Kapitel 2

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Ilyria 

Wir hatten seit 48 Stunden nichts gegessen, als die Feuergondel kam. Noch nie hatte ich solche erleichterten Gesichter gesehen. Wir schrien und tanzten vor Freude, als der Elementarisierer endlich lebenswichtige Atombrocken ausspuckte. Und als wir das Essen auf der Zunge zergehen ließen, konnten wir unsere Freude nicht unterdrücken. Meine Truppe saß in unserem kleinen Kellerraum und teilte sich das Essen. Alle Rationen waren noch kleiner ausgefallen als sonst, weil wir uns Vorräte anlegen wollten. Also teilten wir. Die gefräßige Stille füllte den Raum aus. 

Aber so zufrieden wir gerade alle waren, so neugierig waren wir, wo die Feuergondel verblieben war. In diesen Gondeln saßen keine Menschen, also Unfälle waren so gut wie ausgeschlossen. Das Team, das die Fahrpläne aller Gondeln plante, war zusammengewürfelt aus den besten Organisationstalenten aller Kuppeln. Und das verwunderlichste war: Dieses überlebenswichtige Fahrzeug war nirgends wieder aufgetaucht. Nicht bei uns, und auch nirgendwo anders. 

 Es waren zwei Frauen aus Kuppel C bei uns gewesen, ich hatte sie nur kurz von ferne gesehen. Die eine hatte aus der Masse herausgestochen, mit Haaren, so weiß wie das Fell eines Schneehasen. Ich hatte mal einen auf einem „Bild" der alten Zeit gesehen und seitdem waren es meine Lieblingstiere. Die andere Frau war eher unscheinbar gewesen, sie wirkte als wolle sie lieber mit der Masse verschmelzen, als sie zu beherrschen. Bloß da Kleid, das sie anhatte, schien, als würde es von innen heraus leuchten. Es war tiefblau, fing jeden Lichtstrahl in der Kuppel auf und warf ihn tausendfach zurück. Die Steinchen zogen sich bis zu ihrer Taille. Noch nie hatte ich ein so imposantes Kleidungsstück gesehen, ich hätte es gern aus der Nähe betrachtet. Aber ich wollte nicht zu nah heran gehen, denn die Devise hieß: Lieber keine Aufmerksamkeit erregen, sonst endest du in irgendeiner Ecke eines überdimensionierten Hauses und siehst zu, wie die Menschen dort in ihrem Reichtum schwelgen. 

Also schaute ich von ferne. Ich hatte zwei meiner treuesten Begleiter dabei gehabt, auch sie waren beeindruckt von den beiden gewesen. Sie waren aufgetreten, als würde ihnen die Welt gehören. Genau so wie ich sie mir vorgestellt hatte. Bei ihnen war die Welt in Ordnung, sie hatten alles was sie brauchten und mehr. Die Frauen hatten sich Dinge aufgeschrieben und hatten einige Zeit diskutiert. Ich war zu weit weg um etwas zu verstehen, aber es waren sicher abfällige Bemerkungen über uns und unser Leben, das in ihren Augen nichts wert war. Unsere Lebensweise ekelte sie an, aber was konnten wir dafür? Wir wurden hier hinein geboren, uns wurde keine andere Chance gewährt! Von Kindesbeinen an hatten wir Leute sterben sehen, alte Leute unter einer Last zusammenbrechen oder unsere eigenen Eltern ihre Wunden von der harten Arbeit verstecken sehen. Ich vermutete, das die anderen das gleiche dachten. Ihr Gesichtsausdruck verriet die Abscheu unseren Vorgesetzten gegenüber. Wie Gift verbreiteten sich Gerüchte über Reiche und Arme, ohne das wir etwas dagegen tun konnten. Ich wollte es nicht glauben, aber die Geschichten der Älteren erzählten etwas anderes. Allein die Tatsache, dass sie nicht hungern mussten, wenn mal eine Ration nicht fehlte. Denen wurde sicher sowieso alles fertig in die Hand gedrückt. Mein Hass wuchs mit jedem Gedanken, der ich meiner Überlegung hinzufügte. Ich wollte etwas tun, aber was?

 Die Lösung wurde mir quasi zugeworfen, als wir mit Essen fertig waren. Ein schmächtiger Typ kam auf mich zu, die Schultern unterwürfig zusammengezogen. Erst als ich ihm versichert hatte, das ich ihm nichts tun würde, wurde er etwas gesprächiger. „Ich habe etwas mitgehört, ich bin zu den beiden hingelaufen! Die Frau mit den weißen Haaren heißt Ylve und sie hat etwas von einer Neubesetzung der Organisationsebene geredet. Sie meinte, dass jeder mitmachen darf, sogar Sklaven, aber sie müssen gebildet sein. Du wirst anscheinend so einem Test unterzogen und wenn du erfolgreich bist, wirst du genommen. Mehr weiß ich nicht, ich hoffe du kannst damit was anfangen."Er zuckte mit den Schultern, so als hätte er mir bloß unterbreitet, das das Wetter draußen schön war und nicht eine Möglichkeit, ganz nach oben zu kommen. Ich fiel ihm um den Hals und umarmte ihn stürmisch. Er wusste zuerst nicht, dass er mir so eine Chance gegeben hatte, erst als ich ihm erklärte, warum ich so ausflippte, fingen seine Augen an zu strahlen.

Ilyria&Nevera-Dangerous SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt