Kapitel 4 „Kim Seokjin"

147 17 2
                                    

Pov. Seokjin

„Guten Morgen Herr Kim, ich werde bei Ihnen den Verbandswechsel erledigen, bevor Dr. Kim nach Ihnen und den anderen Patienten schauen kommt.” teilte mir eine Schwester freundlich mit und machte sich kurz danach ans Werk.

Teilnahmslos sah ich ihr dabei zu, ließ den gestrigen Tag Revue passieren und dachte dabei wehleidig an meine Kinder. So lange waren sie noch... ein gleißender Schmerz schoss durch mein rechtes Bein und reflexartig schrie ich auf.

„Entschuldigen Sie.” bat sie mich und nahm die Hände von meinem Stumpf.
So ganz realisiert, dass das halbe Bein von mir weg war, hatte ich noch nicht und daran gewöhnen wollte ich mich ebenfalls nicht.

Alles in mir sträubte sich dagegen.
„So fertig.” sagte sie nun heiter zu mir und packte ihr Verbandsmaterial ein.

Bevor sie ging, dankte ich ihr und nahm mein Essen entgegen, wirklich Appetit erregend sah es nicht gerade aus.

Angeekelt nippte ich an der lauwarmen Suppe und verzog sogleich mein Gesicht.

“Bah. Das ist ja nur Wasser.” schimpfte ich nuschelnd und schob die Brühe von mir weg.

Die restliche Zeit über langweilte ich mich und sah ab und an fern, doch schlief ich überwiegend, da ich die Nacht über kein Auge zubekommen hatte.

Namjoon verschwand einfach nicht aus meinen Gedanken.

„Aaaaah! Ich kann nicht mehr liegen. Nein das geht nicht.” sprach ich zu mir selbst und schlug frustriert meine Hände über dem Kopf zusammen.

Vorsichtig umfasste ich daraufhin mein rechtes Bein und hob es mit zusammengebissenen Zähnen an, um es sachte zur Seite zu bewegen, bevor ich mein halbwegs gesundes Bein nachzog.

An der Bettkannte sitzend atmete ich einmal tief durch und stellte kurz danach entschlossen meinen nackten Fuß auf den kühlen Laminatboden.

Ich drückte mich mit aller Kraft von der Matratze ab und kam leicht schwankend, nach mehreren Versuchen, zum Stehen.

Triumphierend grinste ich und sah mich kurz nach dem besten Weg um, um zum Fenster zu gelangen.

Nach kurzem Zögern ließ ich das Geländer des Bettes los und hüpfte nach vorne, doch überschätzte ich mich und kam ins Taumeln, bevor ich schreiend zu Boden ging.

„Jin! Alles gut bei dir?” hörte ich Namjoons entsetzte Stimme und drehte mich schmerzerfüllt auf den Rücken um.

„Seh...ich etwa... so aus?” fragte ich ihn scherzend und zog meine Beine an meinen Oberkörper.

„Ai. Nicht bewegen!” ordnete er mir an und kam schnellen Schrittes auf mich zu.

Er umgriff behutsam meinen Oberkörper und meine Augen sahen die seinen zum ersten Mal von solch einer Nähe. Dabei spürte ich seinen warmen Atem auf meiner Haut und prompt überzog mich ein angenehmer Schauer von Kopf bis Fuß.

Während wir uns wie paralysiert ansahen, zog er mich enger an sich heran, mein Herzschlag verdreifachte sich und vorsichtig wagte ich es, meine Arme hinter seinem Hals zu überkreuzen.

Seine Brille rutschte dadurch einige Millimeter von ihrem sonst so standhaften Platz, gefolgt von mehreren Strähnchen seines, so unfassbar flauschig aussehenden, Haares und ließ mich innerlich kichern.

Wie gerne ich sie ihm aus seinem Gesicht streichen wollte, nur um meine Hand nebenbei auf seiner Wange ruhen lassen zu können.

Bei diesen Gedanken stieg mir die Hitze in den Kopf, was durch seine wachsamen Augen, die meine wunderschöne Persönlichkeit genauestens betrachteten, nicht besser wurde.

Ein Knistern lag in der Luft und in mir machte sich eine wohlige Wärme breit. Wieso fühlte ich mich nur so wohl bei ihm? Doch tief im Inneren kannte ich die Antwort schon längst.

Unsere Gesichter kamen sich weiter nahe, ich spürte wie seine Lippen meine vorsichtig streiften, bevor er plötzlich seinen Kopf schüttelte, als wolle er irgendwelche Gedanken wegbekommen und mich daraufhin behutsam auf meinem Bett absetzte.

Geknickt blickte ich gen Boden, ich konnte verstehen, warum er so handelte, doch wünschte ich mir, dass ihm das Patienten-Arzt-Verhältnis egal wäre.

Sobald ich ihn wieder ansah, baute er sich vor mir auf und schaute mich tadelnd an, als wäre nichts gewesen.
„Was hast du dir dabei gedacht einfach aufzustehen?” fragte er mich entrüstet.

„Ich wollte zum Fenster gehen, um ein bisschen hinaus zu sehen und um mich vor allem bewegen zu können.” gab ich kleinlaut und schuldbewusst zurück.

Er sollte sich lieber nicht zu sehr um mein Wohl sorgen, gerade weil er Arzt war, musste er doch Angst um seine Lizenz haben.

Er sagte nichts dazu, sondern kniete sich vor mir hin.

Überrascht zog ich die Luft ein und verkrampfte mich automatisch, als seine kalten Hände mein linkes gesundes Bein abtasteten.

Während er dies tat, murmelte er etwas vor sich hin und entgegnete mir mit ruhiger Stimme: „Alles gut.”  und fügte hinzu: „Ich schaue nur nach, ob du durch deinen Sturz noch mehr Verletzungen erlitten hast. Aber soweit scheint alles gut zu sein.” sagte er mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und hob seinen Kopf.

„Wie geht es deinem rechten Bein?” fragte er mich neugierig und begutachtete die Amputation.

„Gut so weit. Ist zwar noch nicht ganz in meinem Kopf angekommen, aber es geht ihm gut.” antwortete ich und betrachtete sein wunderschönes Gesicht. Wie konnte er nur so gut aussehen? Das war doch mein Part.

„Jin?” erklang seine Stimme und eine Hand fuchtelte vor meiner Nase herum “Alles gut? Du warst so abwesend.”

„Hm? Ja... ja alles prima.” sagte ich mit geröteten Wangen.

Ich hatte ihn wohl länger angestarrt als gewollt, wie peinlich.

Um von dem Thema abzulenken, fragte ich schnell: „Und wann können meine Kinder mich besuchen kommen?”

Mit großen Augen musterte ich Namjoon und beobachtete, wie sich ein Grinsen in seinem Gesicht breit machte, bevor er zwei mir nur allzu bekannte Namen ausrief.

Durch die Tür hereingestürmt kamen zwei süße Engel. „Appa.” riefen sie im Chor und wollten mich Umarmen, doch hielt Namjoon sie davon ab „Sachte ihr beiden. Euer Vater ist noch nicht der Alte.” erklärte er ihnen gutmütig die Situation.

Beleidigt sah ich ihn an, doch wechselte ich flott meine Miene, als ich in die strahlenden Augen meiner Kinder sah.

„Julyn, Shiwon. Oh wie hab ich euch vermisst.” sagte ich, während mir die ersten Tränen über die Wangen liefen und nahm sie in den Arm.

Just a wallet   {Namjin}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt