Kapitel 5

90 5 0
                                    

Geweckt wurde ich durch ein Poltern. Kurz darauf hörte ich ein flüsterndes Fluchen.
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, musste jedoch blinzeln, da ich dieses grelle Licht nicht erwartet hatte.
Ich konnte die Umrisse einer Person erkennen. War es Luca? Nein, Luca war kleiner. Moment, das ist ja gar nicht mein Schlafzimmer!
In dem Moment als ich vor Schreck schreien wollte, errinerte ich mich an den gestrigen Tag..

"Oh man, tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken." Felix sah mich mit einem reuevollem Blick an, doch ich schenkte ihm nur ein Lächeln. "Ist nicht schlimm, wird eh langsam Zeit aufzustehen. Wie spät ist es eigentlich?"

Er ließ sein Handy, das auf dem Schreibtisch lag, kurz aufleuchten. "Halb eins, warum?"
"Mittags?!"
Ich starrte ihn fassungslos an. So lange habe ich ja noch nie geschlafen! Ich habe echt Glück, dass heute Sonntag ist und ich nicht arbeiten muss.

"Gott, habe ich lange geschlafen.."
Vorsichtig machte ich mich auf den Weg in's Bad. Ich war noch völlig verpeilt, ich war immerhin grade erst aufgewacht.
Ich torkelte also regelrecht aus dem Zimmer, woraufhin Felix sich sein Lachen nicht verkneifen konnte.

Im Bad wusch ich mir erstmal das Gesicht und putzte mir die Zähne. Danach ging ich schnell duschen und rubbelte meine Haare etwas trocken. Auf Schminke hatte ich heute überhaupt keine Lust, also verließ ich das Badezimmer.

Als ich Felix' Zimmer betrat war dieser grade am PC. Er hatte mich anscheinend gehört, denn er drehte sich um und grinste.. Wie eigentlich immer.

Er ging an mir vorbei und lief mit einigen Klamotten ins Bad und schon nach kurzer Zeit konnte man das Wasser aus der Dusche prasseln hören.

Ich nutzte die Gelegenheit und zog mir schnell meine Jeans und mein Top über. Dann nahm ich mir noch schnell meine Strickjacke und schon stand Felix frisch geduscht und mit gemachten Haaren vor mir.
"Sollen wir vielleicht deine Sachen holen gehen?" Er war vorsichtig. Er fragte, als hätte er Angst etwas falsches zu sagen.

Doch ich lächelte ihn einfach nur an und nickte leicht.
"Okay, ich sag meiner Mutter eben Bescheid, dann kann sie uns fahren."
"Wir können doch auch mit der Bahn fahren, dann machen wir deiner Mutter keinen Stress." Ich wollte Helen wirklich nicht belasten. Allein, dass sie mich aufnimmt ist schon genug. Doch Felix widersprach mir.

"Nein, mit der Bahn zu fahren wär' nur viel umständlicher. Und so kannst du auch viel mehr Sachen mitnehmen."
Okay, wo er Recht hatte, hatte er Recht.
Also machten wir uns auf den Weg nach unten und wurden schon von einer gut gelaunten Helen begrüßt.

"Ach, ihr seid auch mal wach?" Sie war grade dabei Mittagessen zu kochen.
"Ja, wir waren aber auch ziemlich spät im Bett." Felix lachte und seine Mutter machte es ihm gleich.
"Mama, könntest du uns vielleicht nach dem Essen zu Neles Wohnung fahren? Wir wollten ihr Sachen rüberholen."
Sofort strahlte ihr Gesicht. "Selbstverständlich mach' ich das. Das Essen ist sowieso gerade fertig. Danach können wir sofort los."
Sie sah zu mir und ich lächelte sie dankbar an. Sie kicherte und machte nur eine abwinkende Geste.

Nach dem Essen sind wir dann auch sofort los. In dem Golf von Helen herrschte Stille. Nur manchmal fragte sie mich, wo sie denn lang fahren müsste. Sonst sagte niemand etwas.

Als wir dann vor dem Mehrfamilienhaus stehen blieben, konnte ich mich erst nicht bewegen.
Was ist, wenn Luca da ist? Wir würde er reagieren?
Nach einer Weile fing Felix an zu reden.
"Bist du bereit?" Er lächelte mich aufmunternd an. Ich erwiderte dies etwas gequält, nickte und stieg aus.

Als ich an der Tür stand und und den Schlüssel ins Schloss steckte, spürte ich schon einen warmen Körper hinter mir.

Es war Felix. Ich erkannte seinen Geruch. Nicht irgendein Parfum oder Deo. Nein, es war einfach sein eigener, frisch geduschter Felix Duft.

Ich öffnete schlussendlich die Tür und lief die Treppen in die erste Etage hoch. Ich hoffte einfach mal, dass Luca nicht da war.

Aber als ich die Wohnungstür aufschloss, war diese Hoffnung schon fort. Denn als ich den ersten Schritt in die Wohnung machte, sah schon eine Gestalt vor mir auftauchen. Ich hebte meinen Blick und das was ich da sah, war erschreckend.
Ich sah den Jungen, der mich verletzte. Den ich so sehr liebte, aber der mein Vertrauen eiskalt missbrauchte.
Luca sah überhaupt nicht gut aus. Er war nicht der charmante, lächelnde Junge mit den strahlenden Augen, so wie ich ihn kennengelernt hatte.
In seinen roten Augen, die aussahen, als hätte er geweint, konnte ich Verzweiflung erkennen.
"Nele.." Seine Stimme ließ mir eine Schauer über den Rücken laufen. Sie war kratzig und kraftlos. Er wollte auf mich zukommen, mich umarmen. Doch ich wich zurück und sah ihn verständnislos an.
"Oh mein Gott, es tut mir so Leid. Das hätte niemals passieren dürfen, bitte Nele, es war ein Ausrutscher. Ich empfinde nichts für Ella, ich liebe nur dich!"
Ist das sein verdammter Ernst?! Ich war so sauer auf ihn, aber ich starrte ihn nur emotionslos an.
"Ich bin nicht hier, um mit dir zu reden. Ich hol' meine Sachen ab."
Ich wollte an ihm vorbei in mein Zimmer, doch er hielt mein Handgelenk fest, welches ich ihm sofort entriss und ihn ansah.
"Nele, das kannst du mir nicht antun. Bitte, bleib hier.", krächzte er und Tränen bildeten sich in seinen Augen. Doch ich konnte nicht. Ich ging schnell in mein Zimmer und suchte die Kartons, die ich noch vom Umzug hatte.

Ich packte alles, bis auf die Möbel, ein.
Alles. Und das in 20 Minuten. Mit Felix Hilfe selbstverständlich. Aber trotzdem.
Mein ganzes Leben steckte nun in drei großen Umzugskartons.
Wir trugen sie aus mein Zimmer, Felix zwei und ich eine.
Kurz vor der Haustür packte mich jemand am Arm. Luca, wer sonst. Ich drehte mich um und sah in seine Augen. Augen voll Reue, Angst und auch mit einem Fünkelchen Hoffnung.

Doch ich konnte das nicht. Er hat mich verletzt. Mein Vertrauen missbraucht und mein Herz gebrochen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen.

Also schenkte ich ihm noch einen letzten Blick voller Trauer und Enttäuschung.

Und dann ging ich.

Nach jedem Ende folgt ein NeuanfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt