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Voller Hoffnung hatten sie die Reise auf sich genommen. Sie waren den Sternen nachgejagt, durch den Nebel hindurch ins Niemandsland zum Brunnen der Worte - vergebens. Der Brunnen war zerstört worden, ihre Hoffnungen zerstreut. Die Jagd nach den Sternen? Umsonst. Ein einsamer Fuchs streifte um die Ruinen - Abbild ihrer Niederlage.

Ihnen allen ging es gleich in diesem Moment der Niedergeschlagenheit, als sie ankamen und sahen, dass der Brunnen nicht mehr war: Ein Sturm wütete in ihrer Seele, bäumte sich auf in schrecklicher Gebärde. Sie erinnerten sich an ihre Kindheit, alle zusammen.

Zwischen Schokokaffee, Kekse und Schokolade, zwischen Apfelkuchen und Kartoffelbrei und dem ganzen Schlaraffenland, in dem sie gelebt hatten, hatte man ihnen Dinge gesagt. Eingeflüstert. Zunächst hatten sie sie nicht verstanden, hatten fröhlich gelebt - später hatten sie sie gefürchtet, diese Worte. Worte über den Tod und über Leid, über Verzweiflung und ... Scham.

Heute, nachdem sie alles verloren hatten, was sie damals gehabt hatten, wussten sie, was diese Worte bedeuteten. Sie hatten den Tod gesehen, wie er sich von hinten an einen von ihnen angeschlichen und ihn hinterrücks ermordet hatten. Sie hatten gelitten und sie hatten Verzweiflung empfunden, blutende, tränennasse Verzweiflung. Damals am Meer, als die Kette auf dem Grund versunken war. Unerreichbar, für immer. Ausdruck ihres Versagens.

Diese Kette hätten sie gebraucht, um diese Welt zu retten. Stattdessen hatten sie vollkommen versagt.

Damals hatten sie Verzweiflung empfunden im Angesicht ihrer Niederlage, heute war es Scham. Wie sie so vor den Überresten des Brunnens standen und wussten, dass sie zu spät gekommen waren. Wenn sie sich nur ein wenig mehr beeilt hätten, wenn sie doch nur ... eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel. Weil sie wusste, dass es ihre Schuld war. Ihrer aller Schuld. Sie wischte den Tropfen fort.

Diese Welt war dem Untergang geweiht, und sie waren schuld daran. Und sie schämten sich dafür.

Doch als der Boden zu beben begann und das Ende der Tage ankündigte, sah sie in den Gesichtern der anderen noch etwas anderes. Sie sah ... Erleichterung. Und sie spürte es in sich selbst, dieses Gefühl. Alles war vorbei. Und sie war schuld. Aber zumindest war es vorbei.

Sternenschreiber - Zeig Was Du KannstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt