Es ist Heiligabend und ein Schneesturm zieht über das kleine Örtchen Last Christmas, das mitten in den Rocky Mountains liegt. Alle Bewohner strömen in das einzige Café, das so viel mehr ist. Für Mary Sue Peterson ist es ihr Zuhause und das Herz der...
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Einige stehen auf und protestieren, doch das lasse ich nicht zu. Ich halte eine Hand in die Höhe und warte, bis sich alle beruhigt haben, was eine Weile dauert, doch ich bin geduldig. Ich spüre Nolans Blick in meinem Rücken, was es nicht besser macht und trotzdem beruhigt es mich.
„Ich weiß, dass das alles ein riesengroßer Schock ist, aber wir werden eine Lösung finden. Das haben wir bis jetzt immer und es wird auch dieses Mal so sein", sage ich und merke, dass sie es mir nicht abkaufen, aber ich werde nicht aufgeben.
Vor ihnen nicht und auch sonst nicht.
„Heute ist Heiligabend und wegen des Schneesturms und dem Stromausfall fällt das jährliche Krippenspiel aus. Ich bitte euch, keine Gedanken darüber zu machen und den Abend zu genießen. Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe und der Güte", sage ich und mache eine Pause, „Der Herr wird uns beistehen, egal wie finster es auch um uns herum ist. Ich danke euch allen von Herzen, dass ihr mich unterstützen möchtet und das könnt ihr am besten, indem ihr euch die Freude bewahrt und den Abend mit Leben füllt", ende ich und atme aus.
Für einen Moment ist stille, doch dann klatschen alle wie verrückt in die Hände und ich weiß für einen Moment nicht genau weshalb, bis mir klar wird, dass sie es wegen meiner Ansprache machen.
„Kommt schon Leute!", sage ich lachend und spüre, wie ich den Tränen nahe bin. Die Nachricht hat mich mehr mitgenommen, als ich im ersten Augenblick gedacht habe.
„Wir lieben dich, Mary", rufen einige, was mich wirklich Beherrschung kostet, nicht gleich loszuheulen.
„Ich danke euch", sage ich und verteile Luftküsse, ehe ich mich umdrehe und in Richtung Büro laufe. Ich brauche einen kurzen Moment für mich und als die Tür ins Schloss fällt, kann ich die Tränen nicht länger verdrängen. Ich schließe die Augen, während sie mir über die Wangen strömen. Mein Herz zieht sich zusammen und ich zittere am ganzen Körper.
Als die Tür geöffnet wird, weiche ich erschrocken zurück und sehe Nolan vor mir stehen. Er sieht mich an und in seinem Blick kann ich erkennen, dass es ihm leid tut.
„Komm her", meint er mit ruhiger Stimme und zieht mich in seine Arme. Zuerst will ich es nicht, doch dann überwinde ich mich und kuschle mich an seine Brust, während ich meinen Gefühlen freien Lauf lasse.
Er streichelt mir beruhigend mit der Hand über den Rücken, während ich mich an ihm festklammere, als wäre ich eine Ertrinkende auf offener See, der gleich die Wellen über dem Kopf zusammenbrechen. Und genauso fühle ich mich auch, als würde mich jemand in die Tiefe ziehen, um mich für immer dort zu behalten.
„Alles wird gut, Mary", sagt er leise und streichelt mir weiterhin über den Pullover. Ich löse mich ein Stück und schaue zu ihm hoch, atme zittrig aus, als er mir eine tränennasse Strähne hinters Ohr streicht. Die Geste ist so zart, dass ich mich frage, ob ich es nur geträumt habe.
Doch als er mir die Tränen von den Wangen wischt, klopft mein Herz wie wild in meiner Brust und wieder ist da dieser Wunsch ihn zu küssen, ihm so nahe wie nur möglich zu sein.
Bevor ich mich zu etwas hinreißen lasse, bringe ich etwas Abstand zwischen uns, atme tief durch und trockne die letzten Tränen, ehe ich den antiken Sekretär öffne und einen zwanzig Jahre alten schottischen Whiskey hervorhole, genau wie zwei Gläser.
„Diese Flasche habe ich in der Vorratskammer gefunden, als ich das Café übernommen habe", erkläre ich und öffne sie, „Ich wollte ihn mir für einen besonderen Moment aufheben, aber heute brauche ich einen Schluck", ende ich und gieße zuerst ihm ein und danach mir.
