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Ich fühlte mich wie in Watte gepackt. Mein Leben an mir vorbei. Doch erleben tat ich nichts. Die Party eines Freundes nicht. Und erst recht nicht die Schulzeit. Die Party. Irgendwas musste passiert sein. Nein, eigentlich war nichts passiert. Vielleicht war das ja der Grund. Weil eben nichts passiert war. Kein Brand. Keine Polizei. Keine zertrümmerten Autos. Keine Menschen in den Büschen. Wahrscheinlich war all das doch passiert. Aber eben ohne mich. Dabei war ich doch immer mit dabei. Immer. Ich lief vorne. Beschütze meine Gruppe. Wo war ich gewesen? Hatte ich überhaupt etwas getrunken? Ich musste doch etwas getrunken haben. Aber wo, waren dann die Kopfschmerzen? Wo war das nervige Pochen in meinem Kopf? Die Schwere in meinem Körper? Wo war all das?
Wie war ich überhaupt nach Hause gekommen? Wo war mein Motorrad? Ich sprang aus meinem Bett.Wennmein Motorrad weg war dann, dann. Ich riss die Wohnungstür auf und lief die drei Etagen hinunter. In Boxershorts. Schnell lief ich zu meinem Parkplatz. Da stand es. Mein geliebtes Motorrad. Sonst musste ich es nach einer durchfeierten Nacht immer irgendwo abholen. Aber hier stand es. Unverletzt. Liebevoll strich ich über den Sattel. Meins. Ganz allein meins. Beruhigt lief ich zurück zur Eingangstür. Ob wohl Post da war? Schnell öffnete ich den Briefkasten und nahm unsere Post heraus. Als ich wieder die Treppe hinauf lief schaute unsere alte Nachbarin mich strafend an: "Die Jugend von heute. Einfach schrecklich." Sie drehte sich um und schloss ihre Wohnungstür wieder. Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen. HALT! Lächeln? Ich lächelte sonst nie. Das passte einfach nicht. Wenn dann ein Grinsen. Aber kein Lächeln. Oben angekommen sah ich die Briefe durch. Rechnung. Rechnung. Werbung. Bank. Werbung. Meins. Werbung. Werbung. Schon wieder ein Brief für mich. Fast ehrfürchtig nahm ich ihn in die Hand und setzte mich auf unseren kleinen Balkon. Der eisige Wind ließ mich frösteln. Langsam begann ich den Brief zu öffnen. Natürlich ohne Absender. Doch ich wusste schon von wem der Brief war.

....

Mein Hals schnürrte sich zu. Woher wusste sie, wie ich mich gerade fühlte?'Woher wusste sie, dass ich mich in mir selbst gefangen fühlte? Woher wusste sie von meiner pechschwarzen Watte. Zum ersten Mal war sie mir irgendwie sympathisch. Und doch irgendwie unheimlich. Doch ihm nächsten Moment verzog sich mein Mund schon wieder zu einem abfälligen Grinsen. Sie fühlte sich wie eine Hollywooddarstellerin in einem schlechten Liebesfilm. Als ob. Sie wollte die Sonne berühren. Dieses Mädchen war so dumm. So unendlich dumm das ich schon fast Mitgefühl mit ihrer Dummheit hatte. Ich las weiter. Sie war Vierzehn. Vierzehn. Wieso schrieb sie mir? Konnte sie nicht mit ihren kleinen, nervigen Busenfreundinnen reden?! Ich sollte sie angestarrt haben. Als wenn ich eine kleine vierzehnjährige Schülerin anstarren würde. Ich durchwühlte mein Gedächtnis. Doch kein Bild erschien vor meinen Augen. Noch immer hatte sie nur ihren Namen. Jailyn.

Love, JailynWo Geschichten leben. Entdecke jetzt