Bin ich noch Trans?

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2017 bekam ich die erste Dosis Testosteron gespritzt und nach jeder Spritze fühlte ich mich ein bisschen anders. Meine Stimme wurde tiefer, mir wuchsen plötzlich überall mehr Haare, meine Proportionen änderten sich etwas und ich fühlte mich allgemein wohler.Wenn ich mittlerweile ins Krankenhaus fahre und dort eine Dosis gespritzt bekomme, ist das nichts außergewöhnliches mehr. Ich kenne die PflegerInnen, die ÄrztInnen und den Ablauf.„Ist das okay, wenn die Schülerin dir die Spritze gibt?", werde ich oft gefragt.„Ja klar, wie soll man das sonst lernen", antworte ich meistens.„Du machst das ja auch schon eine Weile jetzt", merkt die eine Pflegerin an, die mir damals meine zweite Spritze gab, bei der ich ohnmächtig wurde. Damals hatte das Hormon noch so eine starke Wirkung, dass ich am ganzen Körper anfing zu schwitzen.Heute ist das nicht mehr so. Ich bekomme eine Spritze in meine Hüfte und dann kribbeln meine Beine eine Weile. Ich bleibe kurz liegen, um meinen Kreislauf zur Ruhe kommen zu lassen, stehe auf und hole mir vorne meinen nächsten Termin.Und manchmal vergesse ich, dass ich Trans bin. Ich denke dann nicht, dass ich es nicht bin. Sondern ich vergesse einfach, dass es das gibt und dass meine letzten Jahre viel daraus bestanden für meine Transition zu kämpfen, mich zu verteidigen und zu rechtfertigen.Denn jetzt geht es mir einfach gut.Es war bereits soweit, dass mir eine Therapeutin während meines Praktikums erklären wollte, was das heißt, wenn jemand „sich umwandeln lässt". Ich habe ihr dann erzählt, dass ich das aus eigener Erfahrung kenne Und dass es angleichen heißt.Manchmal bekomme ich dann verdutzte Blicke und die meisten nicken es nur ab. „Ach so, dann kennst du den Prozess also."„Ja, genau", ist dann meine Antwort.Das ist schon etwas skurril. Immerhin bin ich vor ein paar Jahren noch mitten im Stimmbruch oder sogar davor gewesen. Musste mich erklären oder rechtfertigen, wenn mich jemand mit falschen Pronomen oder falscher Anrede ansprach.Und jetzt ist es selbstverständlich.„Und Sie sind Herr...?"Selbst die Hundesitterin, die ab und zu auf meinen Kleinen aufpasst, sagt so Sachen wie: „Du bist wirklich ein gut aussehender junger Mann. Die Mädchen stehen bestimmt auf dich."Das ist schon komisch. Abgesehen davon, dass sie 86 ist, hätte so etwas vor ein paar Jahren niemand gesagt.Was soll man auf so etwas antworten?Zunächst war ich der Überzeugung, dass ich mich dann erklären muss. Dass ich mir irgendeinen Sticker auf die Jacke kleben muss, auf dem steht: „Ich bin Trans."Aber das muss ich nicht. Und wieso auch?Es ist mir egal, ob Leute denken, dass ich Cis bin. Es ist doch nur wichtig, dass sie mich richtig ansprechen und dass ich mich wohlfühle.Ich bin auch jetzt noch Trans, nach drei Jahren auf Testosteron und fast anderthalb Jahren nach meiner Mastektomie.

How To Be TransWo Geschichten leben. Entdecke jetzt