„Auf einen beschissenen Tag!", sage ich und stoße an, ehe ich es in einem Zug leere. Das Brennen ist eine richtige Wohltat und betäubt jeglichen Schmerz, den ich gerade verspüre. Nolan sieht mich an, als ob er gerade einen Elch gesehen hätte, doch das hat er nicht.
Nur eine verzweifelte Pächterin, die in sieben Tagen nicht nur arbeitslos, sondern auch obdachlos ist. Denn der Clou an diesem Café war, dass die Wohnung darüber dazu gehört und ich somit gleich einziehen und anfangen konnte. Aber jetzt, jetzt habe ich eine Galgenfrist und das fühlt sich einfach nur bescheiden an.
„Noch einen?", fragt er mit einem schelmischen Grinsen, das mich trotzdem lachen lässt. „Gerne", antworte ich und halte ihm mein Glas hin. Er nimmt die Flasche und füllt nach, dann stößt er mit mir an und wir leeren das Glas gleichzeitig. Dabei ruhen unsere Blicke auf dem Gesicht des jeweils anderen, was mir einen angenehmen Schauder über den Rücken rieseln lässt. Oder liegt es am Whiskey?
„Willst du darüber reden?", erkundigt sich, nachdem wir uns gesetzt haben. Das kleine Büro ist noch genauso vollgestopft, wie damals vor zwei Jahren. Jedoch hat sich in der Buchhaltung viel getan, das muss man auch mal betonen. Aber alles andere hat den Charme dieser Gegend noch unterstützt und so wollte ich es lassen.
„Der Besitzer, Mr Malcolm, war vor zwei Jahren schwer gestürzt und musste für längere Zeit ins Krankenhaus. Seine Tochter hat eine Aushilfe gesucht und als ich durch einen Zufall, der mich genau wie du", sage ich und schmunzle, „hierher geführt hat, habe ich den Job übernommen." Er nickt und legt ein Bein über das andere, während er mir aufmerksam zuhört.
Er täuscht es nicht nur vor, dazu glänzen seine Augen zu stark, oder er ist ein verdammt guter Schauspieler und Lügner. Doch das passt nicht zu dem Bild, das ich mir in den letzten Stunden gemacht habe. Nolan McRea ist ein Good Boy und kein Bad Boy und das, obwohl er wirklich heiß aussieht.
Das eine schließt das andere eben nicht aus.
„Mr Malcolm hat mir versprochen, dass er es mir überschreibt und mich ins Grundbuch eintragen wird. Da seine Tochter kein Interesse daran hat, das Café weiter zu führen. Doch dann starb er und ich stand nur als Pächterin im Vertrag. Und was dann ans Licht kam, hätte ich nie für möglich gehalten", sage ich und reibe mir die Stirn, lehne mich nach hinten und brauche einen Moment, bis ich weiter reden kann.
Denn es bedeutet für mich wieder von vorne anzufangen und mich auf die Suche nach einem neuen Zuhause zu machen. Und dazu bin ich noch nicht bereit.
„Na ja, das Ende vom Lied ist, dass Mr Malcolm Schulden hatte, die der Verkauf des Cafés tilgen soll. Doch da sich keiner findet, der in einem kleinen, verschlafenem Nest Geschäfte machen will, wird es nun zwangsversteigert. Ich habe Einspruch eingelegt, aber leider verloren. Und was heute passiert ist, weißt du ja", sage ich und drehe das Glas in meinen Händen hin und her.
Nolan schweigt eine Weile, was mich nicht stört, denn wirklich viel dazu zu sagen gibt es nicht.
„Was willst du jetzt machen?", fragt er. Ich schaue ihn an, fülle das Glas auf und zucke mit den Schultern. „Auf ein Weihnachtswunder hoffen, das, oder darauf, dass ein fetter Scheck ins Haus flattert und mich davor bewahrt alles zu verlieren", antworte ich und will einen Schluck nehmen, doch Nolan ist schneller.
„Hey! Was soll das?", stoße ich lachend aus. „Ich hinke einen hinterher", meint er schlicht und leert das Glas. Ich lache und schüttle den Kopf. Seufzend lehne ich mich nach hinten und schließe die Augen, während draußen der tosende Wind pfeift und die Schneeflocken ohne Gnade weitertreibt. In eine ungewisse Zukunft, genau wie mich.