Der Flur

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Sei denn behutsam!
Furcht gibt Sicherheit.
(William Shakespeare - Hamlet)

„Okay pass auf di-“ still.
Annys Worte - einfach abgehackt. Verstummt.

Vor mir lag ein dunkler, langer Gang, durch den uns vorhin auch der Joker geführt hatte.
Der Joker.
Er war hier, irgendwo in diesem Haus. Er hätte einfach einen Meter vor mir stehen können, ohne dass ich ihn sah. Nur, weil die Dunkelheit so anwesend war.
Es machte mir Angst.

Ich atmete tief ein und trat langsam durch den Gang, mit den Händen vorsichtig herumtastend.
Ich musste pausenlos daran denken, irgendwann plötzlich über das weiße Gesicht des Clowns zu streifen.
Über seine Narben, rau und wölbig.
Seine Haare, kalt und strähnig.

Ein kurzer Schauer lief über meinen Körper, dass ich zu zittern begann.
Meine Hand streifte über die kalte Wand und ich brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was ich da berührt hatte.
Erleichtert atmete ich durch und tastete mich weiter entlang der Wand.

Ich wusste nicht genau, warum ich jetzt so eine Angst verspürte, auf den Joker zu stoßen.
Auf dieses vertraute und doch so unbekannte Gesicht.
Lag es daran, dass ich nun alleine war?
Dass ich verwundbar war?
Oder lag es daran, dass ich mich lediglich in diese Angst hineinsteigerte?
Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich Angst hatte.

Und immer wieder hatte ich das Gefühl, dass die feuchte Wand ebenfalls vor Furcht schwitzen würde.

Die Dunkelheit hatte etwas schwüles, beklemmendes an sich. Ich hatte das Gefühl, sie drückte gegen meine Brust, je näher ich dem Licht kam, das von der Treppe nach unten auf den Flur schien.

Plötzlich hörte ich Stimmen.
Leise Stimmen.
Ich hielt gespannt den Atem an.
Meine Finger krallen sich an der kalten Wand fest, als ich spürte, wie mein Gesicht heißer wurde.

Ich lauschte- Es klang wie eine abgelesen Erzählung. Einige kurze Musikeinlagen unterbrachen die Stimme.
Ein Fernseher.
Der Joker schaute Fernsehen.

In mir drin malte sich ein Bild aus.
Wie er wohl da saß?
Ob er Filme schaute?

Ich atmete erleichtert aus. Wenigstens war er nicht hier oben.
Mit jedem Schritt wurde die Stimme verständlicher.
Es waren Nachrichten, erzählt von einer Frau.
Ich tappte langsam weiter, bis ich an die Treppe gelangte und hinunter blickte.
Das Licht des Fernsehers strahlte bis zur Treppenwand und veränderte sich in unregelmäßigen Abständen.
Grün, violett, grün...

Ich musste darunter.

Ich überlegte einige Sekunden, zurück zu gehen, schlich aber letztlich die Treppe runter.
Ab und zu knarrte das Holz unter meinem Gewicht und ich blieb erschrocken stehen. Doch der Joker merkte nichts, zumindest zeigte er keine Reaktion.

Ich fragte mich kurzzeitig, ob er wirklich vor dem Fernseher saß, doch als es plötzlich leicht raschelte und ich einen riesigen Schock bekam, wusste ich genau, dass er da war.

Es fehlte nur noch eine Treppenstufe, bis ich auf dem festen Fußboden ruhen würde - noch ein kleines Bisschen Überwindung. Und dann würde er mich direkt anblicken.

Ich schloss die Augen und.. tat es.

Get Out! || Joker ~ Ein Spiel Der Psyche Und Macht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt