Du darfst nichts fühlen!

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Ein zartes Klopfen weckt mich am nächsten Morgen. Zaghaft öffne ich meine Augen und rufe: "Ja, bitte?" Zügig kommt die Antwort: "Guten Morgen, Königin Elsa. Ich wollte Sie nur an Ihr heutiges Treffen erinnern." Oh, nein! Das hätte ich beinahe vergessen. Sofort springe ich aus meinem Bett und will mir meine Sachen heraussuchen während ich erwidere: "Vielen Dank, Mari. Wie viel Zeit habe ich noch?" Kurz herrscht Stille und als ich mein Kleid anhabe, höre ich ihre Antwort: "Sie haben noch genau 23 Minuten." Mit weit aufgerissenen Augen renne ich zur Tür, reiße sie auf, bedanke mich noch kurz und laufe dann ins Bad um mich fertig zu machen. 

"Jack Frost ist sooo toll! Meinst du es gibt ihn wirklich?" fragt mich Olaf ein paar Stunden später. Wir laufen durch den verschneiten Wald gegenüber vom Schloss von Arendelle. 

"Ich weiß es nicht, Olaf. Aber es ist sicher nur eine Kindergeschichte." 

"Wenn das so ist, dann ist es jetzt meine Lieblingskindergeschichte!"

Ich muss lachen. "Kennst du denn noch andere Kindergeschichten, Olaf?"

"Nö. Aber keine wird sie übertreffen!" meint er überzeugt.

"Na okay, wenn du meinst. Komm, wir müssen wieder ins Schloss. Es wird schon dunkel." meine ich und wir wechseln die Richtung und machen uns auf den Rückweg.

"Sag mal Elsa?" 

"Was denn, Olaf?"

"Wie entsteht denn eigentlich der Schnee, wenn du ihn nicht zauberst?"

Ich überlege kurz bevor ich sage: "Das hat etwas mit den Wolken zu tun. Wenn es ganz kalt ist, regnet es nicht mehr sondern das Wasser gefriert und es schneit." 

"Hm, denkst du nicht das eine Person, wie Jack Frost zum Beispiel, den Winter herbei zaubert?" 

"Ach mein kleiner Freund, ich würde gern glauben, dass es so wäre. Die Vorstellung von Jack Frost ist schön, nicht wahr?"

"Ja und ich glaube an ihn. Ganz egal was die Wissenschaft sagt!" 

Ich lache wieder doch mein Lachen verstirbt als plötzlich vor uns eine riesige Schneewolke entsteht. So schnell wie sie kam, ist sie jedoch wieder verschwunden. Binnen ein paar Sekunden sieht es so aus, als wäre nie etwas geschehen.

"Elsa, warst du das?" flüstert Olaf mir zu.

"Nein, ich-" Olaf unterbricht mich mit einem Freudenschrei.

"ES IST JACK FROST!" brüllt er durch den Wald und rennt zu der Stelle wo vorher der Schneewirbel war.

"Ehm...Olaf was tust du da?" frage ich viel zu leise als das er es hören kann.

Ich beobachte wie er sagt "Hallo, ich bin Olaf und ich liiiebe Umarmungen!" Keine Millisekunde später umarmt er die Luft. Ja, er umarmt wirklich die Luft.

Olaf kichert kurz ehe er sich wieder mir zuwendet.

"Elsa, willst du Jack nicht auch begrüßen?"

Bevor ich etwas sagen kann, dreht sich Olaf kurz um und schaut mich dann mit einem traurigen Gesicht kurze Zeit später wieder an.

"Du kannst ihn gar nicht sehen?"

Völlig verwirrt antworte ich: "Nein, ich...Olaf, hör zu, du steigerst dich sicher viel zu sehr in diese Geschichte herein. Dort steht niemand."

"Ja aber natürlich steht Jack hier. Du musst nur an ihn glaub-" Ich schneide ihm das Wort ab.

"Olaf, es ist gut jetzt!" erst nachdem die Worte aus meinem Mund gekommen sind, merke ich das ich geschrien habe. Nebenbei zittere ich am gesamten Körper.

Nein. Nein, nein NEIN! Ich bin dabei meine Beherrschung zu verlieren!

Panisch verfalle ich in Schnappatmung und renne in die entgegengesetzte Richtung von Olaf. Ich laufe so schnell, dass die Umgebung um mich herum verschwimmt. Ich spüre wie sich der Schnee unter mir wölbt und mich voran treibt. 

"Du darfst nichts fühlen. Du darfst nichts zu fühlen. ELSA, HÖR AUF ZU FÜHLEN!" ermahne ich mich selbst. 

Erst weiß ich nicht wo meine Füße mich hintragen, doch als ich am Ziel angekommen bin, bin ich froh. 

Vor mir steht mein 3 Jahre alter Eispalast, den ich mir damals zum Schutz gebaut habe. 

Tränen laufen mir die Wangen herunter während ich die Treppe hinaufstürze.

Die Tür schwingt auf und ich trete verzweifelt hinein. 

Kaum ist die Tür wieder zu, breche ich auf dem Boden zusammen und fange an zu schluchzen. 

Ich kann spüren wie der Boden unter mir kälter wird, ich höre das Eis knacken, doch es ist mir egal.

Warum schaffe ich es nicht mit meinen Kräften umzugehen?

Verzweifelt schaue ich auf.Ich ziehe scharf die Luft ein. Egal wo ich hinsehe, sind nur Eisspitzen. Wenn ich mich jetzt bewege, spieße ich mich wahrscheinlich selber auf. 

Vielleicht wären die anderen sowieso besser ohne mich dran...nein, so darf ich nicht denken! Ich darf Anna nicht allein lassen. Unsere Eltern wären enttäuscht von mir, wenn ich meine kleine Schwester und unser Volk einfach so zurücklassen würde. 

Ich atme langsam tief durch und versuche den Schmerz in mir zu ignorieren während ich mich auf die Eisspitzen konzentriere. 

Zögerlich ziehen sie sich zurück bis sie irgendwann ganz verschwunden sind. 

Mit einem Seufzen gehe ich die Treppe hinauf, in den Schlafraum.

Dort steht immer noch mein eisblaues, von mir erschaffenes Bett und ich muss etwas lächeln als ich es sehe. 

Ich sollte eine Weile hier bleiben um wieder zu mir selbst zu finden. Aber was ist mit Arendelle? Ich kann sie nicht einfach im Stich lassen. 

Ich werde morgen früh wieder zurückkehren, sage ich zu mir selbst.

Müde lasse ich mich in das Bett fallen. Auch wenn es schwer vorstellbar ist: Das Bett ist tatsächlich weich wie ein normales Bett auch. Ich frage mich immer noch wie ich es geschafft habe, denn nach gefühlten Tausenden Versuchen, wurden es immer nur harte Eisblöcke. Es war nie so wie dieses hier.Erschöpft kuschele ich mich in die Kissen und versuche einzuschlafen. 

Erschrocken fahre ich hoch. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gerade gehört habe wie die Eistüren meines Schlosses aufgegangen sind. Doch das ist unmöglich, denn sie lassen sich nur mit meinen Kräften öffnen.

Neugierig und gleichzeitig voller Angst schleiche ich mich aus meinem Bett, dem Zimmer und schließlich bis zur Treppe. Was ich dann sehe, verschlägt mir den Atem. Die große Eistür steht offen, doch das ist nicht das was mich so überrascht.

Ich wünschte, ich wäre etwas mehr wie duWo Geschichten leben. Entdecke jetzt