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20.01.1991    ~22:15 Uhr


Ich meine ich habe die Situation unter Kontrolle, doch so schnell wie es passiert ist, so schnell hat er sich auf gegen mich geworfen und nun liegt er auf mir im Schnee. Durch sein Gewicht löse ich automatisch den Griff und er ist soweit frei, dass er sich auf mir umdrehen kann. Nun sitzt er auf mir und seine eine Hand legt sich um meinen Hals.

Ich schaue ihn erschrocken an und er grinst mich an. "Netter versuch kleiner~", meint er und seine andere Hand reißt meine Jacke auf. Die kalte Luft, die nun durch das Oberteil sickert lässt mich frösteln und die Tatsache, dass dieser Typ wohl wirklich verrückt ist, macht es nicht besser. Er wandert mit der Hand meinen Körper entlang und als er das Päckchen gefunden hat, funkeln seine Augen triumphierend. 

Er legt das Päckchen zur Seite und beugt sich dann näher zu mir. Sein kalter Atem streicht mein Ohr, als er sich so nahe zu mir beugt und flüstert: "Ich bekomme immer, was ich will~" Das nächste was ich spüren kann, sind seine Lippen an meinem Hals. Seine Zunge streicht über meine kalte Haut und dann kann ich seine Zähne spüren.

Das nächste geschieht so schnell, dass ich es kaum glauben kann, aber ehe er sich versehen kann, liegt er mit einem gebrochenen Arm im Schnee neben mir und ich hocke neben ihm, das Messer nun in meinen Händen. Wie genau ich es geschafft habe kann ich nicht sagen, aber mit einem Mal war einfach so viel Adrenalin in mir, dass ich nicht anders konnte und so liegt der Mann nun wimmernd unter mir.

Er schaut mich überrascht und ängstlich an und ich Funkel ihn an. Niemand, absolut niemand hat das Recht, mich mich zu berühren! Dann bemerke ich das leichte brennen an meiner Wange und fahre mit meiner freien Hand darüber. Als ich die Hand anschaue sehe ich Blut. Er hat mich also erwischt... Ich schaue das Messer an, auch an dessen Klinge erkennt man ein wenig Blut und ich knirsche mit den Zähnen. 

Die nächsten Sekunden nehme ich nicht wirklich wahr. Aber als der Mann dann bewegungslos und mit einem kleinen Ast in der Brust vor mir liegt, wird mir doch ein wenig unwohl zumute und schneller als ich schauen kann, bin ich schon wieder auf dem weg zum Lager.

Ich nehme gar nicht wahr, wie schnell es geht, doch kaum einen Moment später klopfe ich an die Türe und werde nach dem Passwort hereingelassen. Der gut gelaunte Ausdruck auf Diegos Gesicht verschwindet und weicht einem düsteren und angespannten Ausdruck. Ich gehe vor ihm auf und ab, raufe mir die Haare und langsam kommt das was geschehen ist, über mich.

Habe ich ihn gerade wirklich getötet? "Franjo! Stop. Geb mir das Messer, setz dich hin und erzähl mir, was passiert ist!", werde ich angehalten und auf einen Stuhl gepresst. Ich erstarre, lasse meinen Blick auf das Messer in meiner Hand fallen und schmeiße dieses dann angewidert auf den Boden. Der Blick des Mannes, sein Atem - ich schüttle mich und schaue dann Diego an.

"Es ist schief gelaufen. Der Kunde war vollkommen drauf, hat mich bedroht und wollte die Ware ohne zu zahlen. Ich war zu langsam, habe nicht aufgepasst und ehe ich mich versehen habe, lag er über mir im Schnee... Ich.. Ich konnte mich nicht wehren.... Und dann.. Er...", meine Hand gleitet automatisch zu der Stelle, an der er mich gebissen hat und mir wird schlecht. Ich stehe auf und gehe wieder auf und ab.

"Was ist passiert Franjo?!", werde ich aber wieder gefragt und die Tonlage lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. "Ich habe ihn erstochen. Ich habe diesen Dreckssack erstochen.", meine ich kalt und wende meinen nun ausdruckslosen Blick zu ihm. Er starrt mich an und bevor er etwas sagen kann, habe ich die Lagerhalle auch schon wieder verlassen. Ich muss den Kopf frei bekommen.


Die ganze Nacht bin ich durch die Straßen gelaufen und habe mich schlussendlich auf den Fenstersimsen meines Zimmers gesetzt und den wolkenverziehrten Himmel angestarrt. Schlussendlich bin ich ohne schlaf am nächsten Tag in einen kleinen Laden gegangen, in dem man das ganze Jahr über alle möglichen Verkleidungen Kaufen kann. Ich werde seine Worte nicht los, dass er mir ansehen konnte, was ich fühle. Das hatte mir mein Vater früher auch immer gesagt aber mittleiweile nehme ich es nicht mehr als Kompliment auf.

Ich gehe zu dem Regal in dem alle möglichen Kontaktlinsen ausgestellt sind und schaue mir die verschiedenen Artikel an. Dann erweckt eine Stimme meine Aufmerksamkeit und ich folge ihr. Am Tresen ist ein Fernseher in dem gerade die Nachrichten kommen und es wird berichtet, dass ein weißer Mann um die fünfzig am frühen Morgen tot im Park entdeckt wurde. Ich bekomme große Augen und höre weiter neugierig zu.

Der Moderator beschreibt, dass vermutlich mehr als ein Unfall dahinter steckt und bittet jeden, der etwas über den Vampirmord weiß, sich bei der Polizei zu melden, da bis dato keinerlei nützlichen Beweise vorhanden sind. "Schrecklich das so etwas vor unserer Nase passiert nh? Und vor allem mit einem Ast. Ich meine sind wir im Mittelalter wo Hexen verbrannt und Vampire aufgespießt werden müssen?", meint eine Frauenstimme neben mir und ich zucke leicht zusammen. 

"Ja.. Schrecklich...", murmle ich und gehe nachdenklich wieder zu dem Regal. Ohne weiter darüber nachzudenken nehme ich mir die roten Kontaktlinsen und bezahle sie Bar an der Kasse. 


Der Mord wurde in den kommenden Wochen immer wieder erwähnt, ohne jeglichen Hinweis. Und den Mörder, mich, den haben die Medien der eisige Vampir getauft. Die anderen, vor allem Diego, haben da natürlich viel Spaß, mich damit aufzuziehen, doch seit ich die roten Kontaktlinsen trage, machen sie in meiner Anwesenheit nicht mehr ganz so viele Späßchen.

Shadow - Wie alles begannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt