Dornröschen wacht nicht auf

Wake up

Sie wacht nicht auf, höre ich eine Frau sagen.
Sie weint und ein Mann tröstet sie.

Ein Jahr ist seitdem vergangen und ich habe sie nie wieder gesehen. Das Mädchen mit den langen roten Haaren und blaue Augen.
Irgendwie vermisse ich sie.
Ja.
Ich habe mich in sie verliebt.
Und nicht nur ich.
Auch er.

Ich gehe auf die weinende Frau zu.

Was ist mit ihre Tochter?, frage ich sie.
Ach, der Junge von damals..., schnieft sie.
Sie... sie wacht nicht mehr auf, schluchzt die Frau.
Der... der Arzt hat gesagt... dass sie vielleicht nie wieder aufwacht, jammert sie.

Ich frage sie wo ihr Zimmer ist und laufe darauf zu. Vor ihrer Tür bleibe ich stehen.
Langsam öffne ich sie und gehe auf sie zu. 
Sie sieht so aus, als würde sie einfach nur schlafen. Wie Dornröschen in ihrem Turm.
Ich hole meinen Handy aus der Hosentasche und rufe meinen Bruder an.
Er soll schnell hierher kommen.
Dann gehe ich zurück zu ihre Mutter und frage, was denn geschehen sei.
Sie erzählt mir von dem Arzt und ihrem Streit.

Der Arzt habe schon befürchtet, dass es schlimmer werden könnte, doch niemand hat erwartet, das sie vielleicht nie wieder aufwachen würde. In den letzten Monaten hat sie sich nicht mehr bewegt und ist auch nicht mehr aufgewacht um auf die Toilette zu gehen oder zu trinken. Sie hat ihr verboten raus zugehen und dann ist sie wütend geworden. Seitdem ist sie nicht mehr aufgewacht.

Ich habe sofort verstanden.
Sie hat mir erzählt, dass sie das Märchen von Dornröschen mag und dass sie sich als Kind immer schlafen gestellt hat. Vielleicht wartet sie auf ihren Prinzen.

Ich schüttle meinen Kopf.
So ein Quatsch! Wie komme ich denn jetzt auf so was?
Sie hat echt auf mich abgefärbt.

Mein Bruder kommt angerannt. Er sieht mich fragend an. Ich erzähle ihm und auch ihre Eltern von meiner Theorie.

Ich konnte mich dabei erschießen, dass ich so einen Scheiß erzähle, aber das ist die einzige Möglichkeit, die sie vielleicht retten könnte.

Am Anfangt haben sie wirklich gedacht, dass ich scherze. Doch der Arzt hat gesagt, dass es tatsächlich an ihrem Geistigen Zustand liegen könnte, dass sie nicht aufwacht.

Und niemand weiß, wer ihr Prinz sein könnte.

Ihr seid die einzigen Jungen, mit denen sie sich hier angefreundet hat, sagt ihre Mutter.

Anscheinend hat sie oft von uns gesprochen.

Wir können das versuchen, sage ich und werde rot.

Das ist eine echt unangenehme Situation mit den Eltern des Mädchens, in das du verliebt bist, darüber zu reden, wer sie küssen sollte.

Bruder, versuch du mal. Ich glaube sie ist eher in dich verliebt, sage ich und zeige auf meinen Bruder.
Bist du dir sicher?, fragt mich mein Bruder.

Ich nicke.
Schließlich lächelt sie ihn immer so verliebt an und redet auch mehr mit ihm. Mich scheint sie fast gar nicht zu beachten...
Ich drehe mich um, während mein sechs Minuten jüngeren Bruder auf das Mädchen zugeht, das ich liebe und sie küsst.

Stille.
Alle scheinen die Luft anzuhalten. Genauso wie die Zeit.
Wie lange will er sie denn noch küssen?

Ich ziehe ihn weg.

Das reicht, murre ich.

Wir starren auf das Mädchen. Sie regt sich nicht.

Das hat nicht geklappt, bemerkt die Mutter.
Das ist alles so hoffnungslos, ihr Vater schüttelt traurig den Kopf.

Sie wollen alle aufgeben, doch ich lasse nicht zu, dass meine Prinzessin für immer schläft.
Ich bin mir sicher, dass es irgendwo auf dieser Welt noch eine wahre Liebe gibt. Und ich glaube fest an meine Liebe für dieses Mädchen. Ich werde sie niemals einfach so gehen lassen.

Ich beuge mich zu ihr hinunter und drücke meine Lippen auf ihre.

Plötzlich klatscht es.

Ich reibe meine Wange und sehe sie an.

Idiot, so küsst man kein Mädchen, murmelt sie.

Ich muss lachen.