Das Haus der Marianos war tatsächlich sehr schön. Ein kleiner Weg aus weißen Kieselsteinen führte zur Haustür. Links und rechts davon stand auf einer wohl gepflegten Rassenfläche jeweils ein wunderschöner Magnolienbaum. Die Haustür war aus massivem und dunklen Holz gefertigt und stand so im deutlichen Kontrast zu der weißen Farbe,mit der die Wände gestrichen waren.
Ich war ziemlich nervös als wir aus dem Auto stiegen, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Während Sandro mein Gepäck aus dem Kofferraum nahm und es ins Haus brachte,blieb ich etwas unschlüssig beim Auto stehen. Ich nahm mir einen Moment um die Situation auf mich wirken zu lassen. Das hier war ein großer Schritt für mich und alles ging so furchtbar schnell. Ich war mir einfach nicht sicher,ob ich bereit war. Für den Moment aber musste ich es sein,also atmete ich einmal tief durch und gab mir innerlich einen Ruck.
Gerade als ich den ersten Schritt in Richtug meines neuen Zuhauses und meines neuen Lebens machen wollte, bemerkte ich eine leichte Berührung an meinem Arm. Als ich aufblickte,sah ich Karin vor mir,die mich ein wenig besorgt ansah.
"Alles in Ordnung, Carla", fragte sie vorsichtig. Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln und nickte,woraufhin sie erleichtert ausatmete.
"Wie wär's wenn wir zusammen reingehen", schlug sie vor und ich nickte wieder. Sie nahm meine Hand und wir gingen zusammen über den Kiesweg zur Haustür.Drinnen war das Haus ebenso schön und gepflegt wie außen. Der Eingangsbereich bestand aus einer kleinen Garderobe und einer weißen Bank. Auf der rechten Seite führte ein torartiger Durchgang in ein gemütliches Esszimmer mit dunkelroten Wänden und unzähligen Kerzenständern. Auch der Kronleuchter,der von der Decke hing war mit echten Kerzen ausgestattet. Bestimmt sah der Raum im Dunkeln wundervoll aus,wenn dann all diese Kerzen brannten.
Auf der linken Seite führte ein identischer Durchgang in den Raum,in welchem sich eine große Küche befand,die in schwarz und weiß gehalten war und dadurch richtig professionell aussah.
Wenn man vom Eingangsbereich gerade aus weiter ging,traf man auf eine breite Treppe, die in das obere Stockwerk führte. Dort waren dann wahrscheinlich die Schlafzimmer.
Ich stand immer noch etwas verloren herum und betrachtete schüchtern mein neues Zuhause,als Karin mir ein Paar Hausschuhe reichte. "Die sind eigentlich für Gäste,aber ich dachte du willst vielleicht selber aussuchen,deshalb habe ich Dir noch keine gekauft", erklärte sie. Ich nickte um ihr zu signalisieren,dass das völlig in Ordnung war und tauschte dann meine Straßenschuhe gegen die grauen Pantoffeln aus.
Karin wartete bis ich fertig war bevor sie mir meine Schuhe abnahm und sie in das Regal neben sich stellte. Anschließend verkündete sie,dass sie mir nun das Haus zeigen würde,nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Wir gingen zuerst in die Küche,von der aus eine weiße Tür in eine Vorratskammer führte. Dann machten wir kehrt und kamen in das schöne Esszimmer,welches ich vorhin schon bewundert hatte. Eine weitere weiße Tür führte,von hier aus in das große gemütliche Wohnzimmer. Die gesamte linke Wand dieses Zimmers bestand aus Bücherregalen,die bis zum Bersten gefüllt waren. Auf der rechten Seite des Raumes befand sich eine riesige Couch mit flauschigen Kissen. Es gab einen ebenso großen Fernseher,mit dem man Filme wohl so erleben konnte,als wäre man ein Teil davon. Doch das wirkliche Highlight war die gegenüberliegende Wand,die nur aus Glas bestand. In das Glas war eine Tür eingelassen,welche wiederum auf eine Terasse führte und dahinter befand sich ein wirkliches Schmuckstück von Garten. Ich konnte gar nicht anders als begeistert zu der Glastür zu laufen und hindurch zu treten. Ich lief über die Veranda und betrat aufgeregt den Garten. Links von mir waren die verschiedensten Gemüsesorten in kleinen Beeten angepflanzt und es gab sogar ein kleines Gewächshaus. Auf der rechten Seite war wiederum ein wirklich großer Pool in den Boden eingelassen und es gab eine gepflasterte Fläche mit Liegestühlen zum trocknen lassen. Was meine Aufmerksamkeit jedoch am meisten packte,war der riesige Ahornbaum, von dessen Äste eine weiße Hollywoodschaukel hing. Eilig lief ich herüber und setzte mich begeistert darauf. Hier konnte man bestimmt super gut lesen und den Sommer genießen.
Karin hatte mich mittlerweile eingeholt und setzte sich lachend neben mich auf die Schaukel. "Da haben wir wohl was gefunden was dir gefällt",bemerkte sie mit einem breiten Lächeln. Ich nickte mehrmals eifrig um ihre Aussage zu bestätigen und wieder lächelte sie.
Ich nahm den kleinen Notizblock,den ich immer bei mir trug,aus der Tasche und schrieb:"Ich liebe Gärten und dieser ist ein wahrer Traum!" Ich reichte Karin den Zettel und sie erwiderte:"Das freut mich. Ich hatte ehrlich gesagt Angst,dass es Dir hier vielleicht gar nicht gefallen könnte." Wieder nahm ich meinen Block und schrieb:"Das tut es. Wirklich." Als sie meine Nachricht las,lächelte sie wieder und führte mich anschließend zurück ins Haus um mir den Rest zu zeigen.
Wir gingen zurück in den Eingangsbereich und dann die Treppe hoch in den zweiten Stock. Hier befanden sich tatsächlich die Schlafzimmer. Zuerst zeigte mir Karin das Zimmer von ihr und Sandro,dann öffnete Karin die Tür zu Fabios Zimmer,in das ich aber nur einen flüchtigen Blick werfen konnte bevor es weiterging. Nun kamen wir zu meinem Zimmer. Es gab nur ein paar Möbel aus weiß gestrichenem Holz,ansonsten war es ziemlich leer. Es gab ein großes Bett mit blauen Kissen,einen großen Schrank und zwei Regale,außerdem einen Schreibtisch und sogar einen Schmiktisch. Eine weiße Holztür führte in ein Badezimmer,das ich mir mit Fabio teilen musste und durch das unsere beiden Zimmer verbunden waren.
Alles in allem war es ein schönes Zimmer,es fehlte nur eine kleine Note von Persönlichkeit,die aber sicher kam sobald ich eine Weile darin wohnte. Gerade als ich das dachte fing Karin an zu sprechen:"Natürlich gehen wir noch einkaufen und Du darfst alles haben was Du dir wünscht. Sandro hat erstmal das nötigste besorgt,damit du dich schon mal einigermaßen einrichten kannst,aber du kannst alles so gestalten wie Du willst."
Gerade als ich ihr zunickte,kam Sandro mit meinem Gepäck herein. Es war nicht viel,aber es war das wichtigste. Sandro stellte die Koffer ab und sah mich an bevor er fragte:"Und wie gefällt es Dir? Ich hoffe Karin hat Dir gesagt,dass Du alles noch ändern kannst und wir kaufen Dir alles was Du willst." Ich nickte wieder und lächelte ihm dabei zu woraufhin er zufrieden aussah.
Es entstand ein längeres Schweigen,dass schließlich von Karin unterbrochen wurde:"Also am Besten lassen wir dich erstmal ankommen. Ich werde jetzt mal Mittagessen kochen und wenn Fabio kommt,essen wir." Ich nickte erneut erleichtert und die beiden verließen das Zimmer und schlossen leise die Tür. Ich war froh über die plötzliche Ruhe. Ich brachte wirklich ein paar Minuten für mich.
Das war alles ganz schön viel auf einmal. Natürlich waren die Marianos eine wundervolle Familie und ich hatte großes Glück von ihnen adoptiert worden zu sein. Trotzdem musste ich immer wieder an meine eigene Familie denken. In jeder nur erdenklichen Situation fragte ich mich was meine Mutter jetzt gesagt oder was mein Vater getan oder wie meine Schwester reagiert hätte. Ich vermisste sie alle so unglaublich und der Gedanke daran,dass ich sie nie wieder sehen würde,war unerträglich.
Das Einzige was mir geholfen hätte meine Gefühle zu verarbeiten und mich ein wenig besser zu fühlen wäre das Singen gewesen. Ich hatte es geliebt zu singen,nur so konnte ich meine Gefühle ausdrücken und mich frei fühlen. Aber auch dieser Teil meines Lebens war mir genommen worden.
Was sollte ich also tun? Ich hatte eigentlich gar nichts mehr. Trotzdem musste ich so tun als ginge es mir gut und als wäre alles in Ordnung...
Seufzend fing ich an meine Sachen einzuräumen um mich auf andere Gedanken zu bringen. Es dauerte nicht lange die wenigen Dinge auszupacken,die ich hier hatte. Vielleicht konnte ich bald in mein altes Haus um alles zu holen was mir noch fehlte. Ich würde Karin bei Gelegenheit mal fragen. Sie würde es sicher nicht gut heißen,aber ich musste einfach nochmal nach Hause. Ich musste nicht nur meine Sachen holen, ich wollte mich auch verabschieden und...na ja...ich wollte einfach dort sein. Wenigstens noch einmal...Nach knapp einer Stunde, in der ich hauptsächlich auf meinem Bett lag und meinen Gedanken nachhing, klingelte es an der Tür und Fabio kam von der Schule. Ich verließ mein Zimmer und ging die Treppe hinunter in die Küche. Dort stand Karin am Herd während Fabio auf der Arbeitsfläche saß und ihr zusah. Als ich hereinkam sah mich Fabio auf eine seltsame Art an,die ich nicht genau beschreiben konnte. Irgendwie überrascht und gleichzeitig mitleidig und trotzig. Ich versuchte es mit einem kleinen,vorsichtigen Lächeln, doch er schaute weg. Ich nahm meinen Block heraus und schrieb:"Soll ich den Tisch decken" darauf. Dann ging ich zu Karin, berührte sie leicht am Arm um sie auf mich aufmerksam zu machen und reichte ihr den Zettel. "Das wäre Lieb, Carla. Sandro gibt dir die Sachen aus dem Schrank", antwortete sie und scheuchte daraufhin ihren Sohn von der Arbeitsplatte. Dieser stöhnte leicht genervt,tat aber wie geheißen. Er gab mir zuerst die Teller in die Hand und als einige Minuten später wieder kam,reichte er mir Besteck,gefolgt von Gläsern.
Karin hatte köstliche italienische Pasta gekocht und die Stimmung am Tisch war angenehm und ungezwungen. Wenn es so weiterging,konnte ich mich bestimmt schnell hier eingewöhnen. Alles war beinahe normal und ich war seit langem das erste Mal fast fröhlich oder so etwas Ähnliches.
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Nie Mehr Wieder
Ficțiune adolescențiSo wie ihre Mutter wollte die siebzehn jährige Carla immer eine Sängerin werden. Doch nach einem folgenschweren Autounfall,verliert sie nicht nur ihre Familie sondern auch ihre Stimme. Nichts ist mehr so wie es war, aber ist deshalb wirklich alles v...