Kapitel 4: Menschlichkeit

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Aziraphale schloss die Tür hinter sich und lehnte sich einen Moment lang an die schwere Holztür. Er lebte im Moment auf einem kleinen Hof unweit des Schlosses, das er zu Beginn seines Einsatzes gekauft hatte. Dazu gehörten einige Felder, Stallungen und ein kleines Nebenhaus für die Angestellten. Er tat sich schwer damit jeden Tag unter den wachsamen Augen der Männer und Frauen zu leben, die für ihn arbeiteten. So musste er nämlich ein Mindestmaß an normalem, menschlichen Verhalten zeigen und das hatte seine Pläne schon einige Male durcheinander gebracht. Wenn er beispielsweise noch zu tun hatte und dann doch so tun musste, als würde er zu Bett gehen, oder sich waschen. Auch die feinen Damen, die ihm ein ums andere Mal Einladungen zu Festivitäten zukommen ließen, konnte er nicht ewig abwimmeln. Auch wenn er gutes Essen und nette Gesellschaft durchaus zu schätzen wusste, letztendlich waren all diese Frauen nur darauf aus ihn zu heiraten und das kam nun wirklich überhaupt nicht in Frage. Normalerweise blieb er bei seiner himmlischen Arbeit auf Erden lieber unauffällig, um so wenig Eindruck wie möglich zu hinterlassen, aber dieser spezielle Auftrag brachte ein gewisses Maß an Aufsehen leider mit sich.
Das wäre eine schöne Überraschung für eine Ehefrau, wenn sie statt einem schon bald zu beerbenden, ältlichen Gatten einen unsterblichen Engel bemuttern oder beseitigen wollte, der weder schlief noch krank wurde. Mal ganz abgesehen von eventuell gewünschten Aktivitäten im Ehebett. Er schauderte leicht. Es war ja nicht so, dass er Sex im Allgemeinen ablehnte, aber einen Engel mit einem Menschen zusammen zu bringen, das kam ihm doch irgendwie falsch vor (alle wussten wie das das letzte Mal ausgegangen war) und andere himmlische Wesen gab es nun mal hier unten nicht.
'Dafür aber ein höllisches...', flüsterte eine leise Stimme in seinem Kopf und er sog scharf die Luft ein.
Während er seinen Umhang und das Schwert samt Gürtel auf einem Stuhl ablegte, hing er seinen Gedanken an diesen seltsamen Abend nach.

Es waren so viele überraschende und seltsame Informationen gewesen, dass er sich am liebsten einige Tage lang hin gesetzt hätte, um darüber nach zu denken. Stattdessen ging er in die Küche, wo Agnes die Küchenmagd saß, und an einer Scheibe Brot mit Käse kaute. Sie erschrak, als er den Raum betrat und stieß mit dem Ellbogen an einen Stapel Kochtöpfe, die scheppernd zu Boden fielen. Die Frau sprang auf und schlug die Hände vors Gesicht.

„Ach herrje. Verzeiht bitte, werter Sire. Wir hatten Euch so früh noch überhaupt nicht zurück erwartet.“

Agnes war eine pummelige, junge Frau, die rosige Wangen und eine lockige, blonde Haarmähne besaß. Wäre Aziraphale ein Mensch gewesen, hätte sie seine Tochter sein können. Sie war zusammen mit Doris, der Köchin, vor zwei Jahren zu ihm gekommen und außer ihrer Tollpatschigkeit war sie äußerst fleißig und gewissenhaft. Der Engel lächelte sie beruhigend an und ging dann neben ihr in die Hocke, wo sie angefangen hatte, die Töpfe aufzuklauben.

„Es haben sich überraschend noch einige Aufgaben für mich ergeben, deshalb bin ich früher gegangen.“

Agnes wurde rot.

„Natürlich, Sire, verzeiht mir. Ich... Ihr müsst nicht...“

Es war ihr sichtlich unangenehm, dass der Ritter ihr half. Ihre Hände zitterten leicht, sodass Aziraphale ein kleines Wunder wirkte, um sie zu beruhigen.

„Mach dir keine Sorgen, Mädchen. Würdest du mir bitte eine Kleinigkeit zum Abendessen bereiten, ich bin auf dem Fest leider nicht dazu gekommen.“

„Ja, natürlich... Sofort.“

Sie sprang auf, warf die Töpfe dabei fast wieder herunter und eilte mit roten Wangen zum Herd, auf dem ein großer Topf mit einer Suppenbasis stand. Eine Zwiebel in der einen, und ein Küchenmesser in der anderen Hand, drehte sie sich zu ihm.

„Es... Ehm, wird noch einen Moment dauern, fürchte ich.“

Aziraphale nickte und rückte den letzten Topf auf der Anrichte zurecht.

Ein himmlischer Kreuzzug (Good Omens) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt