Lydia

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Vorsichtig öffnete ich leise die Schlafzimmertür. Ein paar Mädchen starrten mich entsetzt an, bevor sie mir schließlich den Rücken zukehrten. „Leute, jetzt hört doch mal auf. Sie ist in unserem Haus", murmelte ein blondes, winziges Mädchen. Mir stockte der Atem.
„Quinn, jetzt hör auf mit dem Blödsinn."
Genervt verdrehte sie die Augen und wandte sich mir zu.
„Hey, du bist Lydia oder?"
Ich nickte langsam.
„Ich bin Quinn."
Ich schüttelte ihr vorsichtig die Hand.
„Ähh ja...freut mich."
Sie zog mich an den anderen Mädchen vorbei zu einem Bett.
„Das ist dein Bett. Hier wirst du schlafen. Deine Uniform liegt auch bereits darauf."
Ich weitete meine Augen und fuhr mit meinen Fingerspitzen über den weichen Stoff meiner Schuluniform. Das dunkelgrün machte diese Uniform noch viel schöner, als sie ohnehin schon war.
Quinn setzte sich auf mein Bett und löste dabei entsetztes Stöhnen der anderen Mädchen aus.
„Sie denken, dass du uns den Hauspokal kosten wirst, weil du so unerfahren wie ein Erstklässler bist."
„Quinn!", rief eines der Mädchen entsetzt „Was zur Hölle ist falsch mit dir? Du musst nicht immer alles rausposaunen!"
Quinn zuckte mit den Schultern.
„Soll ich lieber wie ihr, über sie lästern und sie dann ignorieren? Ich spreche lieber Klartext und helfe ihr dann, sich einzugewöhnen."
„Helfen? Du kennst dieses Mädchen gerade einmal 2 Sekunden und schon denkst du, sie hätte deine Hilfe verdient? Sie haben dich damals definitiv ins falsche Haus gesteckt. Das kann man oft genug nicht sagen!" Das Mädchen schaute auf Quinn herab, als wäre sie eine Abscheulichkeit für dieses Haus.
„Nur weil ich nicht zu jedem gemein bin, der sich in meiner Reichweite befindet, bedeutet das nicht, dass ich nicht zu Slytherin gehöre!"
Die anderen Mädchen tuschelten und starrten mich kurz darauf wieder an.
„Wie dem auch sei, dann viel Spaß mit deiner kleinen Freundin. Uns kann sie auf jeden Fall gestohlen bleiben!"
Jetzt ballte ich entsetzt meine Fäuste. Wie konnte man nur so ignorant sein?
„Ich stehe direkt neben euch! Wenn ihr mir etwas zu sagen habt, sagt es mir gefälligst ins Gesicht!"
Ruhe kehrte im Schlafzimmer ein.
„Ich habe nicht vor, dafür zu sorgen, dass ihr den Hauspokal nicht bekommt. Ich werde mein Bestes geben und noch mehr. Wenn ihr nicht mit mir befreundet sein wollt, dann ist das so. Aber hört auf schlecht über mich zu sprechen. Besonders wenn ich direkt neben euch stehe!"
„Das wollen wir mal hoffen, ansonsten wirst du sehen, was du davon hast. Streng dich an oder du wirst es bereuen."
Entsetzt schaute ich dem schwarzhaarigen Mädchen nach, welches sich nun in ihr Bett legte und mich keines Blickes mehr würdigte. Die anderen Mädchen folgten ihr. Mit Ausnahme von Quinn.
„Sie gewöhnen sich noch an dich. Dafür sorge ich schon", flüsterte sie mir zu und klopfte mir auf die Schulter. Ich lächelte gequält und seufzte. Das wollte ich aber wirklich  hoffen. Was wäre denn der Sinn darin, doch nach Hogwarts zu gehen, wenn mich jetzt jeder hier hassen würde? So hatte ich mir meinen ersten Schultag auf keinen Fall vorgestellt. Morgen begann der Unterricht und ich hoffte, dass wenigstens dieser gut ablaufen würde. Ansonsten hätte ich wohl ein gewaltiges Problem. Der Tag würde mit „Verteidigung gegen die dunklen Künste" beginnen. Mein Spezialgebiet. Zumindest hoffte ich das.


„Da bist du ja, Lydia." Erleichtert seufzte ich, als ich Quinn hinter mir entdeckte. „Ich habe dich schon überall gesucht. Warum warst du nicht beim Frühstück?" Ich strich mir eine meiner braunen, lockigen Haare hinters Ohr. „Ich war einfach zu nervös. Ich wollte sichergehen, rechtzeitig da zu sein und mir vorher noch etwas die Schule anschauen. Doch jetzt habe ich mich verlaufen."
Quinn schüttelte den Kopf.
„Hast du nicht. Zumindest nicht mehr. Der Klassenraum ist dort hinten."
Sie zeigte auf eine Tür, die sich nur ein paar Meter vor uns befand. Hastig nahm sie mich an der Hand.
„Wir sind zu spät. Wir müssen einen Zahn zulegen."
Eilig stürmten wir den Gang herunter in eines der Klassenzimmer. Eine junge Professorin schaute uns verdutzt an.
„Ich... Es... Entschuldigung für die Verspätung. Ich habe mich verlaufen und Quinn hat mich gefunden."
Die Professorin hob verwirrt eine Augenbraue, aber nickte schließlich.
„Mrs. Dumbledore, nicht wahr?"
Ich nickte langsam.
„Ich bin Professor Merrythought. Bitte unterlassen sie das Zuspätkommen ab sofort. Das macht 5 Punkte Abzug für Slytherin."
Mir stockte der Atem. Die anderen Slytherin Schüler sahen mich bereits an, als wollten sie mich alle am liebsten umbringen.
„Doch da Mrs. Prayer sie gefunden hat und ihnen geholfen hat, erteile ich weitere 5 Punkte für Slytherin."
Erleichtert seufzte ich und auch die Blicke der anderen Schüler entspannten sich.
„Wie ich gerade erklären wollte, werden wir heute überprüfen, was Sie noch aus dem letzten Jahr wissen. Ich teile ihnen einen Partner zu und Sie werden all die Zauber einsetzen, die ihnen im Kampfe nützlich sein könnten. Doch bitte versuchen Sie ihren Partner nicht schwer zu verletzen."
Ich schluckte. Nicht schwer verletzen? Aber verletzen?
„Mrs.Prayer, Sie gehen bitte mit Mrs. Baker zusammen."
Sie deutete auf das schwarzhaarige Mädchen, welches mir gestern eine Ansage erteilt hatte. Sie teilte die weiteren Paare ein, doch eigentlich hörte ich ihr überhaupt nicht richtig zu. Ich war viel zu nervös vor dem ersten Kampf. Aber ich freute mich auch darauf. Es war schließlich das erste Mal, dass ich an einem Unterricht teilnahm. Erst als sie meinen Namen nannte, riss sie mich aus meinen Gedanken.
„Mrs. Dumbledore, mal sehen... Ich möchte gerne wissen, in wie weit sie die Zauber bereits beherrschen. Und mit wem können wir das besser testen, als mit dem besten Schüler der Klasse. Sie treten gegen Mr. Riddle an."
Mir fiel die Kinnlage herunter. Das durfte doch wirklich nicht wahr sein. Doch nicht nur ich war entsetzt. Die ganze Klasse starrte Professor Merrythought entsetzt an und tuschelte.
„Professor, das können Sie nicht machen. Tom hat noch nie gegen jemanden verloren. Er ist stärker als wir alle zusammen. Kann sie nicht gegen mich antreten? Sie hat doch noch gar keine Erfahrung!", rief Quinn entsetzt.
Professor Merrythought schüttelte den Kopf.
„Ich möchte sehen, was sie schon kann. Und irgendjemanden muss ich Mr. Riddle zuteilen, auch wenn er unser ungeschlagener Zauberer ist."
Tom verdrehte genervt die Augen und stellte sich neben mich. „Na dann, lass es uns hinter uns bringen." Ich nickte langsam. Ein wenig schüchterte mich Quinns Aussage ein, doch das würde ich ihm auf keinen Fall zeigen. Ich würde alles geben, um diesen arroganten Mistkerl verlieren zu sehen.
„Weißt du überhaupt, wie ein Duell abläuft?"
„Ich bin nicht total bescheuert. Ich habe all das auch gelernt", entgegnete ich genervt.
Wir verneigten uns voreinander und drehten uns daraufhin um. Wir gingen ein paar Schritte , bevor wir uns wieder einander zuwandten. Wir machten uns bereit und hoben unsere Zauberstäbe, während Professor Merrythought das Kommando erteilte. „ 3...2...und 1!"
„EXPELLIARMUS!", rief ich, doch Tom wehrte diesen Zauberspruch ab.
„INCARCERUS!", feuerte Tom los und fesselte mich mithilfe seines Zauberspruches. Ich fiel zu Boden und löste ein arrogantes Lachen seinerseits aus.
Ich schrie auf, doch ich kannte den passenden Gegenfluch.
„DIFFINDO!" Ich hob den Zauberspruch auf und stellte mich wieder hin.
Tom wirkte merklich überrascht und hob seine Augenbraue.
„STUPOR!", schrie ich und schleuderte ihn damit nach hinten.
Die anderen Schüler hatten aufgehört zu zaubern und waren mittlerweile um uns herum versammelt.
Tom wollte gerade seinen Zauberstab heben, doch ich war schneller.
„OBSCURO!" Dieser Zauber legte ihm eine magische Augenbinde um. Die anderen Schüler um uns herum staunten. Tom erinnerte sich nicht schnell genug an den jeweiligen Gegenzauber, denn ich hatte bereits einen neuen Zauber gesprochen.
„PETRIFICUS TOTALUS!"
Er erstarrte und kippte blitzschnell um. In der Klasse kehrte Beifall ein und auch Professor Merrythought schien mehr als begeistert. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen, als ich Riddle dort liegen sah. Er warf mir einen wütenden Blick zu, was in mir noch mehr Schadenfreude auslöste.
„Ich sehe Mrs. Dumbledore ist bestens vorbereitet. Vielleicht haben wir endlich eine ebenbürtige Gegnerin für Mr. Riddle gefunden."
Tom kochte vor Wut, während ich der Professorin nur ein freundliches Lächeln schenkte.


Nach dem Unterricht schlenderte ich erneut verwirrt durch die Schule. Dieses Gebäude war einfach riesig. Wie sollte man sich da bitte nicht verlaufen? Doch jeder einzelne Zentimeter dieses Schlosses war wunderschön. Diesmal hatte ich mich direkt an die anderen Slytherin Schüler gehalten und ging ihnen hinterher.
„Du hast es Tom aber wirklich gezeigt", erklärte Quinn staunend.
„Ich habe mein Bestes gegeben und überhaupt. So gut ist er auch wieder nicht."
Quinn riss erschrocken die Augen auf.
„Sag ihm das am besten nicht ins Gesicht. Wenn er das mitbekommt, hast du morgen vielleicht schon einen Todestrank im Essen."
Ich verdrehte die Augen.
„Ich habe keine Angst vor diesem Typen."
„Solltest du aber!" Ihre Stimme war etwas lauter geworden. Sie formulierte es wie eine Warnung.
„Warum sollte ich Angst vor ihm haben?"
„Das haben alle. Er ist so unvorstellbar mächtig und jeder weiß, dass er... naja... er ist böse." Das Wort „böse" flüsterte sie so leise, dass ich es nur schwer verstanden hatte.
„Böse? Was meinst du damit?"
„Er macht jeden fertig, der ihm in die Querre kommt, also sei bitte klug und mach einen Bogen um diesen Typen. Ich liebe Aufstände, aber gegen Tom solltest du keinen starten, denn dann wirst du verlieren."
Mir stockte der Atem. Hatte dieser Typ wirklich eine so unvorstellbar einschüchternde Wirkung auf seine Mitschüler?
„Ich werde mich nicht vor ihm fürchten. Das gibt ihm doch nur Genugtuung. Außerdem ist er einfach nur ein arroganter, ignoranter Typ, der Anderen Angst machen will, um cooler zu wirken. Wenn du mich fragst, ist er einfach nur schwach."
„Schwach? Tom Riddle und schwach? Na sowas habe ich auch noch nicht gehört."
Ich seufzte und betrat das nächste Klassenzimmer, in dem ich nun „Zaubertränke brauen" lernen würde.
„Ich sag dir mal was, Quinn. Ich habe keine Angst mich mit ihm anzulegen, er soll sich nur bloß nicht mit mir anlegen."
„Du bist mit Abstand das mutigste und vielleicht auch lebensmüdeste Mädchen, das mir je begegnet ist, Lydia."

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