Einleitung 1 - Der Anfang

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Die Lichter des Krankenhauses waren grell, fast schon so grell, dass blaue Pünktchen im Blickfeld tanzten. Und dennoch konnte man einfach nicht wegsehen.
Genauso ging es Kayla. Sie saß auf einem der weißen Plastikhocker, die in fast jedem Wartebereich des örtlichen Krankenhauses herumstanden. Ihre langen braunen Haare wirkten stumpf und fielen ihr wie ein Wasserfall über den Rücken; während sie daran herumspielte.
Sie wirkte nervös, was in Anbetracht der Situation vollkommen verständlich war.

Eigentlich wären ihre Eltern bei ihr gewesen, allerdings hatten sie es zeitlich nicht geschafft. Anstatt also neben ihrer Tochter zu sitzen und sie einigermaßen aufzubauen, saßen sie gerade in irgendeinem schicken Restaurant mit einigen Investoren. Dabei tranken sie wahrscheinlich den üblichen überteuerten Wein und aßen diese winzigen Gerichte, die man noch nicht mal wirklich mit einem Mikroskop erkennen konnte.

Aber Kayla regte sich darüber nicht auf. Sie hatte so fast ihr ganzes Leben verbracht; auch wenn es erst 20 Jahre waren. Bei fast allen Veranstaltungen, egal ob schulisch oder in ihrer Freizeit, war sie alleine gewesen. Ihren Eltern kam immer etwas dazwischen; ein Abendessen mit Kollegen oder Investoren, ein plötzlich wichtiger Kunde, der Hilfe brauchte, oder ein augenscheinlich vergessenes Meeting. Irgendwann hatte sie sich daran gewöhnt.
Daher beschwerte sie sich auch nicht mehr darüber, auch wenn viele ihrer Freunde dies nicht verstanden. Selbst die Eltern ihrer besten Freunde hatten versucht mit ihr darüber zu reden. Aber jeder Versuch war sinnlos. Kayla wusste, dass ihre Eltern nicht nachgeben würden, egal worum es ging. Selbst an so einem wichtigen Tag wie heute hatten sie etwas anderes im Sinn als ihre eigene Tochter.

Kayla strich sich nachdenklich eine Haarsträhne hinters Ohr und ließ ihren Blick auf den weißen Linoleum Boden wandern. Dieser spiegelte so stark, dass man sich darin fast selbst sehen konnte.
Die klinische Sterilität war deutlich erkennbar; was an sich normal sein sollte, für ein Krankenhaus.
Kayla war nicht gerne hier. Sie verband mit Krankenhäusern mehr Schmerz und Trauer, als mit einem anderen Ort. Vor einigen Jahren war sie schon einmal hier gewesen, allerdings aus einem anderen Grund. Sie hatte sich beim Baseball die Schulter ausgekugelt. Wie sie das geschafft hatte, konnte sie selbst nicht beantworten. Die einzige Erinnerung, die ihr blieb, waren die unsäglichen Schmerzen und das mitleidige Gesicht ihrer Tante, die ihr liebevoll die Hand gehalten hatte.

Kayla's Tante Elena hatte schon so einiges mitgemacht; nicht nur ihre ausgekugelte Schulter. Sie hatte sich um sie gekümmert, wenn es Kayla schlecht ging; war bei ihrem Sturz vom Pferd dabei gewesen, als Kayla versucht hatte erstmals Reitstunden zu nehmen. Für Kayla war ihre Tante eine Art Mutter-Ersatz, auch wenn das hart klang. Elena war eben immer da gewesen, wenn Kayla etwas gebraucht hatte. Im Gegensatz zu ihrer eigenen Mutter. Doch auch daraus machte Kayla ihrer Mutter keinen Vorwurf.

„Frau Berger", die tiefe Stimme des Arztes hallte über den Flur, schien dabei um einiges furchteinflößender als erwartet. Etwas erschrocken sprang Kayla von ihrem Stuhl auf und lief auf den blonden Mann zu, der in seinem weißen Arztkittel einigen Frauen das Blut sonstwohin geschossen hätte. Er sah wirklich gut aus; nur ein wenig außerhalb ihrer Altersklasse.
Dr. Meisner war ein renommierter Neurologe, der sich Kayla bis jetzt als sehr sympathisch entpuppt hatte. Er hatte sich ihrer gleich zu Beginn der Untersuchungen angenommen und ihr versucht jeden Schritt zu erklären, damit sie hinterher kam. Seiner Meinung nach mussten auch die Patienten seine Arbeit verstehen und nicht nur dasitzen und geduldig nicken. Er mochte es, wenn seine Patienten aufrichtig und interessiert zuhörten. Das erkannte er an ihren Augen. Und Kayla war eine davon; sie hörte ihm immer aufmerksam zu, um später noch irgendwelche relevanten Fragen stellen zu können. Das mochte der junge Arzt an ihr.

Er trat einen Schritt zur Seite, machte ihr Platz, damit sie ins Behandlungszimmer gehen konnte. Dabei spürte er, dass ihr heute definitiv nicht nach Spaß war. Obwohl er sonst immer mit ihr hatte Lachen können. Auch wenn er älter war, war er nicht ganz abgeneigt von der brünetten Schönheit. Wie sollte er auch?
Sie hatte all das, was sich ein Mann an seiner Seite wünschen konnte. Und dennoch war er älter und verbat sich solche Form von Interaktion. Warum sie allerdings jedes Mal alleine kam, verwunderte ihn. Er hatte schon versucht sie darauf anzusprechen, war aber jedes Mal von ihr abgewiesen worden.
Irgendwann hatte er aufgegeben. Er wollte ihr zwar helfen, aber sicherlich nicht aufdringlich wirken.

Racing Heartbeat - Incoming Hope [Mick Schumacher FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt