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I started working at the second hand
I thought it would make me more colorful
I saw the world as a stitch and patch
I saw the sky as torn grey wool

Seufzend drehte ich den Schlüssel im Zündschloss und war kurz darauf von der Stille im Wageninneren umgeben. Keine laute Musik, welche mich von meinen eigenen Gedanken ablenkte, kein Motorengeräusch und kein Klappern der Lüftung, weil mal wieder irgendwelche Blüten in den Schächten verklemmt waren. Nur Stille, abgesehen von meinen eigenen Atem, der schon wieder dem einen nervösen Kaninchen glich. Es war völlig bescheuert deswegen nervös zu sein. Schließlich war ich nicht das erste Mal hier. Nur war ich das erste Mal mit meinem ganzen Hab und Gut hier, zwei vollgestopfte Koffer und einige Kartons. Nicht viel, aber das war es vor 4 Jahren auch nicht gewesen. Ein weiterer Umzug, ein weiteres Studium. Meine Eltern waren wenig begeistert. Sie waren es schon nicht gewesen, als ich meinen Bachelorabschluss in BWL erst nach vier Jahren fertig bekommen habe. Als ich ihnen dann eröffnet hatte, dass ich meinen Master in einem ganz anderen Fachgebiet machen würde, waren sie kurz davor gewesen in Ohnmacht zu fallen. Etikette, Benehmen und einen anständigen Beruf. Das war für sie das Wichtigste. Ein Master im ‚Creative Writing' gehörte für sie definitiv nicht zur sicheren Zukunft. Aber wenn ich etwas wusste, dann war es, dass ich definitiv keinen Job in der Wirtschaft annehmen würde.

Nachdem ich schon fast dabei war, den kleinen Plüschtiger an meinem Autoschlüssel zu zerfleischen, schnallte ich mich ab und öffnete die Autotür. In der Straße, in der ich geparkt hatte, waren so gut wie keine Leute unterwegs. Aber Neujahr 10 Uhr morgens waren sicher die Meisten schon auf Arbeit oder noch im Bett, deswegen wunderte es mich wenig.

Meine Hände zitterten immer noch leicht, als ich die Türen verriegelte und zum Kofferraum stapfte. Es war kühl, windig, aber sonnig und ich trat auf mindestens drei Raketenstöcke und gegen zwei leere Feuerwerksbatterien. Ach ja Silvester.

Einer der Gründe warum Olivia heute nicht kommen würde.

Tut mir wahnsinnig Leid, Tash, aber ich hab einen Mordskater :(((

Smileys waren ihr Ding, und Trinken. Sie hatte es nicht verstehen können, warum ich lieber zu Hause bei meinen Eltern geblieben war, als zu ihrer riesigen vermutlich wieder eskalierenden Party zu kommen. Trotzdem waren wir seit unserem ersten Semester befreundet. Es ließ sich vermutlich nicht vermeiden, wenn man mit 400 anderen Studenten im Hörsaal saß und aus Zufall dreimal neben derselben Person einen freien Platz bekam. Seitdem hatte immer eine von uns dem Anderen einen Stuhl freigehalten. Wer wollte schon auf der Treppe des Hörsaals sitzen? Richtig, niemand. Und aus dieser Zweckgemeinschaft wurde dann irgendwann eine seltsame Freundschaft. Obwohl wir mehr als unterschiedlich waren und auch fast nie einer Meinung, aber es klappte irgendwie. Vermutlich auch, weil wir beide nicht so viel Zwang oder Zeit in das Ganze investierten. Entweder wir trafen uns, oder wir ließen es bleiben. Es änderte nichts daran, ob wir uns leiden konnten oder nicht. Selbst streiten war uns meistens zu anstrengend. Ja, vielleicht war unsere Freundschaft etwas seltsam.

Ich beschloss erst mal nur einen Koffer in den 5. Stock zu wuchten und dann den Rest nach und nach hochzuholen. Meine Kurse begannen eh erst morgen. Also würde ich den ganzen Tag Zeit haben und wie gesagt, viel Kram war es ja nicht, da ich vorher in einem möblierten WG-Zimmer gewohnt hatte. Eine eigene Wohnung zu besitzen würde eine nette Abwechslung sein. Ständig von Menschen umgeben zu sein, war etwas, was ich eigentlich nicht mochte. Ich beobachtete gerne Menschen. Es war interessant, witzig oder manchmal auch einfach nur zum Fremdschämen. Aber mit ihnen reden? Das würde wohl nie meine Stärke sein. Meine Mutter hatte mir mal gesagt, dass ich ohne Filter redete. Dass ich schon als kleines Kind jedes Geheimnis oder jeden Tratsch, den es hinter den Rücken des Anderen gab, ausgeplaudert hatte. Es hatte meistens wie ein Vorwurf geklungen. Dabei war Ehrlichkeit doch etwas Qualitatives und heutzutage ziemlich rar noch dazu.

mercy × Harry Styles Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt