir, für meinen Abschluss hier zu sein. Dann erzählte ich von Aeri.
„Tut mir leid, ich verstehe mich selbst nicht mehr.", flüsterte ich weinend.
Mein Vater, der sonst immer wusste, wie man mich tröstete, schwieg lange. Dann seufzte er derb, als wäre er enttäuscht von seiner eigenen Tochter. Enttäuscht, weil er mir immer gelehrt hatte, dass niemand mich akzeptieren würde, wenn ich das selbst nicht tat. „Das sind nur Freudentränen. Du hast dich gefunden, das ist alles.", sprach er sanft, während ich zu lächeln versuchte, doch meine Stimme klang bemitleidenswert. „Was habe ich dir immer beigebracht?"
„Tue nichts, das dich nicht glücklich macht.", betonten wir gleichzeitig wie aus einem Mund.
„Ich muss jetzt los, die Arbeit wartet."
Wir verabschiedeten uns und ich betrachtete mich anschließend im Badezimmerspiegel. Meine geschwollenen roten Augen wirkten wie die eines Goldfisches, ich kam mir selbst vor wie eine Pfeife. Meine Wimperntusche reichte mir bis zur Wange, woraufhin ich mein Gesicht kurz ins Wasser tunkte. Mit der Seife schrubbte ich dann dieses Debakel aus meiner Fresse, bevor ich wieder in das Schlafzimmer wagte, wo Aeri noch im Bett lag. Ihr Rücken war gegen die Tür gedreht, ihre Beine zusammengerollt, während sie ihr Smartphone so nahe ans Gesicht hielt, dass ich dessen Bildschirmbeleuchtung an ihr Gesicht projizieren sah.
Ich setzte mich auf die Bettkante und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Hey, es ist schon spät. Sollen wir was essen?", fragte ich leise.
Sie nickte angespannt. „Auf was hast du denn Lust?"
„Hast du was im Kühlschrank?"
„Ah ... der Kühlschrank? Dort bewahre ich nur meine Cremes auf." Mehrmals klatschte sie beide Handflächen gegen ihre Wangen. „Als Superstar muss meine Haut so schön und zart sein wie der Po eines Babys, pickelfrei." Wieder brachte sie mich zum Lachen und obwohl es schwach klang, war es dennoch echt.
„In der Küche steht also ein Riesenkühlschrank nur für deine Hautpflege?"
Sie nickte ernst, als sei das selbstverständlich. „Legst du nie deine Cremes in den Kühlschrank?" Aeri drehte ihren Körper so, dass sie ihre Schläfe auf meinen Schoß legen konnte. „Ich bin aber noch so müde."
„Kannst du mich bitte nach dem Essen nach Hause fahren?"
„Kommst du später noch in die Firma?"
Ich lachte und massierte derzeit ihre Kopfhaut. „Wieso sollte ich?"
„Ich dachte, du würdest mir beistehen."
„Ich stehe dir gedanklich bei."
Sie wendete ihren Kopf, um mir beharrlich in die Augen zu schauen. „Wie fühlst du dich?"
Ich hoffte, dass man mir meine Abgeschlagenheit nicht ansah. „Ich werde aufgrund meines Abschlussexamens nicht mehr so viel Zeit für dich haben."
Sie griff nach meiner Hand und spielte mit einzelnen Fingern von mir, legte sie auf ihre Brust. „Verständlich, aber melde ich ab und zu mal, ja?"
Ich nickte, doch tat es nicht.
Als Grund gab ich an, dass ich viel um die Ohren hatte. Was stimmte, doch je mehr Tage vergingen, desto mehr ignorierte ich ihre Nachrichten, desto mehr verpasste ich absichtlich ihre Anrufe. Ich hatte Zeit für mich gebraucht. Meine Selbstreflexion ging so weit, dass ich manche Abende allein im Zimmer hockte und vorgab zu lernen, aber jeden Atemzug, den ich tat und jeder Schritt, den ich machte, gab mir ein unangenehmes Gefühl. Meistens wurde es so unangenehm, dass ich glaubte, nicht mehr atmen zu können. Als wurde mein Hals von einer unsichtbaren Macht zugeschnürt.
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Destiny - Ich bin mir treu
RomanceZwei unterschiedliche Menschen treffen in der Musikindustrie zusammen. Das einzige, was sie miteinander verbindet, ist ihre Zielstrebigkeit und auch bald ihre Liebe zueinander. Die seit sechs Jahren verschollen geglaubte Sängerin tritt wieder in die...