Ein intensiver Duft nach Karamell, Zucker und Schokolade hing in der Luft meiner Wohnung. Lag wahrscheinlich an dem Popcorn und der heißen Schokolade, die auf dem Wohnzimmertisch auf mich warteten. Genüsslich sog ich den Duft ein und schloss kurz die Augen. Es war Dienstagabend, meine Hausarbeit gemacht und ich frisch geduscht, in einer warmen Pyjamahose und XXL-Hoodie eingemummelt. Alles war bereit.
Bereit für meinen Serienabend, an dem ich nie etwas unternahm, sondern schon seit Jahren meine Tradition wahrte. Begonnen hatte es ja schon, als ich ein Teenager war, mit meinem besten Freund zusammen. Wir hatten uns jeden Dienstag getroffen und endlos Filme und Serien gesuchtet bis wir vor Müdigkeit auf der Couch eingeschlafen waren. Ich musste wohl nicht erwähnen, dass wir am Mittwoch nie die Produktivsten waren. Oder ich beziehungsweise immer noch nicht war. Leider war mein Kumpel jetzt ein weltberühmter Fußballstar, der selten noch Dienstagabend Zeit hatte, um unsere Tradition gemeinsam fortzuführen.
"Tja. Von mir aus kann er gerne früh ins Bett gehen, das Weichei. Bleibt mehr Popcorn für mich!", murmelte ich betont fröhlich. Natürlich war mir klar, dass es nicht leicht für einen Fußballer war und er deshalb immer auf hundert Prozent aufspielen musste, im Training wie im Punktspiel. Ich vergönnte es Marco auch überhaupt nicht. Ich war von Tag eins dabei gewesen, als er noch in der Jugend für den BVB spielte. Je erfolgreicher er wurde, desto seltener wurden unsere Dienstage. Ich war bei jedem Spiel damals dabei. Auch heute kam ich noch so oft ich konnte ins Stadion. Aber die gemeinsamen Abende nur mit ihm, Süßkram, den er sich nur an dem Tag gönnte und den Filmen trauerte ich immer noch hinterher. Der letzte Dienstag, an dem ich zu ihm ging, war schon ein halbes Jahr her. Das war in der Sommerpause gewesen, bevor er in Ibiza Urlaub machte.
"Jeder hat sein Leben, Mareike. Seines besteht aus Fußball und Reisen, deins aus heißen Schauspielern und heißer Schokolade." Ich musste schmunzeln. "Okay, das hat sich jetzt echt deprimiert angehört. Im Übertreiben warst du schon immer die Beste."
Ich kuschelte mich in die mit Rentier bedruckter Kuscheldecke ein und griff nach der Fernbedienung, während ich mir eine handvoll Popcorn in den Mund stopfte. Kauend zappte ich durch Amazon Prime. Die meisten Filme hatte ich schon gesehen. Gut okay, dann schau ich einfach nach einer Serie. Nachdem ich Brooklyn Nine Nine fertiggeschaut habe, brauche ich sowieso eine Neue.
Eine Weile las ich mich durch die Infos, doch keine von denen, die ich noch nicht geschaut hatte, interessierte mich wirklich. Jedenfalls bis ich auf Supernational stieß. Die hatte ich mit Marco angefangen, als wir - Puh, wie alt waren wir denn? Siebzehn, Achtzehn? - gewesen sind. Ohne ihn wollte ich mir aber keine weitere Folge geben, weil ich danach nie schlafen konnte. Ich hasste Horror aller Art. Ich hasste Hexen, Geister, Zombies, irgendwelche Tote, die danach wieder auferstanden und dieses ganze verdammte Zeug. Ich hasste es aus tiefster Seele!
Keine Ahnung, warum ich auf Starten drückte und die erste Folge beginnen ließ.
Vier Stunden später war die gesamte Beleuchtung meiner Wohnung angeschaltet. Jede Lampe, jede Lichterkette, jede Deckenbeleuchtung. In meiner linken Hand umklammerte ich ein Sofakissen, mit der rechten öffnete ich zitternd jedes Zimmer meiner kleinen Wohnung. Insgesamt waren es vier Türen. Eine, die ins Bad führte, eine, die in mein Zimmer führte, eine in meine Vorratskammer, in die sich nur eine Person quetschen konnte und eine, die in das Zimmer führte, in dem meine Waschmaschine und sonstiger Kleinkram standen.
Als ich sicher war, dass sich nichts ungewöhnliches in meiner Wohnung befand, blieb ich mitten im Raum stehen. Unschlüssig blickte ich in die Küche. Mein Herz wummerte gegen meinen Brustkorb, war wie ein stetiger Beat, der meine Angst untermalte. Unbewusst verfestigte ich meinen Griff um das Kissen, den Blick immer noch in die offene Küche gerichtet. Nur mit größter Selbstbeherrschung konnte ich mich gegen das Verlangen wehren hinter die Arbeitstheke zu gehen.
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Adventskalender
Fiksi PenggemarKleine Geschichten, die die Vorweihnachtszeit versüßen. Eine Geschichte geht zwei Kapitel lang, sodass am vierundzwanzigstens hoffentlich zwölf Geschichten entstanden sind. Letztes Jahr ist dein Adventskalender leider ausgefallen, Mareike, aber dies...