Jessy stürmt an mir vorbei. Ich werde richtig sauer und greife nach meiner Pistole und lasse die Sicherung raus schnippen, sodass das bekannte klicken ertönt. Jessy wirbelt herum und sieht mich geschockt an, wie ich eine Pistole auf sie gerichtet habe. Ich bleibe ganz ruhig, halte sie aber immer im Auge. "Wenn wir schon mit dem Kopf voran rein rennen, dann lass mich zuerst rein.“ Sie sieht mich erschrocken an und ich lasse die Pistole langsam sinken und lade sie nach. Das Magazin was in der Pistole war, war leer. Sie sieht mich halb genervt, halb belustigt an und ich betrete das Haus. Meine Knie sind leicht eingeknickt und ich trete langsam mit dem ganzen Fuß auf, um so jegliche Geräusche zu vermeiden. Schritt für Schritt taste ich mich durch den kurzen Flur, die Tür zur unteren Wohnung ist ebenfalls offen. Ich atme tief durch und lehne mich um die Wand um in das Esszimmer zu schauen. Es ist leer. In den Augenwinkeln mache ich eine Bewegung aus. Hinter den Glastüren bewegt sich etwas, doch durch das milchige Glas kann ich nur schemenhafte Figuren erkennen. Tief durchatmen. Schritt für Schritt, ganz leise taste ich mich zu den großen Flügeltüren vor. Jeder Schritt kommt mir extrem laut vor aber das Laminat knarzt nicht und die Schuhe sind so leicht, dass sie nicht hörbar sind. Jeden Meter den ich zurücklege, kommt mir wie eine Ewigkeit vor, doch ich komme letztendlich an den Flügeltüren an. Ich rufe mir das Wohnzimmer vor Augen. Es ist sehr offen. Außer unter dem Sofa und Tischchen oder hinter dem Fernseher kann man sich nirgends verstecken.
Auf einmal höre ich ein lautes klacken aus dem Wohnzimmer. Jetzt oder nie. Ich reiße die Tür auf und sehe die zwei Pferde. Ich beruhige mich augenblicklich und betrete das Zimmer vollends. Ein lauter Knall ertönt von oben. Ich habe echt keine Ahnung ob und wenn ja, was für eine Waffe das war. Die Pferde drehen jetzt total durch. Kettenreaktion. Zuerst der Schimmel, dann höre ich die Isländer von draußen Wiehern. Die beiden großen im Zimmer mit mir drehen total durch. Auf dem rutschigen Boden schlittern sie ziemlich viel und dadurch, dass wir die Rolladen zur Sicherheit teilweise runter gemacht haben, sind die beiden noch panischer. Tief durchatmen is nicht mehr. Überall Panik. Ich schreie einfach nur nach draußen „JESSY, MACH DIE TÜR AUF UND PASS AUF, ICH SCHICK DIE PFERDE RAUS!“ Wenn die beiden nun auch noch nach draußen flüchten würden aber nein, leider ist der Durchgang ziemlich niedrig und es ist immer noch dunkel. Ich sitze nun offiziell in der Todesfalle. Was soll ich machen? Panik, Panik überall. Oben, was ist da los? Was, wenn da oben jemand tot ist? Aber das ist ja egal, ich sterbe auch gleich. Ich bin verschwitzt und überlege, entweder mir oder den Pferden die Kugel zu geben. Besser, als so zu sterben. Als ich die Pistole, diese wunderschöne M1911, auf meinen Kopf gerichtet habe, erscheint plötzlich Jessy wie aus dem Nichts und reißt die Rolladen hoch und die Tür in den Garten auf. Die Pferde stürmen raus und ich schlage die Tür zu. Jessy zittert am ganzen Körper. Ich gehe zu ihr und drücke sie fest an mich „Danke mann, das war definitiv zu knapp.“ Kurz vor einem Nervenzusammenbruch lasse ich mich mit rasenden Gedanken auf die Couch sinken und vergrabe das Gesicht in meinen Händen. Wieder Schüsse von oben. Ich springe sofort auf und greife nach der Pistole und renne nach oben. Ich denke nicht nach und sprinte sofort in den Hauptraum, reiße die Tür auf und werde von drei Gewehrläufen begrüßt. Ich bleibe abrupt stehen und hebe die Hände langsam nach oben.
Meine Hände schwitzen. Drei maskierte Männer haben ihre Gewehre auf mich gerichtet. Entweder die oder ich blitzt es mir durch den Kopf. Entweder wir lassen uns hier ausnehmen oder ich erschieße vielleicht einen... aber das ist kein Maß. Ein paar Vorräte zu verlieren wäre nicht so schlimm wie zu sterben und damit die Leben von der ganzen Gruppe in Gefahr zu bringen. Alles lief so gut bisher. Nur Monster und ein paar Menschen, nichts schlimmes und jetzt stehen mir hier drei bis an die Zähne bewaffnete Männer gegenüber. Sie geben sich Handzeichen und der Mann der am nächsten an mir steht, lässt sein Gewehr sinken und streckt die Hand nach der M1911 aus. Ich überlege erst den schwachen Moment zu nutzen aber das wäre sinnlos. Ich kann nicht in den Raum hinter ihnen sehen und somit nicht abschätzen, ob die anderen mir zur Hilfe eilen könnten oder nicht. Wie Schrödingers Katze. Beide Zustände sind möglich aber in diesem Fall gehe ich davon aus, dass die Mieze tot ist. Oder Lebendig. Das ist im Endeffekt nicht mehr wichtig, also händige ich dem Mann meine Pistole aus. Ein anderer packt mich harsch an der Schulter und drückt mich auf den Boden. Ich wehre mich gar nicht, das wäre in jedem Fall nutzlos, die Katze ist tot. Sie durchsuchen mich kurz und legen mich auf den Bauch, um mich zu fesseln. Scheiße. Das wars dann jetzt. Ich bete, dass Jessy sich entweder sofort ergibt oder schon auf dem Weg weg ist. Wehnig später wird sie von einem vierten unsanft in das Zimmer geschoben. Ich liege immer noch auf dem Bauch und kann das Zimmer aus meiner ungünstigen Lage nicht betrachten. Ich versuche, mich auf den Rücken zu drehen doch ein Fuß stellt sich schwer auf meinen Rücken, sodass ich mich kaum bewegen kann. „Lass sie in ruhe, Criss, die is so klein, vor der brauchst du keine Angst zu haben. Die große hier is auch nix. Das sind kleine Fische, wir könnten die auch einfach laufen lassen.“ Ich höre einen lauten Schrei aus der hinteren Ecke des Raumes. Die vier Geiselnehmer drehen sich zu der Ecke um und zielen mit den Gewehren auf die Ecke. Ich sehe meine Gelegenheit, reiße mich hoch und stoße den Angreifer, wahrscheinlich Criss, unsanft um. Ich setze mich, eingeschenkt durch meine Fesseln, auf seinen Rücken und trete mit meinen Knien unsanft auf ihn ein. Jessy hat sich inzwischen die Waffen von besagtem Criss aufgehoben und zielt zittrig auf die anderen beiden. Aus der Ecke, aus der der Schrei kam, erhebt ich jetzt auch noch Alex und tritt, trotz seiner Fesseln, einem anderen in den Schritt, dieser geht zu Boden. Nur noch zwei stehen und sind verunsichert. Die ganze Aktion ging rasend schnell und Jessy steht deutlich ruhiger. Das AirSoft- Spielen zahlt sich letztendlich doch aus. Ich bleibe aber erst mal auf Criss sitzen. Wenn der aufsteht werde ich zum Zombie und beiße ihn bis er nicht mehr aufstehen will. „Auf den Boden“ befielt Jessy mit sicherer Stimme und beide folgen sofort. Immer wieder faszinierend, wie schnell die weiche Knie bekommen, wenn sie einfach nur erschrocken genug sind. „Bleib da. Ihr bewegt euch? Ich knall euch ab. Gehirn macht sich nicht gut auf Wollteppich. Der war scheiß teuer.“ Jessy ist beeindruckend, wenn sie mal sauer wird. Ich habe nicht die geringsten Zweifel, dass sie ihre Drohung wahr macht.