»Du bist weggelaufen?«, fragend sah Harry den Lehrer an.
»Ja, auf eine gewisse Art und Weise schon. Ich liebte ihn, so sehr, dass es wehtat, aber ich dachte einfach, dass James, Sirius...sie hätten es nicht verstanden und ihm Vorwürfe gemacht, davon war ich überzeugt. Ich wollte es im leichter machen und so ging ich...«, sagte Severus und sah in die Ferne.
»Und dann?«, Snape wandte seinen Blick dem Jungen zu, in dessen Augen ehrliche Anteilnahme lag. Noch immer war es dem Lehrer ein Rätsel, wie Harry nach allem, was er durchgemacht hatte, so viel Empathie zeigen konnte.
»Nach dem Tod deiner Eltern ging ich, am Tag der Beerdigung auf den Friedhof. Ich versteckte mich, bis Remus der Letzte dort war. Er war wütend, aber als wir wieder voreinander standen, da wussten wir wohl einfach, dass wir zusammengehörten. Wir waren seither nie wieder getrennt«, sie schwiegen. Harry sah auf das Meer und hörte dem Rauschen des Wassers zu. Irgendwie tat ihm Snape leid und auch Remus, sie hatten sich zwar gefunden, aber sie hätten sehr viel früher glücklich sein können, wenn die Sache mit seinem Vater und den anderen nicht gewesen wäre.
»Es tut mir leid...«, sagte Harry irgendwann leise. Irritiert sah Severus ihn an.
»Wenn mein Vater nicht so gewesen wäre, dann wäre alles andere gekommen. Es tut mir wirklich leid...«, die Stimme des Jungen bebte. Severus wusste nicht, was er sagen sollte. Remus hatte recht, Harry war wirklich nicht sein Vater. Er seufzte und streckte die Hand aus. Zögernd legte er sie, Harry auf die Schulter. Der Junge zuckte kurz, ließ die Berührung aber zu und sah auf.
»Du bist sicher nicht für die Fehler deines Vaters verantwortlich und zu einer Fehde gehören immer zwei. Auch ich war nicht fair und hätte anderes handeln sollen, auch was mein Verhalten dir gegenüber betrifft«, sagte Severus. Harry nickte und lächelte dann.
»Ja, vielleicht war ich ja auch einfach etwas aufsässig«, sagte er und nun lächelte auch Severus.
Am Abend saßen die beiden am Tisch der kleinen Küche und während Severus in einem Buch las, machte Harry einige seiner Hausaufgaben. Immer wieder rieb er sich die Augen und gähnte.
»Du solltest langsam ins Bett gehen«, sagte Severus und legte sein Buch auf die Seite. Harry nickte, suchte seine Sachen zusammen und stand auf.
»Guten Nacht Pro...ähm...Severus«, sagte er und der Lehrer nickte.
»Gute Nacht Harry.«
Severus las noch eine ganze Weile, räumte die Küche auf und stieg dann in den ersten Stock. Am Nachmittag hatten sie das Gästezimmer so hergerichtet, dass Harry dort gut wohnen konnte, und Severus musste zugeben, dass der Junge wirklich ganz anders war, als James Potter. Er hatte sehr viel von seiner Mutter, was ein Wunder war, wenn man bedachte, was er alles erlebt hatte. Obwohl Harry und er gut zurechtkamen, sehnte Severus doch die Ankunft von Remus, am nächsten Nachmittag herbei.
Er ging ins Bad und anschließend in sein und Remus' Zimmer, aber stockte dann kurz, die Hand bereits an der Türklinke. Harry Zimmertür war geschlossen und doch meinte Severus, ihn stöhnen zu hören. Leise öffnete er die Tür und trat in den dunklen Raum. Harry wimmerte im Schlaf und wälzte sich hin und her. Mit schnellen Schritten war Severus am Bett und machte Licht. Der Junge war durchgeschwitzt und weinte im Schlaf. Seine Atmung war abgehackt und die Hände wehrten einen unsichtbaren Gegner ab. Severus griff nach den Händen und drückte sie sanft auf das Bett. Sofort fing Harry an, sich noch mehr zu wehren.
»Harry! Du musst aufwachen. Es ist nur ein Traum«, Severus Stimme wurde energischer. Er wollte Harry keine Ohrfeige geben. Dann erinnerte er sich daran, was Remus getan hatte. Er zog das wimmernde Kind einfach in die Arme und hielt ihn fest. Murmelte unverständliche Worte und es half. Irgendwann wurde Harry ruhiger und schien aufzuwachen. Severus drückte ihn etwas von sich. Harrys Augen waren rot und noch immer schwammen Tränen darin.
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Mit deinen Augen
FanfictionHarry Potter flieht kurz nach seinem 12. Geburtstag aus dem Haus seiner Verwandten. Ausgerechnet Severus Snape läuft er in die Arme und dieser erkennt, dass er den Jungen wohl oder übel mitnehmen muss. Seinen Hass auf Harry kann er kaum verbergen, d...