Teil 7

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Throwback to a Open Air Music Festival in Summer 2019

Als sie zurück zu ihrem Campingsplatz kamen, waren schon fast alle in ihren Zelten verschwunden. Bis auf Momo, der seinen Kopf noch aus seinem Zelt streckte, waren sie alleine.
M: Habt ihr die Flasche aufgefüllt?
L: Ja, haben wir. Hier, aber pass auf beim Trinken. Das Wasser ist bis zum Rand aufgefüllt. Wir wollen ja nicht, dass ihr verdurstet.
M: Vielen Dank, das ist sehr nett von euch. Na dann, gute Nacht, meine Lieben.

Mit einem Grinsen und der Wasserflasche verschwindet Momo im Zelt und macht den Reisverschluss zu. Er wirkte noch immer ein wenig aufgeheitert, aber man merkte, dass die Wirkung der Droge schon begonnen hatte nachzulassen. Den ganzen Abend lang war er richtig gut unterwegs, war fröhlich, wie schon lange nicht mehr. Schade, dass er nicht immer so sein konnte. Morgen, würde er bestimmt mit einer miesen Laune aufwachen und nur noch Schwarz in die Welt sehen. Dass man nach einem Abend mit Molly, in ein tiefes deprimierendes Loch fällt, wusste Momo, aber trotzdem hatte er sich die Tablette reingehauen, als gäbe es kein Morgen. Aber er sollte machen was er will, es war ja sein Leben.

Jetzt standen nur noch zwei dunkle Gestalten zwischen den einzelnen Zelten und den leeren Campingstühlen. Er drehte sich zu ihr um und versuchte ihren Blick zu finden. Da es schon 4 Uhr war, begann es bald wieder heller zu werden. Die klaren Sterne erhellten die ausgestorbene Landschaft, aber es war noch zu dunkel, um ihr Gesicht richtig erkennen zu können. Ein paar schweissdurchnässte, dunkelbraune Haarbündel hangen ihr ins Gesicht. Am liebsten würde er ihr die Haare hinters Ohr streichen, aber er traute sich nicht.

S: Was machst du jetzt?
L: Ich will eigentlich warten, bis ich den ersten Bus nachhause nehmen kann. Der geht aber erst in 1.5 Stunden.
S: Du könntest auch bei mir im Zelt schlafen.
L: Vielen Dank für das Angebot, aber ich glaube, ich passe. Aber könntest du echt warten mit Schlafen, bis ich meine Sachen geholt habe?
S: Ja klar.

Sie ging zu ihrem Zelt, das am Waldrand stand. Nächstes Jahr würde sie sich einen anderen Platz aussuchen, denn sie hatte nicht daran gedacht, dass Jungs den Wald als Klo benutzten. Hinter dem Zelt stank es nach Urin. Hoffentlich waren sie nüchten genug, die Bäume und nicht das Zelt zu treffen, denn ansonsten würde es ein Riesendrama mit ihren Vater geben. Sie machte den Reissverschluss auf und blickte hinein. Sie versuchte nach ihren Sachen zu greiffen, berührte jedoch einen lockigen Haarschopf. Ihr Zelt war nicht leer.

L: Verdammt, ich kann meine Sachen nicht holen. Maya hat einen Typen abgeschleppt und der pennt jetzt auf meinen Sachen.
S: Weck sie doch einfach.
L: Nein, das ist fies. So gemein bin ich nicht.
S: Wie du meinst. Du hättest aber das Recht dazu, es ist ja schliesslich dein Zelt.
L: Ja, ich weiss, aber das kann ich nicht.
S: Was machst du jetzt?
L: Ich weiss nicht ... steht das Angebot mit deinem Zelt noch?
S: Klar, komm mit.

Noch voll angezogen lagen sie sich hin. Das Zelt war klein, aber gross genug, damit sie neben einander liegen konnten. Der Boden war steinhart und es war kühl in der Luft. Ihr Schlafsack und die Matraze waren noch in ihrem Zelt und wurden von Maya's Typen gebraucht. Sehr toll aber auch. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Stattdessen lag sie in einem Zelt neben einem Typen, den sie seit weniger als 48 Stunden kennt und der eigentlich eine Freundin hat. Deswegen wollte sie sein Angebot nicht annehmen. Wie würde wohl seine Freundin reagieren, wenn sie die beiden jetzt sehen sähe? Sicher nicht auf eine positive Art und Weise.

Sie versuchte einzuschlafen, doch sie schaffte es nicht eine einigermassen bequeme Schlafposition zu finden. Schliesslich drehte sie sich zu ihm um und suchte ein Zeichen dafür, ob er schon schlief.

L: Bist du noch wach?
S: Ja.
L: Oh ... okay.
S: Du auch?
L: Ja, hörst du doch, sonst würde ich ja nicht reden.
S: Kann ja sein, dass du im Schlaf redest.
L: Mache ich auch, manchmal.
S: Schlafwandelst du auch?
L: Nein, das nicht.
S: Puuh, zum Glück nicht.
L: Warum meinst du?
S: Ich habe keine Lust auf ein blaues Auge oder so, wenn ich morgen aufwache.
L: Verständlich.

Sicher mehr als zwei Stunden redeten sie über alles Mögliche: Herkunft, Alter, Familie, Ausbildung ...  Sie redeten über ihre Vergangenheit, über das Jetzt und über die Zukunft. Er war 19 Jahre alt und hatte einen kleineren Bruder. Sie war 18 Jahre alt und hatte zwei ältere Brüder. Er war im letzten Ausbildungsjahr zum Elektriker. Sie hatte gerade ihren Schulabschluss hinter sich.

S: Und? Was machst du jetzt den ganzen Sommer lang?
L: Ich habe vor, mit meiner besten Freundin den eher nördlichen Teil von Europa mit dem Zug zu bereisen. Wir wollen Oslo besichtigen, Stockholm, Kopenhagen, Hamburg, Amsterdam, Brüssel und zum Schluss Paris.
S: Hört sich gut an. Wird das aber nicht teuer?
L: Doch, glaube schon. Wir werden uns sicher nur von Haferbrei ernähren und in billigen Hostels übernachten. Das Interrail Ticket haben wir uns schon gekauft, es gibt also kein Zurück mehr.
S: Wie lange wirst du unterwegs sein?
L: Sicher einen ganzen Monat, vielleicht sogar mehr.
S: Schade. Könntest du nicht die Reise verkürzen oder so?
L: Hä, warum?
S: Ich weiss nicht, ob ich es aushalte, dich für einen ganzen Monat nicht zu sehen.

Verwirrt schaute sie ihn an und suchte nach einer Erklärung in seinen kristallblauen Augen. Jedoch hielt er den Blick nach Oben gerichtet. Was meinte er damit, fragte sie sich. Er hatte doch eine Freundin? Als sie ihn zum ersten Mal vor gut 24 Stunden erblickt hatte und es sich herausstellte, dass er mit ihrer Gruppe zelten würde, hatte sie schon begonnen, sich Hoffnungen zu machen. Sie musste sich aber schon im Vorhinein klar machen, dass es sich nur einen Sommerflirt handeln würde, da 1. an einem Musik Festival immer sehr viel Alkohol im Spiel war und 2. sie nach dem Sommer nach Norwegen ziehen würde. Zuerst hatte sie es natürlich versucht, seine Aufmerksamkeit zu erobern. Aber als sie dann von einer Freundin erfahren hatte, dass er nicht Singel war, hatte sie mit ihren Bemühungen aufgehört.

Trotzdem hatten sich ihre Wege zu einander gefunden. Zu dritt mit seinem Kumpel sind sie heute im Fluss baden gegangen, da es mit 32 Grad an der Sonne nicht auszuhalten war. Sie war viel lockerer drauf, als am Tag zuvor, da sie jetzt wusste, dass sie bei ihm eh keine Chance hätte. Diese Erkenntnis machte sie viel gelassener und ruhiger. Sie musste niemanden beweisen, gut genug zu sein. Im Verlaufe des Tages sind sie dann zusammen zu einzelnen Konzerten gegangen und haben wie wild getanzt. Endlich mal eine Auszeit von all den Pflichten. Am Nachmittag musste sie arbeiten, da sie nur ein Helfterticket hatte. Sie haben sich aber einander versprochen, nach ihrer Schicht zusammen zu raven, da sie rausfanden, dass sie beide Techno Musik liebten.

Stundenlang haben sie als Gruppe getanzt, bis sie nur noch mit ihm alleine war. Auf einmal hatte er dann aus heiterem Himmel seinen Arm um ihre Schultern gelegt, was nicht gerade bequem war, da er nur wenige Zentimeter grösser was als sie. Für sie fühlte es sich einfach nur komisch an, da Jungs dies machten, wenn sie z.B. bei einem Fussballkampf auf und ab hüpfen und sich dabei die Arme um die Schultern legten. Wie unauffällig, wie es nur ging, versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien, was ihr dann auch gelang. Danach fühlte sie sich wieder viel besser und befreiter, aber trotzdem blieb ein unsicherer Gefühl bei ihr hängen. Was hatte er sich nur dabei gedacht?

Später, als sie sich durch die Menschenmenge drängen mussten, um mal eine Pause zu machen, hielten sie sich fest an ihren Händen, damit sie sich nicht verloren. Die Haut auf ihrer Hand kribbelten durch seine Berührung. Das war kein gutes Zeichen, dachte sie sich. Sie wurde mehr und mehr nervös in seiner Nähe zu sein. Es fühlte sich so an, als wäre die Luft zwischen ihnen mit Energie geladen. Ob er das auch so fühlte? Oder spielte ihre Phantasie ihr wieder ein Streich? Vielleicht war es auch einfach nur der Alkohol. Das musste es sein, dachte sie, Alkohol veränderte immer ihre Wahrnehmung.

Doch jetzt lag sie neben ihm in seinem Zelt und wusste nicht, was sie mit seinem Kommentar, dass er nicht aushalten würde, sie für einen ganzen Monatg nicht zu sehen, anfangen sollte.

Verlorene Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt