Nevera
Mein Herz klopfte so stark, dass ich dachte, es würde mir gleich aus der Brust springen. Meine Hände in den tiefblauen Handschuhen zitterten. Ich hatte mich seit dem Ball und dem Besuch der Kuppel Y nicht umgezogen, obwohl ich schon aus meinem Fester den Sonnenaufgang sehen konnte. Meine Gedanken wollten nicht zu Ruhe kommen, nicht nachdem was ich in der Sklavenkuppel gesehen hatte.
Kleine Kinder, deren Augen und Nasen gerötet waren von der Kälte, weil sie nicht genug zum Anziehen hatten. Junge Erwachsene mit notdürftig verbundenen Wunden, geschafft vom täglichen harten Arbeiten. Wenige Alte, die sich nicht mehr bewegen konnten, weil die Sklaverei ihre Knochen gebrochen hatte. All das hatte sich in meine Netzhaut eingebrannt und spielte sich dort in einer endlosen Schleife ab. Plötzlich fühlte ich mich beschmutzt mit meinem teuren Paillettenkleid, das vermutlich auch ein Sklave gemacht hatte. Ich riss es mir vom Leib und sprang unter die Dusche.
Verzweifelt versuchte ich mir das Gefühl vom Körper zu schrubben, aber es blieb. Ich blieb nicht zu lang unter dem heißen Wasser stehen, da ich nun auch dabei ein schlechtes Gewissen hatte. Ich schlang mein Handtuch um meinen mit Gänsehaut überzogenen Körper und ließ mich aufs Bett fallen. Meine Haare durchnässten mein Kopfkissen, aber ich konnte nicht mehr. Konnte nicht aufstehen und sie trocknen, konnte mir nichts überziehen. Es war, als hätte die ganze Energie, die sich die ganze Nacht über angestaut hatte, auf einmal meinen Körper verlassen. Am liebsten hätte ich einfach die Augen zu gemacht und alles vergessen. Aber das konnte ich nicht, genauso wenig wie es die Menschen konnten, die dort unten leben mussten. Also war die einzige Chance, die ich hatte, es zu verbessern. Bei meiner neu eingenommen Machtposition dürfte das eigentlich kein Problem sein, aber wie sollte ich es anstellen, die anderen in der Führungsebene zu überzeugen, dass es eine Veränderung geben musste?
Sie waren von der Einstellung überzeugt, dass die Sklaven weniger wert waren und es deshalb auch nicht verdient hatten, ein schönes, gesundes Leben zu führen. Es war auch so einfach, das zu glauben und keinen Gedanken daran zu verschwenden, wie es ihnen wirklich ging. Auch ich war bis zu dieser Nacht so ähnlich gewesen. Zwar hatte meine Familie noch nie Sklaven gehabt, wir waren 4 Kinder Zuhause gewesen und meine Eltern hatten gewollt, das wir den Haushalt selbst führen. Aber ich hatte viele Dinge im Kleiderschrank, in meiner großzügigen Wohnung stapelten sich die Dinge. Ich hatte nie daran gedacht, wo diese Dinge herkamen oder das ich auch mit weniger Dingen auskommen würde. Mein Leben hatte so sein sollen, dass möglichst viele Leute meine Freundes sein wollten und ich so beliebt war, dass Leute mich bereits kannten, wenn ich in meine Position eintreten sollte.
Und was war jetzt übrig? Ich thronte auf den Scherben meines zerbrochenen Lebens und wusste nicht mehr, was ich nun tun sollte. Das alles sollte mich nicht so mitnehmen, schließlich war es seit Jahrhunderten so, aber vermutlich war genau das mein Problem.
„Das Mädchen wird Hürden überwinden müssen, sie ist viel zu einfühlsam" hatte meine Großmutter immer schon gesagt, aber meine Mutter hatte dann immer nur erwidert:
„Das macht sie mit Intelligenz und Persönlichkeit wieder wett!"
Ich liebte meine Mutter dafür, dass mich immer verteidigt hatte, aber meine Oma hatte recht gehabt. Die Welt war eben grausam, da konnte ich nicht klarkommen. Doch musste sie es wirklich sein? Hatten wir nicht alle etwas besseres verdient?Und mit dem Gedanken einer gerechten Welt fiel ich endlich in einen tiefen Schlaf.
Als ich wieder aufwachte, waren meine Haare trocken und zerwühlt und ich hatte nichts an. Mein Handtuch hatte sich irgendwann verabschiedet und lag in einem Wust auf dem Boden. Frierend zog ich mir meine dünne Decke nochmal über und versuchte richtig wach zu werden. Nachdem meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, setzten pochende Kopfschmerzen ein. Stöhnend schlug ich mir meine Hände gegen die Stirn. Das würde ein harter Tag...stopp. Wie viel Uhr war es überhaupt? Vage erinnerte ich mich an einen wunderschönen Sonnenaufgang, den ich mitangesehen hatte, bevor ich ins Bett gegangen war. War es etwa schon Nachmittag? So schnell, wie es meine Kopfschmerzen zuließen, sprang ich aus den weichen Kissen.
DU LIEST GERADE
Ilyria&Nevera-Dangerous Secrets
Ciencia FicciónZwei Frauen-Feuer und Wasser-ohneeinander können sie nicht. Aber wenn die Welt dich auseinanderbringen will-ist die Liebe dann so stark das sie die Welt retten kann? Die berührende Geschichte über ein Liebespaar aus zwei Gesellschaftsschichten-allen...